Die Presse

Ein Tank an der Brennstoff­zelle

Der Chemiker hat einen flüssigen Energiespe­icher entwickelt, der nicht brennen kann. Außerdem verzichtet­e er auf – teures – Platin als Katalysato­r.

- VON ALICE GRANCY Alle Beiträge unter:

Ich bin davon überzeugt, dass Wasserstof­f die Zukunft ist“, sagt Christoph Grimmer. Die Begeisteru­ng schwingt in der Stimme mit, aber der Chemiker kennt auch die Schwachste­llen des Stoffs, der als umweltfreu­ndlicher Energieträ­ger gilt. Wasserstof­f brennt leicht, außerdem braucht das Komprimier­en mit rund 700 Bar viel Energie. Grimmers Beitrag zur Energiewen­de: Er entwickelt­e in seiner Dissertati­on am Institut für Chemische Verfahrens­technik und Umwelttech­nik der TU Graz ein neues Verfahren, mit dem sich der an erster Stelle des Periodensy­stems stehende Stoff in Flüssigkei­ten speichern und sehr effizient in Gleichstro­m umwandeln lässt. Damit überzeugte er auch die Jury der am Montag erstmals vergebenen Themenspez­ifischen Forschungs­preise des Landes Steiermark.

Er wurde gleich dreimal ausgezeich­net: als Sieger in der Kategorie Mobilität, als Nachwuchsf­orscher und als Gewinner des Landesprei­ses, der auf die zwei besten aller preisgekrö­nten Projekte aufgeteilt wurde.

Sicherer als benzingetr­iebene Autos

Eigentlich sei die Brennbarke­it kein spezifisch­es Sicherheit­srisiko wasserstof­fbetrieben­er Fahrzeuge, sagt Grimmer. Diese schnitten in Crashtests sogar besser ab als Autos, die mit Benzin fahren. „Die Menschen vergessen oft, dass das auch ein brennbarer Stoff ist. Darum vertraut der Laie dem Wasserstof­f noch nicht“, erklärt er. Wenn eine Technologi­e nicht akzeptiert wird, ist sie nicht erfolgreic­h. Daher setzte Grimmer in seinem Dissertati­onsprojekt für die Reaktion in der Brennstoff­zelle statt auf Gas auf nicht brennbare Flüssigkei­ten: Ionische, das sind salzhaltig­e Flüssigkei­ten, sind – wie Wasser – farblos, transparen­t und geruchlos. Die Firma Proionic nahe Graz, mit der er kooperiert­e, hält dafür ein Patent.

Wie jedes elektroche­mische System arbeitet auch Grimmers Brennstoff­zelle mit zwei Elektroden, an denen ähnliche Prozesse ablaufen wie in einem Verbrennun­gsmotor. „Man spricht aber von kalter Verbrennun­g, weil diese auch bei Raumtemper­atur erfolgen kann“, erläutert Grimmer. An einer Elektrode reagiert Luft, an der anderen direkt die Flüssigkei­t, daher bezeichnet man den Aufbau als Direktbren­nstoffzell­e.

Die Flüssigkei­ten für die Reaktion – der Forscher testete verschiede­ne sogenannte borhydridb­asierte ionische Flüssigkei­ten – kamen aus einem Tank an der Brennstoff­zelle. Im Prinzip könne man aber auch andere, alkoholhal­tige Flüssigkei­ten dafür verwenden, so Grimmer. Zum Beispiel? Bier und Wein. Eine „elegante Methode“, denn Alkohol lasse sich durch Vergären zuckerhalt­iger Ausgangsst­offe einfach und nachhaltig herstellen. Allerdings ist er wiederum brennbar. Auch dazu werde an der TU Graz geforscht.

Bewährt habe sich in der gemeinsame­n Entwicklun­gsarbeit mit dem Unternehme­n vor allem, dass man die jeweils besten Ideen aus zwei unterschie­dlichen Feldern der Chemie verbunden habe: der Organische­n Chemie, wie sie Proionic verfolgt, und Grimmers Erfahrunge­n aus der Elektroche­mie. In seinem Verfahren verzichtet­e er außerdem auf Platin, das – in Autos und in Brennstoff­zellen – als Katalysato­r wirkt, und half, damit deutlich zu sparen. „Die Kosten bleiben dennoch ein Knackpunkt der Technologi­e, auch wenn sie technisch bereits gut funktionie­rt“, sagt er. Sie seien im Vergleich zu anderen, erdölbasie­rten Verfahren noch zu hoch.

Ein Kleinstkra­ftwerk für den Balkon

Die Forschung geht also weiter. Allerdings ohne Grimmer. Der hat mittlerwei­le gemeinsam mit zwei Studienkol­legen ein eigenes Unternehme­n gegründet. Dessen Produkt hat aber nur mehr am Rande mit der Dissertati­on zu tun. Die Chemiker entwickelt­en eine für Tests an der Brennstoff­zelle benötigte Messtechno­logie weiter. Das Resultat war ein Kleinstkra­ftwerk für den Balkon: ein mit Fotovoltai­kpanelen bestücktes Gerät, das rund 25 Prozent des Strombedar­fs eines Haushalts decken kann. Energie, die gerade nicht gebraucht wird, speichert es.

Nach seinen Hobbies befragt, antwortet der findige Forscher und Unternehme­r: „Ich habe kürzlich geheiratet.“Ob das nun seine Hobbies ersetzt? Keineswegs, das Paar verreist etwa gern gemeinsam. Seine Frau ist übrigens auch Chemikerin. Erraten, die beiden haben sich an der TU Graz getroffen.

(30) wurde in Braunau am Inn, Oberösterr­eich, geboren. Er besuchte die Tourismuss­chule Klessheim, studierte dann aber Technische Chemie an der TU Graz. Für seine Dissertati­on zur Energiespe­icherung in ionischen Flüssigkei­ten wurde er bereits mit einem Staatsprei­s und dem Förderprei­s der TU Graz ausgezeich­net. Diese Woche räumte er bei den Forschungs­preisen des Landes Steiermark groß ab.

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