Schnitzlers Drama löst bei sehr Sensiblen hysterische Anfälle aus
Wer zu eingebildeten Krankheiten neigt, der meide Oberhollabrunn.
D ie dramatischen Texte Arthur Schnitzlers sollten rezeptpflichtig sein oder sogar eine chefärztliche Bewilligung erfordern, zumindest für die Selbsthilfegruppe der Hypochonder bei uns in der Erdberger Privatklinik Antidot. Selbst in homöopathischen Dosen verursachen die Kletterpartien von „Das weite Land“Höhenangst und anhaltende Schwindelgefühle. Nach der Lektüre von „Reigen“ist in unseren literaturaffinen Kreisen schon derart hartnäckiger Juckreiz aufgetreten, dass so mancher geglaubt hat, sich auf der Toilette mit etwas wirklich Unangenehmem angesteckt zu haben, das massiven Einsatz breitester Antibiotika erfordert.
Die Krisis eingebildeter Krankheiten setzt jedoch verlässlich nach „Professor Bernhardi“ein. Wenn überzeugend inszeniert wurde. Vor Jahren, nach dem Besuch des Burgtheaters, ging die Abteilung Theater im „Gegengift“geschlossen für zwei Monate in den Krankenstand. Ich fürchte, nach der Premiere in der Josefstadt wird es fast so schlimm sein, da mögen die Herren Ärzte noch so kompetent Fachwissen vorgetäuscht haben.
Ein bitterkalter Abend mitten im Achten: Auftritt Dr. Ebenwald. Ich spüre meine Leber anschwellen. Dr. Cyprian kommt von der Visite. Meine Nerven beginnen zu flattern. Dr. Filitz erscheint. Ich erleide einen hysterischen Anfall. Auch Dr. Löwenstein und Dr. Schreimann können mich nicht beruhigen. Ich durchlebe alle meine Kinderkrankheiten intensiv noch einmal. Mein Hals beginnt wie irr zu kratzen. Als dann Dr. Adler auftaucht, glaube ich bereits, ich sei tot. Nein, mein Urologe wird mich nach dieser unheimlichen Begegnung auf Monate hinaus nicht mehr sehen. Thomas Bernhard hat recht: Die bringen einen wegen jeder Kleinigkeit um.
Und Dr. Schnitzler, in dessen Stück ein Bezirksarzt auftritt, dem Kunstfehler unterlaufen, weiß es genau: Hütet euch vor Oberhollabrunn! Davon kann mich nicht einmal eine Notiz in der seriösen „Wochenzeitung für das Viertel unter dem Mannhartsberge, Klosterneuburg und Umgebung“abbringen. Dort stand am 7. Februar 1913 eine Replik auf „Professor Bernhardi“: „Oberhollabrunn, dessen ärztliche Verhältnisse Herrn Schnitzler offenbar gänzlich unbekannt sind, kommt dabei recht schlecht weg. Glücklicherweise ist das Machwerk Schnitzlers nicht von der Art, dass es Oberhollabrunn dauernd vor der Öffentlichkeit kompromittieren wird.“