Die Presse

„Sobald es klare Verhältnis­se gibt, ist die Partei wieder geeint“

Andreas Schieder. Partei- statt Klub-Chef: Wie Schieder seine Rolle als Wiener Bürgermeis­ter anlegen würde.

- VON RAINER NOWAK UND ULRIKE WEISER

Die Presse: „Ich bin kein Kandidat des Kompromiss­es.“Wissen Sie, wer das gesagt hat? Andreas Schieder: schlechtes Zitat. Es ist jedenfalls kein

Sie haben das im April in der „Presse“gesagt. Und jetzt wollen Sie als Bürgermeis­terkandida­t genau dafür stehen: für den Kompromiss. Das war anders gemeint. Nein, ich bin kein Kompromiss­kandidat. Aber, ja, ich sehe mich in der Mitte der Partei. Linker Flügel, rechter Flügel, Innenbezir­ke, Außenbezir­ke – ich lehne diese Einkastelu­ng ab.

Auch Ihr Konkurrent Michael Ludwig beanspruch­t die Mitte für sich. Was unterschei­det Sie beide? Inhaltlich weniger, als manche denken, aber wir sind vermutlich vom Typ und der Herangehen­sweise unterschie­dlich.

Was würden Sie z. B. in der Wohnbaupol­itik anders machen? Ein Problem ist, dass viele Wohnungen dem Markt entzogen sind. Man muss überlegen, wie man etwa mit Airbnb-Anbietern verfährt. Ich rede nicht von Privaten, die während des Urlaubs ihre Wohnung vermieten, sondern über kommerziel­le Anbieter. Außerdem fände ich eine Abgabe auf leer stehende Wohnungen sinnvoll. Ludwig hat die Leerstands­abgabe als nicht nötig und rechtlich schwierig abgelehnt. Das Rechtliche ist das eine, aber inhaltlich wäre sie gut.

Wo lägen als Bürgermeis­ter generell Ihre inhaltlich­en Prioritäte­n? Da gibt es viele: die Bildung, der 5G-Ausbau (Anm.: nächster Mobilfunk-Standard), die soziale Sicherheit. Natürlich gibt es hier viele Probleme, es ziehen viele Arme nach Wien. Trotzdem muss niemand auf der Straße schlafen. Punkto Verkehr hat Wien einen super Mix, aber Ideen, wie auf der Praterstra­ße eine Spur wegzunehme­n richten Chaos an.

Wien muss sparen. Wie würde Ihr Sparprogra­mm aussehen? Als ehemaliger Finanzstaa­tssekretär der Regierung Faymann weiß ich, wie wichtig mittelfris­tig ein ausgeglich­enes Budget ist. Aber ich will das Defizit durch Wachstum zurückfahr­en.

Sie glauben, es geht ohne sparen? Natürlich muss man bei den Ausgaben streng sein, aber ich will kein Blut-, Schweiß-, Tränen-Sparprogra­mm.

Sie haben Chaos beim Verkehr erwähnt: Würden Sie Rot-Grün fortsetzen? Prinzipiel­l ist die Koalition gut, aber es braucht in der Verkehrspo­litik keine Prestigepr­ojekte, dafür braucht Wien ganz sicher eine sechste Donauqueru­ng. Mit der ÖVP wäre man sich da einig. Würden Sie lieber mit der koalieren? Ich habe von Gernot Blümel noch kein konstrukti­ves Wort zu Wien gehört. Er ist Teil des Wien-Bashings von Sebastian Kurz, das nach dem Wahlkampf weitergeht. Ich weiß nicht, was für ein Problem Kurz mit Wien oder mit Stadt an sich hat. In Österreich und ganz Europa gibt es derzeit einen konservati­v-nationalis­tischen Trend. Wien muss hier ein Gegenmodel­l sein.

Michael Ludwig wird nachgesagt, dass er sich strategisc­h besonders um die FPÖWähler bemühen würde. Sie auch? Es wird künftig viele FPÖ-Wähler geben, die von der neuen Bundesregi­erung enttäuscht sein werden. Denen will ich ein Angebot machen, indem wir uns um die Probleme des Alltags kümmern.

Sie würden aber nicht soweit gehen, 2020 mit der FPÖ zu koalieren? Nein.

In Porträts über Sie wird regelmäßig Ihr taktisches Geschick gelobt, aber angezweife­lt, ob Sie „Rampensau“genug für den Wahlkampf sind. Ich war im letzten Wahlkampf überall unterwegs – auch in Bierzelten und auf Weinfesten. Der „Falter“hat Sie einmal als Bobo-Roboter bezeichnet. Was soll das sein?

Vermutlich jemand, der im Gemeindeba­u weniger gut ankommt. Ich bin in Hütteldorf im Gemeindeba­u aufgewachs­en. Ich glaube, ein Bürgermeis­ter muss beides können, sowohl in akademisch­en Zirkeln diskutiere­n als auch mit Leuten im Gemeindeba­u reden.

Ludwig hat viele prominente Unterstütz­er. Kränkt es Sie, dass sich Ihr Chef, Christian Kern, nicht deklariert? Nein. Ich finde es auch seltsam, dass sich jetzt alle deklariere­n sollen. Es geht letztlich darum, was die Delegierte­n wollen.

Falls Sie die Abstimmung verlieren, wie ist dann Ihr Plan? Dann bleibe ich, wo ich jetzt bin (Anm. geschäftsf­ührender Klubchef im Bund).

Es gibt das uncharmant­e Gerücht, dass – sollte sich ein sehr knappes Ergebnis abzeichnen – in der letzten Minute ein dritter, einigender Kandidat präsentier­t wird. Ich habe in letzter Zeit so viele Gerüchte gehört, ich hätte gar keine Zeit, die alle zu kommentier­en.

Dann frage ich anders: Glauben Sie, dass – egal, wer gewinnt – es demjenigen überhaupt gelingen kann, die Anhänger des anderen auf seine Seite zu ziehen? Ja. Ich glaube, sobald es klare Verhältnis­se gibt, ist die Partei wieder geeint. Ich halte das Flügelkamp­fgerede auch für übertriebe­n. Die meisten in der Partei nervt das.

Aber das ist ja keine Erfindung der Journalist­en. Es gibt inhaltlich­e und persönlich­e Konflikte.

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