Wenn Pferde Patschen tragen
RWer traf wen? Von welchem wahnsinnigen Vater ist die Rede? Von welcher Kathedrale? Einige literarische Behandlungen des Stoffs?
Qeiten, reiten, reiten, durch den Tag, durch die Nacht, durch den Tag . . . Nein, falsche Fährte. Beginnen wir anders. Reiten, nur durch die Nacht – denn man muss die Begegnung mit feindlichen Mächten vermeiden und darum die Dunkelheit nutzen; den Pferden sind die Hufe mit Lumpen umwickelt. 500 Kilometer hat der Trupp in elf Nächten zurückgelegt: sechs Mann, die einen mitreitenden Gast, ein Mädchen von kaum 20 Jahren, durch die Vorfrühlingsnächte eskortieren.
Tagelang muss die junge Besucherin, am Ziel angelangt, sich nun gedulden, bis sie empfangen wird. Sie steigt in einer Herberge ab. Der Gastgeber, 26-jährig, Spross eines dem Wahnsinn Verfallenen, ist königlicher Herkunft. Die Porträts zeigen ein wenig anziehendes Gesicht, und Berichte aus seiner Umgebung besagen, dass er, zumal seit den militärischen Erfolgen seiner Gegner, gänzlich abhängig von Ratgebern, ohne eigene Entschlusskraft ist. Er lebt in ständiger Angst, besucht täglich drei Messen, beten, beten, beten, beschäftigt sich mit Astrologie. Was er bisher auch unternommen hat – alles, alles ist missglückt.
Über die erste Begegnung zwischen ihm und dem Mädchen hat sich ein dichtes Netz von Legenden gebreitet. Die junge Besucherin, sie entstammt einer begüterten Bauernfamilie, glaubt an ihre „Sendung“. In den folgenden Wochen wird sie mit hochgestellten Persönlichkeiten bekannt gemacht, auch von Geistlichen befragt. Offensichtlich will man sich noch genauer über sie unterrichten.
Schließlich wird ihr erlaubt, sich bewaffnet – und in Männerkleidung – zum Heer zu begeben. Sie hat ihrem Gastgeber wohl bereits bei der ersten Begegnung manches versprochen – und vieles davon auch gehalten. Noch im selben Jahr, nach glänzenden militärischen Erfolgen, führt sie ihn zur Salbung und Krönung in eine große Kathedrale im Norden des Landes.
In den folgenden kriegerischen Auseinandersetzungen hat die junge Frau weniger Fortune, am Ende gerät sie in Gefangenschaft. Von einem geistlichen Gericht wird sie zunächst zu lebenslanger Haft verurteilt, schließlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Heute ist sie längst heiliggesprochen.