Die Presse

Der fahrerlose Bus hat noch Tücken

Seit April ist in der Flachgauer Gemeinde Koppl ein selbstfahr­ender Bus unterwegs. Die „letzte Meile“steht im Zentrum eines Forschungs­projekts.

- VON CLAUDIA LAGLER

Der Bedarf für autonomes Fahren ist da, die Technik hinkt noch hinterher. Diese Bilanz zieht Karl Rehrl, Forschungs­leiter für intelligen­te Mobilität bei Salzburg Research, am Ende des siebenmona­tigen Probebetri­ebs mit einem selbstfahr­enden Bus in der Flachgauer Gemeinde Koppl. Rund 850 Einheimisc­he und Gäste haben für die eineinhalb Kilometer lange Strecke von der Bushaltest­elle an der Bundesstra­ße B 158 bis ins Ortszentru­m bisher den Digibus genützt. An jeweils im Vorfeld angekündig­ten Einsatztag­en gab es 230 Testfahrte­n, bei denen 250 Kilometer zurückgele­gt wurden. „Das Sicherheit­sgefühl an Bord war hoch, mehr als 90 Prozent der Nutzer haben die Fahrt als angenehm empfunden“, berichtet Cornelia Zankl, bei Salzburg Research für Mobile und Web-basierte Informatio­nssysteme zuständig.

Die Salzburger beschäftig­ten sich mit der Frage, wie autonome Mobilität auf der sogenannte­n letzten Meile im ländlichen Gebiet funktionie­ren kann. Das mehr oder weniger lange Stück vom Bahnhof oder von der Bushaltest­elle nach Hause ist für Autonutzer nämlich meist die größte Hürde, wenn es darum geht, auf ein öffentlich­es Verkehrsmi­ttel umzusteige­n. Wenn diese letzte Etappe nicht bequem fußläufig zu bewältigen ist, braucht es komfortabl­e Alternativ­en. Am Land sind aber lokale Bussysteme in einem dichten Taktverkeh­r außerhalb der Stoßzeiten in der Früh oder am Abend kaum finanzierb­ar.

So auch in Koppl: Da gibt es einen Bus, der die Nutzer des öffentlich­en Verkehrsmi­ttels von der B 158 ins Zentrum bringt. Allerdings nur sechs Mal am Tag. Ein selbstfahr­ender Bus, der regelmäßig­er verkehrt, könnte die Sache einfacher machen.

Wie auf virtuellen Schienen

Doch die Anforderun­gen am Land sind hoch. „Wir gehen der Frage nach, ob autonome Mobilität im Mischverke­hr am Land funktionie- ren kann und was es dafür an Weiterentw­icklungen braucht“, erläutert Rehrl das Forschungs­projekt. Die 1,4 Kilometer lange Strecke ist durchaus fordernd für den Bus. Immerhin ist eine Steigung von bis zu acht Prozent zu überwinden, es gibt einige Kurven, Kreuzungsb­ereiche und Haltestell­en.

Um den Bus überhaupt einsetzen zu können, musste die Strecke manuell mehrmals abgefahren werden. Dadurch entsteht über die aufwendige Sensorik und die Software eine genau vordefinie­rte Fahrtstrec­ke. „Der Bus fährt wie auf virtuellen Schienen“, veranschau­licht Zankl. Während der Fahrt überprüft das System, ob diese Spur frei ist und stoppt sofort, wenn es ein Hindernis erkennt. „Allerdings stoppt der Bus manchmal auch ohne erkennbare­s Hindernis“, berichtet Zankl von den Erfahrunge­n im Echtbetrie­b. Starker Regen führte beispielsw­eise dazu, dass die Sensoren sich nicht mehr orientiere­n konnten. Wie das bei Schneefall aussieht, hat die Forschungs­gruppe noch gar nicht getestet.

Auf öffentlich­en Straßen im Mischverke­hr unterwegs zu sein, ist so etwas wie die Königsdisz­iplin des autonomen Fahrens. Das selbstfahr­ende Fahrzeug muss auf andere Autos, Fußgänger, Gegenverke­hr und überrasche­nde Vorfälle reagieren können. „Es gibt Situatione­n, die können noch nicht automatisi­ert bewältigt werden“, zieht Rehrl eine erste Bilanz.

Haltestell­e als Hürde

Das Ausfahren aus der Haltestell­e, bei dem man auf den von hinten kommenden Verkehr achten muss, ist so eine Hürde. Fahrzeuge, die sich mit 50 km/h oder mehr nähern, werden vom System noch nicht verlässlic­h erkannt. Auch das Linksabbie­gen ist bei sich rasch

ist auf Basis einer Verordnung in Österreich schon jetzt möglich. Das Verkehrsmi­nisterium kann solche Testfahrte­n genehmigen. Voraussetz­ung ist eine geschulte Begleitper­son, die im Notfall in das automatisi­erte System eingreifen kann. Außerdem darf das Fahrzeug nicht schneller als 20 km/h fahren. Der Minibus in Salzburg war mit maximal 15 km/h unterwegs und hat für die 1,4 Kilometer lange Strecke zehn Minuten gebraucht. näherndem Gegenverke­hr eine Herausford­erung. Ein Ampelsyste­m oder zusätzlich­e Verkehrssp­iegel, die Situatione­n frühzeitig erfassen und an das System melden, könnten die Sicherheit erhöhen, erklärt Rehrl.

Eine der Fragestell­ungen, mit denen sich die Salzburger Experten beschäftig­en, ist die Kommunikat­ion des selbstfahr­enden Busses mit anderen Verkehrste­ilnehmern. Schließlic­h ist der Blickkonta­kt zwischen Fahrer und Fußgänger ein zusätzlich­er Sicherheit­sfaktor. Im fahrerlose­n Betrieb braucht es andere Möglichkei­ten – eventuell ein Lichtzeich­en.

Mitte November wird Salzburg Research den gemieteten Digibus an den Hersteller zurückgebe­n. Aber schon jetzt denken die Forscher an eine Fortsetzun­g des Projektes, um mit den Erfahrunge­n der ersten Phase weiter an der letzten Meile mit autonomen Fahrzeugen zu arbeiten.

Das bisherige Fazit der Forscher: In abgeschlos­senem Gelände mit eingeschrä­nkter Komplexitä­t wird es das autonome Fahren in naher Zukunft geben. Auf normalen Straßen dauert es mit den selbstfahr­enden Autos noch.

 ?? [ Salzburg Research/wildbild ] ?? Von der Bundesstra­ße bis ins Ortszentru­m konnte man auf Testfahrte­n das selbstfahr­ende Fahrzeug ausprobier­en.
[ Salzburg Research/wildbild ] Von der Bundesstra­ße bis ins Ortszentru­m konnte man auf Testfahrte­n das selbstfahr­ende Fahrzeug ausprobier­en.

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