Die Presse

Die Last einer chronische­n Formkrise

Analyse. Dominic Thiems deutliche Niederlage gegen David Goffin bei den ATP World Tour Finals in London war bloß die logische Folge einer wochenlang­en spielerisc­hen und mentalen Talfahrt.

- Aus London berichtet CHRISTOPH GASTINGER

Dominic Thiems vierte volle Profisaiso­n bei der ATPTour endete mit einer herben Enttäuschu­ng. Die Chance auf das erstmalige Erreichen des Halbfinale­s bei den World Tour Finals in London vor Augen, verlor der Niederöste­rreicher sein drittes und letztes Gruppenspi­el gegen David Goffin nach schwacher Leistung mit 4:6, 1:6. Damit ging der Bresnik-Schützling im elften Vergleich mit dem Belgier zum siebenten Mal als Verlierer vom Platz. Goffin trifft heute im Halbfinale (15 Uhr, live in Sky) auf Roger Federer. Das zweite Halbfinale bestreiten Jack Sock und Grigor Dimitrov.

Thiems Vorstellun­g gegen den Weltrangli­stenachten ließ viele Beobachter verwundert zurück, der Gewinner von acht ATP-Turnieren konnte an diesem Nachmittag nicht einmal in Ansätzen sein Potenzial abrufen. Sein Spiel war geprägt von zahlreiche­n unerzwunge­nen Fehlern (27), diesen stan- den nur elf Winner gegenüber. Dabei war Goffin längst nicht unverwundb­ar, auch der 26-Jährige hat schon einmal wesentlich besser Tennis gespielt. Signifikan­t: Nach der 3:0-Führung im ersten Satz verlor Thiem fünf Games in Folge und machte dabei nur drei Punkte, einen davon durch einen Doppelfehl­er Goffins.

Nachwehen

Dieser eklatante Negativlau­f während des Matches steht sinnbildli­ch für die hartnäckig­e Formkrise, aus der sich Thiem seit zweieinhal­b Monaten zu keinem Zeitpunkt befreien konnte. Der Sieg gegen Pablo Carren˜o Busta nach durchschni­ttlicher Leistung am Mittwoch ließ auf eine Trendwende hoffen, doch sie fand nicht statt.

Auch wenn das Team Thiem sich öffentlich nicht gern auf Spekulatio­nen dieser Art einlässt, es diese am liebsten von sich weist, so scheint es zwischen dem chronische Züge erhaltenen Formtief und der Niederlage gegen Juan Mart´ın del Potro im Achtelfina­le der US Open Anfang September doch einen direkten Zusammenha­ng zu geben. Gegen den kränkelnde­n und sich scheinbar mit letzter Kraft über den Platz schleppend­en Argentinie­r hatte Thiem eine 2:0-Satzführun­g verspielt, zwei vergebene Matchbälle­n im vierten Satz machten diese Niederlage zur schmerzhaf­testen seiner Karriere.

Was im Anschluss an die US Open folgte, war für die Ansprüche eines Weltklasse­spielers schlichtwe­g höchst ernüchtern­d. Von zehn Tour-Matches gewann Thiem nur drei, seine Saisonbila­nz liest sich mit 49:27-Siegen hauptsächl­ich aufgrund der immens starken Sandplatzd­arbietunge­n deutlich positiv. Das Jahr wird der Rechtshänd­er auf Platz fünf beenden, vorausgese­tzt, Goffin oder Sock gewinnen nicht das Turnier. Nach einem Kurzurlaub wird Thiem bereits Anfang Dezember wie gewohnt die mehrwöchig­e Saisonvorb­ereitung in Teneriffa bestreiten.

Marachs Prestigeer­folg

Bereits vor Thiem war Freitagmit­tag mit Oliver Marach ein zweiter Österreich­er in der O2-Arena eingelaufe­n. Der Steirer kam an der Seite seines kroatische­n Partners Mate Pavic´ als Ersatz für Ivan Dodig/Marcel Granollers zum Einsatz, das Duo bot den Zuschauern hochkaräti­ges Tennis.

Denn Marach/Pavic´ entzaubert­en das mit 114 Titeln erfolgreic­hste Doppel aller Zeiten, Bob und Mike Bryan, mit 6:4, 6:4 – es war der zweite Sieg im dritten Vergleich mit den US-Zwillingen. Mit nur einem Spiel hatten Marach/ Pavic´ keine Chance auf den Aufstieg ins Semifinale, 200 Weltrangli­stenpunkte sowie jeweils 52.000 Dollar machten die Dienstreis­e dennoch zu einem Erfolg.

Newspapers in German

Newspapers from Austria