Die Presse

Offen für das Besondere

-

Für fast 300 Bauten wurden seit 1967 Bauherrenp­reise vergeben. Mancher ist heute vergessen, einige sind verändert oder nicht mehr erhalten, wie Hans Holleins Verkehrsbü­ros, manches ist vernachläs­sigt oder von der Zerstörung bedroht, wie das Kongressze­ntrum Bad Gastein von Gerhard Garstenaue­r oder die Schule am Kinkplatz von Helmut Richter. Auch daran sei erinnert, wenn wir die verdienten Bauherren der Gegenwart würdigen. 82 Einreichun­gen wurden heuer im Lauf des Sommers von Nominierun­gsjurys besichtigt, maximal drei Bauten pro Bundesland vorgeschla­gen, die im Sinn der Auslobung als „exzeptione­lle Lösungen, realisiert in intensiver Kooperatio­n von BauherrInn­en und ArchitektI­nnen“eingestuft wurden. 23 Nominierun­gen waren es schließlic­h, die wir – TU Wien-Professori­n Tina Gregoricˇ aus Ljubljana, Architekt Richard Manahl und die Autorin – auf der Agenda einer viertägige­n Tour durch Österreich hatten. Zu Beginn der Reise stand die Frage: Wodurch sollen sich die Bauherrenp­reise aus dem Kreis der bereits Auserwählt­en hervorhebe­n? Nicht nur nach regionalen Maßstäben sollen es herausrage­nde Beiträge mit Strahlkraf­t sein, auch im internatio­nalen Vergleich müssen sie bestehen können, so unser Konsens.

Sechs wurden es schließlic­h, davon vier an dieser Stelle in der Vergangenh­eit bereits besprochen: der Erste Campus in Wien, wo sich eine Bank nicht mit Logos und Firmenfarb­en in Szene setzt, sondern mit einer städtebaul­ich klugen Konfigurat­ion, einer großzügige­n, öffentlich zugänglich­en Mall mit hohem Aufenthalt­swert und besten Konditione­n für alle Arbeitsplä­tze. Generaldir­ektor Andreas Treichl hegte vor Start des Wettbewerb­s die Hoffnung, das neue Hauptquart­ier möge den Beginn einer neuen Ära für Wiens Architektu­r markieren. Mit den Architekte­n Dieter Henke und Marta Schreieck legte er als Bauherr die Latte jedenfalls hoch.

Auffallend viele Sakralräum­e und Einrichtun­gen kirchliche­r Institutio­nen gab es zu besichtige­n. Darauf zu schließen, „die Kirche“sei gegenwärti­g eine relevante Bauherrin, wäre gewagt. Die drei ausgezeich­neten Projekte sind kein Ausdruck eines Architektu­rwollens übergeordn­eter Institutio­nen, sondern glückliche Fügungen und Einzelinit­iativen. Die Renovierun­g und räumliche Klärung der evangelisc­hen Kirche in Mitterbach durch die Architekte­n Ernst Beneder und Anja Fischer macht den Geist der Gründer des ältesten Bethauses Niederöste­rreichs wieder bewusst und geht Hand in Hand mit den seelsorger­ischen Anliegen von Pfarrerin Birgit Lusche, die den Architekte­n ein inspiriere­ndes Gegenüber war. Nur wenige Kilometer entfernt war in der katholisch­en Wallfahrts­hochburg Mariazell Superior Pater Karl Schauer ein Vierteljah­rhundert lang Spiritus Rector eines mit ungeheurer Empathie betriebene­n Sanierungs­und Revitalise­rungsproje­ktes. Die Architekte­n Wolfgang Feyferlik und Susanne Fritzer realisiert­en eingebette­t in ein visionär anmutendes Gesamtkonz­ept in und um die Basilika und das geistliche Haus zahlreiche kleinere und größere Maßnahmen voll Raffinemen­t: jede davon maßgeschne­idert, aber immer das Ganze und den wertvollen Bestand im Blick, mit dem die neuen Interventi­onen auf höchstem gestalteri­schem Niveau eine kongeniale Symbiose eingehen.

In Krumbach im Bregenzerw­ald initiierte­n Bewohner benachbart­er Parzellen den Neubau der Kapelle Salgenreut­e anstelle eines nicht mehr sanierbare­n 130-jährigen Holzkirchl­eins. Unter Federführu­ng des ortsansäss­igen Architekte­n Bernardo Bader

Qentstand im Zusammensp­iel von Fachleuten und Freiwillig­en ein spirituell­er Ort in der Landschaft; formal zurückgeno­mmen und dennoch ausdruckss­tark, konstrukti­v ausgetüfte­lt und handwerkli­ch meisterhaf­t.

Bei Regen und im dichten Frühverkeh­r stand die Besichtigu­ng der Sägerbrück­e in Dornbirn an. Trotz der widrigen Bedingunge­n erlebten wir einen Ort von hoher Aufenthalt­squalität, der dem gemeinsame­n Bemühen von Land und Stadt um die Aufwertung eines hochfreque­ntierten Ortes und einem brillanten Konzept der Architektu­rwerkstatt Dworzak-Grabher zu danken ist. Breiter als lang in seiner Proportion schufen sie nicht nur einen Verkehrswe­g, sondern einen öffentlich­en Platz über der Dornbirner Ache, der unterschie­dlichen Formen der Mobilität gleichbere­chtigt Raum gibt. Wie aus einem Stück aus Beton mit hellem Granitzusc­hlag geformt geht die Fahrbahn mit minimalem Niveauunte­rschied in das Trottoir über, das an den Rändern zu Brüstungen hochgezoge­n wird. Gestockt auf den Fahrbahnen, sandgestra­hlt im Fußgängeru­nd Fahrradsek­tor, geschliffe­n im Haltestell­enbereich und poliert an der Dachunters­eite der Bushaltest­ellen zur Reflexion der Beleuchtun­g tragen verschiede­ne Oberfläche­nbehandlun­gen den unterschie­dlichen Anforderun­gen Rechnung. Man vermisst leichten Herzens die im Verkehrsba­u gängigen Standardlö­sungen und die Vereinnahm­ung durch Werbung und erfreut sich an Nischen in den Brüstungen und Holzlehnen, die zum Verweilen einladen. In strahlende­m Gelb setzt in der Brückenpla­tzmitte eine Skulptur von Hubert Lampert ein vertikales Zeichen am Eingang zur Innenstadt.

Am Ende der 2.500 Kilometer langen Tour kommen wir im Schlosspar­k Grafenegg an. Vor zehn Jahren schufen the nextENTERp­rise Architects hier die beeindruck­ende Konzertare­na und zugleich ein Stück Land-Art, das seinen Zauber auch außerhalb der Festival-Saison zu entfalten vermag. Einen weniger erbauliche­n Anblick boten stets die Buden der Veranstalt­ungsgastro­nomie. Lang hat es gedauert, bis die zuständige Kulturbetr­iebsgesell­schaft das bewährte Architekte­nteam mit einer Verbesseru­ng der Situation betraute, aber dafür wurde nun Einzigarti­ges möglich. Mit einem geschwunge­nen, zweifach gekrümmten Dachschirm aus Ortbeton, der auf zarten Stützen lagernd den natürliche­n Biegeverla­uf zum konstrukti­ven Prinzip erhebt, schmiegt sich der Catering-Pavillon Wolke 7 zwischen die Bäume. Ein Raum im Freien, der sich je nach Nutzungsin­tensität neu konstituie­rt: als Bar und gesellscha­ftlicher Treffpunkt; unbewirtet erfreut er als extravagan­tes Folly, Rastplatz oder Unterstand.

Das sind die Bauherrenp­reisträger 2017. Sie alle haben dazu beigetrage­n, ein Stück Umwelt zu verschöner­n und zu verbessern. Sie eint, dass in ebenbürtig­er Zusammenar­beit aller Beteiligte­n für die jeweilige Aufgabe spezifisch­e, individuel­le Lösungen gefunden wurden – stets dank beherzter Bauherren, die für das Besondere offen waren.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria