Ohne Führerschein, aber mit Auto zum Nachbarort
Verkehr. Wer nicht selbst Auto fahren kann oder will, soll bald auch im ländlichen Raum mehr Möglichkeiten haben, bei anderen mitzufahren. Das erhöht nicht nur die Mobilität, sondern auch die Nachbarschaftshilfe.
Schon als Student der 1990er-Jahre kannte man diverse Websites für Mitfahrgelegenheiten, um billiger aus der Stadt herauszukommen als mit Zug oder eigenem Auto. Eigentlich interessant, wieso sich diese Idee nicht im ländlichen Raum durchgesetzt hat, wo öffentliche Verkehrsmittel seltener fahren. Auch dort gibt es Menschen, die keinen Führerschein haben oder aus anderen Gründen auf ein Auto verzichten. „Im ländlichen Raum geht es um viel kürzere Strecken, oft unter zehn Kilometern, die man vielleicht zum Einkaufen oder zu einem Arzttermin zurücklegen möchte“, sagt Fabian Dorner, Verkehrsplaner an der TU Wien. Bei kurzen Distanzen denken die Leute weniger daran, beim Benzingeld zu sparen, wenn sie eine Mitfahrgelegenheit suchen.
Dorner will in einem Projekt, das vom Technologieministerium im Programm „Mobilität der Zukunft“gefördert wird, Menschen in ländlichen Regionen „Ride-Sha- ring“nahebringen. Also Mitfahrmöglichkeiten für den alltäglichen Bedarf. „Es geht uns weniger um täglich gleiche Fahrten wie zur Arbeit, sondern um unterschiedliche Wege, also zum Zahnarzt, Einkaufen oder Besuchen in der Umgebung“, zählt Dorner auf.
Vertrauen ist wichtig
Car-Sharing, also das Anbieten von Autos für Menschen, die selbst keines besitzen, ist nicht nur in großen Städten, sondern auch am Land etabliert – sei es von privaten Anbietern oder von der Gemeindeverwaltung. Was fehlt, sind aber Ride-Sharing-Angebote, also das Mitnutzen von Fahrzeugen.
Die Forscher der TU Wien haben gemeinsam mit Vorarlberger Partnern, Caruso Carsharing und den Software-Entwicklern Zemtu, nach Gemeinden gesucht, in denen das Grundangebot schon besteht. Ziel ist, mit den Bürgern und der Verwaltung Lösungen zu finden, wie man mehr Leute dazu bringen kann, Mitfahrmöglichkeiten zu nutzen. Sie wurden in Seekirchen am Wallersee und in Gaubitsch im Weinviertel fündig und halten seit September 2017 Workshops und Befragungen mit Interessierten ab.
In Seekirchen bieten Privatpersonen drei Elektro-Autos an, die sich jeder ausleihen kann. In Gaubitsch, mit nur 888 Einwohnern, stellt die Gemeinde drei E-Autos zur Verfügung, die über ein Online-System buchbar sind. „Wir haben den Zugang über Carsharing gewählt, weil sich die Nutzer schon untereinander kennen. Vertrauen in den Lenker ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um ein Ride-Sharing-Angebot anzunehmen“, sagt Dorner. Die ersten Er- der Car-Sharing-Nutzer dieser Studie sind bereit, andere bei Autofahrten mitzunehmen. Nur 23 Prozent sind dazu negativ eingestellt.
der Car-Sharing-Nutzer, die Mitfahrmöglichkeiten nicht befürworten, finden, dass dabei die Flexibilität eingeschränkt wird. gebnisse zeigen, dass es grundsätzlich Interesse gibt, ohne eigenes Auto von A nach B zu kommen. Für die Umsetzung ist noch einiges notwendig: vor allem, weil die angebotenen Fahrten mit den Zeiten und Zielen bisher nur für angemeldete User einsehbar sind.
„Daher planen wir in Gaubitsch, diese Informationen direkt auf die Homepage der Gemeinde zu übertragen, wo jeder nachsehen kann, wann es eine Mitfahrgelegenheit zu welchem Ort gibt“, sagt Dorner. Ob dabei nicht die ältere Generation ohne InternetErfahrung ausgeschlossen wird? Dorner: „Fast jeder hat Kinder oder Enkel, die das schnell nachsehen können. Seitens der Gemeinde gibt es zudem die Bereitschaft, Auskünfte telefonisch zu erteilen.“
Das Team arbeitet noch bis März 2019 an der technischen Umsetzung, um Mitfahren am Land populär zu machen: Ob auf der Homepage, in Apps der Gemeinden oder über sonstige Kanäle wird noch eifrig ausprobiert und diskutiert.