Kreative Jobsuche für Aktion 20.000
Arbeitsmarkt. Anfang 2018 sollen 20.000 Langzeitarbeitslose in Österreich einen Job bekommen. Sie sollen zum Teil Arbeiten verrichten, die derzeit von Ehrenamtlichen gratis erledigt werden.
Wien. So einfach war es für Bürgermeister, Obmänner von sozialen Vereinen und Inhaber von Pensionistenheimen noch nie, neue Jobs zu schaffen und dafür kostenlos Personal zur Verfügung gestellt zu bekommen. Denn zu Jahresbeginn 2018 soll die Aktion 20.000 in ganz Österreich starten. Ziel ist es, eine Tätigkeit für ältere Langzeitarbeitslose zu finden. Sie müssen dabei nach dem jeweiligen Kollektivvertrag entlohnt werden.
Das Tolle für die Gemeinden und Vereine ist, dass der Staat sämtliche Lohn- und Lohnnebenkosten übernimmt. Dabei handelt es sich um ein Prestigeprojekt von SPÖ-Sozialminister Alois Stöger. Doch bei den Verhandlungen über die Bildung einer Regierung stellen nun ÖVP und FPÖ die fast 800 Millionen teure und bis 2019 befristete Aktion auf den Prüfstein. Die „Presse“hat darüber mit Experten gesprochen und sich einige der Jobs angesehen.
Derzeit laden die AMS-Bezirksstellen in ganz Österreich die Bürgermeister ein, um die Aktion 20.000 zu bewerben. Bei der Schaffung neuer Jobs sei Kreativität gefragt, heißt es. So könne eine Stadt beispielsweise einen arbeitslosen Historiker zur Erforschung der Stadtgeschichte einstellen. Freiwillige Feuerwehren und Rettungsorganisationen werden aufgefordert, für den administrativen Bereich Langzeitarbeitslose anzuheuern.
Laut Arbeitsmarktexperten Helmut Hofer vom Institut für Höhere Studien zeigen jedoch Erfahrungen in anderen Ländern, dass vergleichsweise wenig Arbeitslose nach Auslaufen der Förderung auf dem regulären Arbeitsmarkt unterkommen. „Damit besteht die Gefahr, dass der Steuerzahler dauerhaft solche Jobs fördert“, sagt Hofer. Auch könnte ein Verdrängungswettbewerb entstehen. „Denn im städtischen Schwimmbad muss es schon jetzt einen Aufpasser geben“, sagt der IHS-Experte. Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker spricht von „sinnlosen Scheinmaßnahmen“, bei der viel Steuergeld verschwendet werde, ohne die strukturellen Probleme auf dem Arbeitsmarkt anzugehen. Massive Kritik kommt von der Wirtschaftskammer. Die in der Aktion 20.000 „kreierten Jobs bei Gemeinden und NGOs sind künstlich geschaffen − und es ist zu befürchten, dass diese zum allergrößten Teil wieder wegfallen, sobald die Mittel der Aktion ausgelaufen sind“, sagt Martin Gleitsmann von der Wirtschaftskammer Österreich.
In einigen Vereinen sollen Langzeitarbeitslose Tätigkeiten übernehmen, für die bislang ehrenamtliche Helfer zuständig waren. Ein Beispiel dafür sind Sozialmärkte, wo finanziell bedürftige Menschen künftig verstärkt von Langzeitarbeitslosen bedient wer- den sollen. Manche Gemeinden haben sich entschieden, ihre Wanderwege von Langzeitarbeitslosen pflegen zu lassen. Auch Kulturund Sportvereine können auf die Aktion 20.000 zugreifen. Die Interessensgemeinschaft freie Theaterarbeit wünscht sich etwa für die Redaktion der Mitgliederzeitschrift einen Langzeitarbeitslosen mit journalistischer Erfahrung. Diese Tätigkeit wurde bislang von den Vorstandsmitgliedern ehrenamtlich gemacht. Gleichzeitig soll der Mitarbeiter auch den Linzer Sozialverein VSG bei der Öffentlichkeitsarbeit unterstützen und den Newsletter erstellen. Bei nicht wenigen Jobs, die im Zuge der Aktion 20.000 ausgeschrieben werden, stellt sich Fragen nach dem Verdrängungswettbewerb.
13 neue Wiener Bademeister
Die Wiener Seniorenhäuser suchen beispielsweise einen älteren Langzeitarbeitslosen für die „administrative Unterstützung im Qualitätsmanagement im bautechnischen Bereich“. Als Anforderungsprofil werden eine technische Ausbildung, Erfahrung mit Bauprojekten und CAD-Kenntnisse genannt. Die angebotene Ent- lohnung für Vollzeit beträgt 2054,40 Euro brutto. Weiters wird ein langzeitarbeitsloser diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger mit Erfahrung in der Teamleitung und in der Personalauswahl gesucht. Er soll die Seniorenhäuser im „Recruiting von Pflegekräften“unterstützen. Die Wiener Bäder (MA 44) bieten im Rahmen der Aktion 20.000 gleich 13 Stellen als Badewarte an. Auch das Wiener Stadtgartenamt (MA 42) schafft 20 neue Stellen.
Sollten ÖVP und FPÖ hier etwas ändern, will die SPÖ auf die Barrikaden steigen. Sozialminister Stöger findet Kürzungen bei der Aktion „verantwortungslos“. Der SPÖ-Pensionistenverband warnt vor „sozialer Eiseskälte“der künftigen Regierung. AMS-Chef Johannes Kopf kann sich durchaus mit Kürzungen anfreunden. „Das Ziel von 20.000 ist tatsächlich eine sehr große Zahl. Es ist anspruchsvoll, diese Menge an Arbeitsplätzen zu organisieren“, sagte Kopf zur „Presse“. Kopf weiter: „Wenn man bei der Aktion 20.000 Geld sparen möchte − und es ist das Primat der Politik, solche Dinge zu entscheiden −, dann würde ich diese Zahl einfach reduzieren.“