Zuflucht der Schönen und Mächtigen
Im Atlantik. Auf Madeira fanden einst die Prominenz und der Hochadel Europas einen Rückzugsort. Heute lockt die Insel Bergwanderer und Extremsportler.
Wenn Sisi das gesehen hätte! Von den Gipfeln hinter Funchal stürzen sich Paraglider in die Tiefe und segeln über senkrechten Klippen im Aufwind. Unten vor der Hafenstadt hält gerade ein riesiges Kreuzfahrtschiff. Die hellroten Ziegeldächer der Altstadt wirken neben dem Ozeangiganten wie Miniaturen. Als Kaiserin Elisabeth von Österreich 1860 erstmals nach Madeira reiste, war die Insel noch ein weltabgeschiedener Vorposten auf der Seeroute nach Afrika oder Südamerika. Müde vom strengen Wiener Hofleben und gesundheitlich angeschlagen fand sie in der Quinta Vigia am Rand von Funchal eine Oase der Ruhe. Die milde Luft hier, so sprach es sich unter dem Hochadel Europas herum, sei die beste der Welt. Die Villa, in der die Kaiserin fünf Monate zur Genesung verbrachte, musste in den 1970ern dem Casinobau des brasilianischen Architekten Oscar Niemeyer weichen. Heute erinnert nur noch eine steife Bronzestatue an den Aufenthalt der wohl prominentesten Madeira-Touristin. „Ob ihr die Statue gefallen würde?“Leonardo Macedo ist sich nicht so sicher. „Die Kaiserin liebte die Natur und sportliche Aktivitäten viel mehr als höfischen Prunk und strenge Etikette. Also war sie auf Madeira gerade richtig!“
Churchills Idylle
Wer von Funchal in Richtung Westen zu einer Inselumrundung auf den Spuren berühmter MadeiraGäste aufbricht, wird dem Guide schnell recht geben. In den Gärten an der Küstenstraße wuchern feuerfarbene Strelitzien, pinke Bougainvilleen, himmelblaue Hortensien. Dahinter staffeln sich die saftigen Grüns der Terrassenanlagen mit Bananenstauden, Mango- und Zitronenbäumen, Zuckerrohr- und Tarofeldern. Auf einer Wanderung entdeckte die Kaiserin das sieben Kilometer entfernte Fischerdorf Camaraˆ de Lobos. 90 Jahre nach ihr fand ein weiterer berühmter Gast hier Rückzug. Winston Churchill hielt die von kleinen Häuschen gerahmte Strandbucht auf Leinwand fest. An der Stelle, an der er 1950 seine Staffelei aufgebaut hat, drängen sich heute britische Touristen. Inzwischen ist das verschlafene Dorf Madeiras zweitgrößte Stadt. Über Camaraˆ de Lobos ziehen sich die Reben die Hänge hinauf – das Hauptanbaugebiet des Madeiraweins. Bereits kurz nach seiner Wiederentdeckung um 1419 führten die Portugiesen Wein aus Sizilien ein. Seinen aromatischen Geschmack verdankt der Madeira einem Zufall. Im 17. Jahrhundert entdeckten Seeleute, dass sich die Qualität durch die langen Transportwege verbesserte. Sie erklärten es sich mit der teilweise monatelangen Lagerung im warmen Schiffsbug. Mindes- tens zwei Jahre ruht der Wein nun, bevor er getrunken wird. „Erst die Engländer machten ihn zum Exportschlager“, erklärt Macedo, „einige, wie die Blandys, Madeiras einflussreichste Unternehmerfamilie, kamen so zu sagenhaftem Reichtum.“Ihre hochherrschaftliche Quinta in den Palheiro-Gärten über Funchal zeugt davon. Angeblich stieß George Washington auf die amerikanische Unabhängigkeitserklärung mit einem Glas Madeira an. Churchill soll ihm ebenfalls sehr zugetan gewesen sein.
„Wir exportieren Weine, Früchte und Menschen“, scherzt Macedo. Den mit Sicherheit berühmtesten Export hat der 47-Jährige als Jugendlicher selbst kennengelernt. Fußballstar Cristiano Ronaldo wuchs bei ihm um die Ecke im Funchaler Arbeiterviertel Santo Antonio´ auf. „Ich kann mich noch gut erinnern, wie er als Kind barfuß auf der Straße Fußball gespielt hat.“Zuletzt wurden dem Stürmerstar ein Museum und eine Statue auf dem Strandboulevard errichtet. Der Bronze-Ronaldo überragt die steife Sisi im Casinopark: 3,40 Meter hoch und 800 Kilo schwer wollte sich der Real-Madrid-Torjäger auf seiner Heimatinsel schon zu Lebzeiten ein Denkmal setzen. Weltweit spotteten die Medien über das Gemächt des Bronzekickers, das sich überdeutlich unter den Shorts abzeichnet. Es sei, nun ja, monumental wie das Ego seines