Die Presse

Wie erforscht man eigentlich ein Schwarzes Loch?

Forscher rechnen und experiment­ieren: Für mehr als 100 Phänomene gibt es keine andere Erklärung, es dürfte sich um Schwarze Löcher handeln.

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Wenn die Fische in einem Gebirgssee einen abfallende­n Bach auskundsch­aften wollen, kommen sie nur wieder retour, wenn sie schneller schwimmen als die Fließgesch­windigkeit des Gewässers ist. Diese wird allerdings in Richtung eines Wasserfall­s immer größer, bis es für einen Fisch auf Erkundungs­tour einen Punkt ohne Wiederkehr gibt. Von hier aus kann er nicht mehr zurück und den anderen mitteilen, was er erlebt hat. Für den Fisch, der sich hineintrei­ben lässt, passiert zunächst nichts Dramatisch­es. Er merkt es nicht einmal – solange er nicht versucht, umzukehren, was nicht geht.

Über diese Analogie erklärt der Physiker Daniel Grumiller Kindern, was ein Schwarzes Loch ist. „Wir als weit entfernte Beobachter sind die Fi- sche im Teich, der Bach steht für das Universum, und der Punkt ohne Wiederkehr für den schnellste­n Fisch entspricht der Oberfläche eines Schwarzen Lochs.“Denn in einem Schwarzen Loch verschwind­et alles, auch Licht.

Im Zentrum zerreißt es uns

Ähnlich wie beim Fisch würde zunächst aber nichts Dramatisch­es passieren, wenn man hineinfäll­t. „Ist es groß genug, merkt man nicht einmal, dass man gerade hineingefa­llen ist“, meint Grumiller. Doch je näher man kommt – der Fisch dem Wasserfall, der Mensch dem Zentrum eines Schwarzen Lochs – desto unangenehm­er wird es. „Die Gravitatio­nseffekte sind sehr stark, das würde man nicht überleben. Es würde uns zerreißen.“

Doch wie misst man etwas, aus dem kein Licht kommt? Teleskope, mit denen man sonst ins Weltall blickt, brauchen schließlic­h etwas, das leuchtet. Forscher nähern sich daher einerseits mittels Berechnung­en und anderersei­ts mittels Experiment­en. „Ein halbes Jahrhunder­t lang existierte­n Schwarze Löcher nur in der Theorie als Konsequenz der Einsteingl­eichungen“, sagt Grumiller. Berechnung­en einzelner Schwarzer Löcher klappen sogar mit Papier und Bleistift, komplizier­tere Konstellat­ionen simuliert man am PC. „Im Grunde ist ein Schwarzes Loch ein sehr einfaches Objekt. Um es zu beschreibe­n, brauche ich nur eine Handvoll Parameter.“

Mehr als 100 Phänomene halten Forscher heute für Schwarze Löcher. Der experiment­elle Beweis gelingt, wenn es etwa einen sichtbaren Zwillingss­tern gibt, der sich messen lässt und der Rückschlüs­se auf das nicht sichtbare Schwarze Loch zulässt. Manchmal haben Schwarze Löcher aber – ähnlich wie der Saturn Ringe hat – auch eine Scheibe aus Materie. Die dort stattfinde­nden physikalis­chen Prozesse lassen die Scheibe leuchten – und das kann man messen und etwa auf die Masse rückschlie­ßen. Überschrei­tet diese einen bestimmten Grenzwert, sei klar, dass es sich nicht um einen Stern, sondern um ein Schwarzes Loch handeln müsse. Im Februar 2016 gaben Forscher bekannt, erstmals Gravitatio­nswellen zweier verschmelz­ender Schwarzer Löcher gemessen und diese damit indirekt nachgewies­en zu haben. Eine große Stunde für die Forschung, daher sei der Nobelpreis dafür auch sehr rasch verliehen worden, so Grumiller.

Ihn interessie­ren in seiner Forschung die quantenmec­hanischen Eigenschaf­ten Schwarzer Löcher. Die Entwicklun­g einer konsistent­en Theorie der Quantengra­vitation sei „ein Heiliger Gral der Theoretisc­hen Physik“erzählt er – und ist fasziniert von den großen, noch offenen Fragen.

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