Tesla-Hype verdeckt viele Probleme
Elektromobilität. Ein Sportwagen mit mehr als 400 km/h Spitzengeschwindigkeit, ein ElektroLkw mit 800 Kilometern Reichweite: Mit neuen Produkten lenkt Tesla von Schwierigkeiten ab.
Wien. Es erinnerte ein wenig an die Auftritte von Steve Jobs. „One more thing“, pflegte der verstorbene Apple-Chef am Ende seiner Präsentationen zu sagen – und erst dann stellte er ein neues iPhone oder ein neues iPad vor.
Elon Musk sagte nichts, nachdem er in der Nacht auf Freitag den ersten elektrisch angetriebenen Lkw von Telsa präsentiert und seine Vorzüge angepriesen hatte – vier Motoren, 800 Kilometer Reichweite, im Betrieb 20 Prozent billiger als ein Diesel-Lkw. Stattdessen öffnete sich unter Hardrock-Klängen die Ladeklappe des Elektro-Lkw – und heraus kam unter lauten Ahs und Ohs des überraschten Publikums ein schnittiger Sportwagen, der neue Maßstäbe setzt.
Der Roadster hat drei Elektromotoren, die ihn in unvorstellbaren 1,9 Sekunden auf 100 km/h beschleunigen. Spitzengeschwindigkeit: mehr als 400 km/h. Der Viersitzer soll 1000 Kilometer Reichweite haben und ab 2020 produziert werden.
671 Mio. Dollar Quartalsverlust
Wieder hat es der CEO von Tesla geschafft, Visionen zumindest in Prototypen Realität werden zu lassen, weltweit für Schlagzeilen zu sorgen – und damit erfolgreich von den aktuellen Problemen von Tesla abzulenken. Denn der Autokonzern verbrennt Milliarden und kämpft mit enormen Schwierigkeiten bei der Herstellung seines Model 3, einem Elektroauto für die Massen um 35.000 Dollar, das Musk unter Begeisterungsstürmen im März 2016 enthüllt hatte.
Im dritten Quartal des Jahres konnte der Autobauer zwar einen Umsatz von drei Milliarden Dollar machen, am Ende aber blieb ein Verlust von 671 Millionen Dollar. Vom Model 3 sollten 1500 Stück hergestellt werden, tatsächlich waren es gerade einmal 266. Das Ziel, 5000 Model 3 pro Woche zu bauen, musste auf das kommende Jahr verschoben werden. Die fast 500.000 Fans, die bereits eines dieser Elektroautos bestellt haben, werden lange warten müssen.
Tesla kämpft bei der Herstellung des kleinen Elektroautos mit verschiedenen Problemen. Die bisherigen, hochpreisigen Autos – Model S und Model X – bestehen aus Aluminium. Für das billigere Model 3 verwendet man Stahl, und offenbar hat man Probleme bei der Verarbeitung und beim Schweißen. Das könnte der Grund sein, warum Hunderte Mitarbeiter gefeuert wurden. Musk selbst sprach von einer „Produktionshölle“beim Model 3.
Dazu kommen Schwierigkeiten bei der Batterie. Weil ein Zulieferer versagt hat, habe man die ganze Software neu programmieren müssen, erläuterte der Firmenchef. Die Dimension des Problems habe man am Anfang unterschätzt. „Wir haben 20 bis 30 Mannjahre an Software in vier Wochen umgeschrieben“, berichtete Musk.
Damit nicht genug. TeslaFahrzeuge stehen eigentlich für gutes Design und saubere Verar- beitung. Doch vor wenigen Tagen berichtete ein Analyst der Investmentagentur Bernstein von seinen Testfahrten mit zwei Model-3-Autos: Die Verarbeitung sei von ziemlich schlechter Qualität, es gebe verschiedene Mängel, etwa am Glasdach. Mit solchen Fehlern haben sich schon andere Autohersteller den Ruf ruiniert.
Ein Hype wie bei Apple
Die Auswirkungen spürt man auch an der Börse. Im Juni kostete eine Aktie noch 343,80 Euro, am Freitag bewegte sich der Kurs bei 272 Euro (dank der Präsentation ein Plus von fast zwei Prozent). Der US-Investor Jim Chanos setzt mit millionenschweren Leerkäufen auf eine Pleite von Tesla und rechnet mit einem Rücktritt Musks bis 2020.
Dieser Tage schwebt der charismatische, auf der Bühne aber etwas unbeholfene Elon Musk aber in anderen Sphären. Mit der Präsentation hat er wieder einmal be- wiesen, dass es bei Tesla ähnlich ist wie bei Apple: Man liebt das Unternehmen und verzeiht Fehler.
Und wie bei Apple gibt es auch um Tesla einen Hype. Erst im Oktober hatte Magna am Standort Graz einen Elektro-Lkw präsentiert, ebenfalls im Oktober stellte Daimler einen Schwer-Lkw mit 350 Kilometern Reichweite vor. Beide Präsentationen gingen in der Öffentlichkeit weitestgehend unter.