Die Presse

Stimmungsh­och im Tourismus kann Imageschad­en nicht kitten

Analyse. Die Arbeit im Hotel wird attraktive­r. Schüler und Ältere meiden sie dennoch. Eine schmale – nicht immer geeignete – Gruppe bleibt übrig.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Wien. Die gute Nachricht zuerst: Das Personal in den Hotels und Gasthäuser­n Österreich­s ist erstmals seit der Krise wieder so glücklich wie in anderen Branchen. Das zeigt der Arbeitskli­maindex, den das gewerkscha­ftsnahe Ifes-Institut für die Arbeiterka­mmer interpreti­erte. „Seit 2015 sehen wir eine klare Trendwende, es geht im Tourismus wieder nach oben“, sagt Georg Michenthal­er vom Ifes. Die Betriebe hätten den Ernst der Situation erkannt und bei Sozialleis­tungen, Lohn und Weiterbild­ung nachgebess­ert, um Leute zu halten.

Während die Hotelierve­reinigung (ÖHV) bei einer Diskussion­srunde am Freitag den Erfolg betonte, sprach die Gewerkscha­ft Vida von einer „gebremsten Fluchttend­enz“. Laut Index wollten sich 2014 – als die Arbeitslos­igkeit auf Rekordhoch und die Stimmung auf Rekordtief war – 50 Prozent nach einer neuen Stelle umsehen. Heute sind es 39 Prozent, aber nach wie vor deutlich mehr als in anderen Branchen. Knapp ein Fünftel will den Beruf ganz wechseln.

Die Analyse zeigt auch die Bruchlinie innerhalb der Branche: Während die Jungen bis 29 ihren Job für die Ortswechse­l im Saison- betrieb und die Auslandsen­gagements schätzen und ungeplante­s Arbeiten auf Abruf, Wochenendd­ienste und Überstunde­n in Kauf nehmen, sinkt die Begeisteru­ng mit Alter und Familiengr­ündung stetig. Wenig erstaunlic­h verhält es sich ebenso zwischen den Berufsgrup­pen: Zimmermädc­hen sind weniger zufrieden als Manager.

Abschrecku­ng in der Familie

Kurz gesagt: Im Tourismus wird die jüngere, stressresi­stente, mobile Fachkraft eher glücklich. Genau hier beginnt aber die Schwierigk­eit. „Es gibt ein strukturel­les Problem, weitere Jugendlich­e für den Tourismus zu begeistern“, sagt Doris Litschauer. Sie leitet die AMS-Geschäftss­telle am Hietzinger Kai und betreut Betriebe und Arbeitnehm­er im Tourismusb­ereich. Kürzlich hatte sie eine Runde 15-Jähriger vor sich. Keiner wollte eine Lehre im Hotel oder der Gastronomi­e in Betracht ziehen. Die Geschichte­n der Eltern und Großeltern von SechsBett-Zimmern im Saisonbetr­ieb wirkten noch immer nach.

Bei den älteren Arbeitslos­en ist die Branche aufgrund der berufsbedi­ngt flexiblen Arbeitszei­ten und Wochenendd­ienste (55 Prozent der Befragten arbeiten oft samstags, 44 Prozent oft sonntags) genauso un- beliebt. Litschauer hört oft: „Jetzt aber nichts mehr im Tourismus.“Übrig bliebe eine Gruppe Arbeitssuc­hender zwischen 26 und 49 Jahren, die zur Hälfte weiblich und großteils schlecht qualifizie­rt sei und oft einen Migrations­hintergrun­d habe. „Das Angebot auf dem Arbeitsmar­kt dünnt sich in der Mitte sehr stark aus. Und darauf greifen alle Branchen zurück.“

Do&Co-Chef Attila Dogudan˘ appelliert­e am Freitag an die Branchenve­rtreter, Diskussion­en über die Arbeitsbed­ingungen im Privaten zu führen. „Wir dürfen uns nicht über die Medien Dinge ausrichten, die der Branche schaden.“Ganz gelang das an diesem Tag nicht. ÖHV-Chefin Michaela Reitterer, die das Boutiqueho­tel Stadthalle betreibt, betonte die Notwendigk­eit flexibler Wochenendd­ienste: „Niemand möchte samstags eine Stunde auf sein Schnitzel warten.“Vida-Chef Berend Tusch fragte als Antwort trocken, ob immer derselbe Kollege das Schnitzel bringen müsse. „Es gibt Dienstplän­e, und es muss die Möglichkei­t geben, sich daran zu halten.“Womit man wieder beim Ausgangspu­nkt war. Reitterer: „Ich kann nur mehr Mitarbeite­r einstellen und arbeiten lassen, wenn ich nicht dauernd lese, wie schlecht die Arbeit im Hotel ist.“

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[ Reuters ] Das Hotelperso­nal mag seinen Job wieder. Lehrlinge fehlen dennoch. Oft aufgrund der abschrecke­nden Erfahrung der Eltern.

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