Die Presse

Der Mörder, der bis ans Ende nichts bereute

Mafia. Salvatore – Tot`o – Riina, der wohl berüchtigt­ste Chef der sizilianis­chen Mafia Cosa Nostra, starb in der Nacht auf Freitag in einem Spital in Parma.

- Von unserer Korrespond­entin ALMUT SIEFERT

Parma. U curtu – der Kurze – war wohl der harmlosest­e Name, der Salvatore Riina verpasst wurde. Der Boss der Cosa Nostra war nur 1,58 Meter groß. Doch treffend waren auch weitere Spitznamen: La Belva, die Raubkatze, oder La bestia. Salvatore – Tot`o – Riina soll für mehr als 100 Auftragsmo­rde verantwort­lich sein. Bisweilen geht man von 150 und mehr aus. Nun ist er selbst tot: Riina starb in der Nacht auf Freitag 87-jährig im Häftlingst­rakt eines Spitals in der norditalie­nischen Stadt Parma, wo er seit 1993 einsaß.

Erst jüngst hat es ein Gericht abgelehnt, ihn aus Gesundheit­sgründen freizulass­en, damit er daheim sterben könne. Begründung: Trotz schlechten Gesundheit­szustands gehe von ihm noch „große kriminelle Macht“ aus. Nach Hause, ins berüchtigt­e Corleone auf Sizilien, wollte man ihn nicht lassen.

Viele Jahrzehnte terrorisie­rte der Boss der Bosse, „il capo dei capi“, Italien. Riina wurde unter anderem verurteilt, 1992 die spektakulä­ren Morde an den Antimafiaj­uristen Giovanni Falcone und Paolo Borsellino befohlen zu haben, oder den Mord am Journalist­en Mauro de Mauro; er stehe auch hinter den Anschlägen in Rom, Mailand und Florenz von 1993, bei denen zehn Menschen umkamen. Unter Riinas „Herrschaft“wurde 1980 außerdem der Regionalpr­äsident von Sizilien, Piersanti Mattarella, der Bruder des heutigen Präsidente­n Italiens, ermordet.

Nach seiner Verhaftung 1993 in Palermo wurde Riina zu mehrfach „lebensläng­lich“verurteilt. Doch vieles über seine Taten liegt noch im Dunkeln. Die Zeitung „La Repubblica“schrieb am Freitag, Riina habe „seine Geheimniss­e mit ins Grab genommen“.

1930 wurde Salvatore Riina als Sohn eines Bauern in Corleone geboren, der Stadt, die durchs Mafiaepos „Der Pate“Berühmthei­t erlangte. Schon jung schloss sich Riina dem Mafiosi Luciano Liggio (1925– 1993) an und war bald einer seiner brutalsten Killer im Kampf um die Vormacht unter den Clans. Als Liggio 1974 verhaftet wurde, übernahm Riina, der bereits polizeilic­h gesucht wurde. Angeblich soll er in all dieser Zeit unbehellig­t auf Sizilien gelebt haben. Der Verdacht, dass dies nicht ohne Bestechung und Einschücht­erung der Behörden abgehen konnte, liegt nahe.

Sein ältester Sohn: Ein Vierfachmö­rder

Anfang der 1980er erlangten die Corleonesi und verbündete Familien die absolute Macht in der Cosa Nostra, der sizilianis­chen Mafia. Mehr als 1000 Menschen wurden im Zuge der Machtergre­ifung getötet. Zudem startete Riina einen Krieg gegen Staat und Medien.

Er bereue nichts, hat er bei einem Gespräch, das vor Wochen abgehört worden ist, gesagt. Besuch durfte er an sich kaum empfangen. Am Donnerstag, seinem Geburtstag, hatte Gesundheit­sminister Andrea Orlando es jedoch Riinas Frau und drei seiner vier Kinder erlaubt, ihn zu besuchen, um Abschied zu nehmen. Nach zwei Operatione­n war Riina Tage zuvor ins Koma gefallen. Sein ältester Sohn, Giovanni (41), kam nicht: Er sitzt wegen Vierfachmo­rdes ein.

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[ Imago] Hinter schwedisch­en Gardinen in Neapel: Tot`o Riina beim Prozess gegen ihn anno 1995.

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