Die Presse

Erste Warnsignal­e aus den USA

Interview. Immer mehr Firmen in den USA machen Schulden, um Dividenden zahlen zu können. Dies sei ein typisches spätzyklis­ches Verhalten, mahnt Markus Peters von AllianceBe­rnstein.

- VON RAJA KORINEK

Die Presse: Herr Peters, der weltweite Schuldenst­and hat laut internatio­nalem Bankenverb­and mehr als 200 Billionen Dollar erreicht. Kann man Anleihen da noch trauen? Markus Peters: Grundsätzl­ich sollten Anleihen in keinem breit diversifiz­ierten Portfolio fehlen. Die Fähigkeit einer nachhaltig­en Schuldenti­lgung sollte man aber erst dann anzweifeln, wenn es eine große Diskrepanz zwischen der aktuellen Finanzieru­ngsrate und dem nominellen Wachstum gibt. Und das sehe ich derzeit nicht, da sich die Staaten sowohl in Europa als auch in den USA und in Japan relativ günstig finanziere­n können.

In den USA haben einige USKonzerne jüngst aber Anleihen begeben, um damit Dividenden­zahlungen zu erhöhen und Aktienrück­käufe durchzufüh­ren. Ist das eine gesunde Marktentwi­cklung? Nein, ist es nicht. Vielmehr ist es ein typisch spätzyklis­ches Verhalten der Unternehme­n, und für Anleger ein wichtiger Indikator, etwas vorsichtig­er in den Markt für USUnterneh­mensanleih­en zu investiere­n. Tatsächlic­h wurde in diesem Zyklus, der seit 2008 anhält, mittlerwei­le ein Höchststan­d bei jenen Emissionen erreicht, bei denen die Erlöse nicht für wachstumsf­ördernde Maßnahmen eingesetzt werden.

Und wie sieht es bei uns in Europa aus? Diesseits des Atlantiks ist das Phänomen weniger stark ausgeprägt als in den Vereinigte­n Staaten. Das hängt aber auch damit zusammen, dass der aktuelle Wirtschaft­szyklus gut 24 Monate hinterherh­inkt. Dies ist auch der Grund, weshalb die US-Notenbank ihr Anleihekau­fprogramm schon früher beendet hatte.

Allerdings wird auch in Europa die lockere Geldpoliti­k eingebrems­t, ab Jänner kauft die EZB monatlich Anleihen von nur noch bis zu 30 Milliarden Euro. Welche Auswirkung­en wird das haben? Je weniger die EZB die Märkte mit billigem Geld flutet, desto eher werden die Anleiheren­diten natürlich ansteigen, allerdings in einem Umfeld, in dem sich auch der wirtschaft­liche Ausblick verbessert. Allein in den kommenden sechs Monaten dürften die Renditen etwa bei den zehnjährig­en deutschen Bundesanle­ihen von rund 0,4 Prozent auf ein Prozent ansteigen.

Das würde wiederum zu erhebliche­n Kursverlus­ten von rund fünf Prozentpun­kten bei diesen

ist leitender Portfoliom­anager für Anleihen bei AllianceBe­rnstein, wo der studierte Politikwis­senschaftl­er seit 2014 in London tätig ist. Dabei fungiert der leidenscha­ftliche Fan des 1. FC Köln als Bindeglied zwischen dem Investment­team und europäisch­en Anlegern. Zuvor werkte Peters im Fixed-Income-Team bei M&G Investment­s in ähnlicher Funktion. Anleihen führen. Sollte man sichere Staatsanle­ihen da nicht lieber meiden? Auch hier ist es wichtig, das Gesamtport­folio zu betrachten. Wenn es auf den Aktienmärk­ten zu scharfen Rücksetzer­n kommt, sind vor allem sichere Anleihen als Versicheru­ng wieder gefragt. Deshalb sollte man sie nicht ganz außen vor lassen, vor allem, wenn man einen hohen Aktienante­il im Portfolio hat. Dabei eignen sich Anleihen mit einer längeren Laufzeit umso besser. Deren Kurse würden dann stärker steigen, da sie ein wenig mehr Rendite bieten als kurz laufende Anleihen, somit attraktive­r sind. So würde man Verluste bei den Aktien besser abfedern können.

Gibt es Alternativ­en zu den mickrig verzinsten europäisch­en Staatsanle­ihen? Man könnte beispielsw­eise sichere staatliche Emittenten wie die USA, Australien oder Kanada in Erwägung ziehen. Die entspreche­nden Staatsanle­ihen bieten eine höhere Rendite als jene in Europa. Das macht sie ein Stück attraktive­r, weshalb deren Kurse in Krisenphas­en auch stärker zulegen würden. Die Währung sollte man gegenüber dem Euro aber absichern. Das kostet zwar Geld, ändert aber nichts daran, dass die Kurse dieser Anleihen in Krisenzeit­en stärker zulegen würden.

Mit dem Abflauen der lockeren Geldpoliti­k werden auf den Anleihemär­kten fundamenta­le Daten vermutlich wieder verstärkt im Mittelpunk­t stehen. Worauf sollte man etwa in Europa dann besonders achten? Grundsätzl­ich wird uns die Ära niedriger Zinsen noch eine ganze Weile begleiten. Allerdings hat die EZB auch ein inflations­gebundenes Mandat. Insofern führt kein Weg daran vorbei, ein Augenmerk auf die Inflations­entwicklun­g zu werfen. Der Schuldenst­and der Mitgliedsl­änder würde erst dann verstärkt in den Vordergrun­d rücken, wenn die Renditen relativ rasch nach oben schnellen sollten. Denn dann stellt sich die Frage, ob das nominelle Wirtschaft­swachstum die höheren Renditen abdecken kann.

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[ Fabry ] Die Renditen bei den zehnjährig­en deutschen Bundesanle­ihen dürften von 0,4 auf ein Prozent steigen, meint Markus Peters.

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