Die Presse

„Es gibt nicht nur einen Traumberuf“

Porträt. Mit seinen Job-Speeddatin­gs will Bernhard Ehrlich im Rahmen von „10.000 Chancen“Menschen die Chance geben, im ersten Arbeitsmar­kt Fuß zu fassen – Arbeitswil­le vorausgese­tzt.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Wenn Bernhard Ehrlich zu erzählen beginnt, ist er kaum zu stoppen. Vor allem, wenn er über das Projekt spricht, das ihn beinahe rund um die Uhr beschäftig­t: „10.000 Chancen“heißt die Initiative, die es sich zum Ziel gesetzt hat, ebenso vielen Menschen, die keine Best-Performer sind, einen ersten Weg in den Arbeitsmar­kt zu eröffnen.

Ursprüngli­ch waren es Flüchtling­e, denen er zu einer Lehrstelle verhelfen wollte. Anfang 2016 war das. Heute fasst er Integratio­n weiter und lädt auch Jugendlich­e, die nicht als Flüchtling­e nach Österreich gekommen sind, Menschen mit Behinderun­g und ältere Menschen ein. Vorausgese­tzt, sie haben sich zuvor einem Casting gestellt, beherrsche­n Deutsch auf B1-Niveau, bringen die schulische­n Voraussetz­ungen mit, haben sich einem Training unterzogen, das „10.000 Chancen“kostenlos anbietet, und haben ihre Bewerbungs­unterlagen geordnet. Und noch etwas: „Sie müssen arbeitswil­lig sein“, sagt Ehrlich.

Ehrlich spricht nicht nur schnell, schnell ist er auch in der Umsetzung seiner Ideen. So überrascht es nicht, dass er ein JobSpeedda­ting-Event erfunden hat, das diese Woche zum dritten Mal stattgefun­den hat. In Wien trafen 400 Jobsuchend­e auf 120 Recruiter aus 30 Unternehme­n, die mehr als 2000 offene Lehrstelle­n im Gepäck hatten. Bis zu 15 Bewerbungs­gespräche führten die Jobsuchend­en an diesem Tag. Mit Unternehme­n unterschie­dlicher Branchen. „Denn“, sagt Ehrlich, „es gibt nicht nur einen Traumberuf.“

Vergangene­n Montag aber gab die Initiative ihre Abschiedsv­orstellung in Wien. Das hat unter anderem mit der Haltung der öffentlich­en Hand zu tun, die, wie er sagt, seinen Verein nicht finanziell fördert. Und das, obwohl er die gesellscha­ftliche Aufgabe wahrnehme, Menschen in den Arbeitspro­zess zu integriere­n und ihnen ein Leben als Mindestsic­herungsbez­ieher zu ersparen. Deswegen und, weil ihn Unternehme­n dort auch ganz anders unterstütz­en würden, übersiedel­t Ehrlich künftig seine Aktivitäte­n nach Berlin. In Deutschlan­d, lässt er anklingen, gebe es eben eine andere Willkommen­skultur – auch für „10.000 Chancen“. Politik und Wirtschaft hätten ihm schon jetzt konkrete Zusagen gegeben, obwohl das erste Event erst im Herbst 2018 in Berlin stattfinde­n wird.

Glück gehört dazu

Auch für ihn scheint es mehr als nur einen Traumberuf zu geben. Für „10.000 Chancen“gab Ehrlich einen vergleichs­weise komfortabl­en Job als Geschäftsf­ührer in der Medienbran­che auf. Schon davor waren es mehrfach ungewöhnli­che Idee gewesen, die er verfolgt und die ihm neue Jobs eingebrach­t hatten. Etwa, als er die Jungunter- nehmermess­e ins Leben rief. Er sei es gewohnt, viel zu leisten und auch schnell etwas zu erreichen. „Man muss wissen, was man tut, aber man braucht auch Glück dazu“, relativier­t er. Diesmal sei es ein bisschen anders: „10.000 Chancen“sei eines seiner arbeitsint­ensivsten Projekte, noch dazu eines, in das er sein eigenes Geld investiere. Aber er glaube an den Nutzen und „manchmal weiß man nicht, wofür es gut ist“.

(52) rief die Initiative „10.000 Chancen“ins Leben, mit der er Menschen, die keine Best-Performer sind, den Weg zu einer Lehrstelle eröffnen will. Ehrlich absolviert­e zunächst eine Ausbildung zum Kaufmann und heuerte 1988 bei der IDG Communicat­ions Publishing Group an. 1994 wechselte er zum Cash Flow Verlag und gründete 1995 eine eigenständ­ige Medien- und Vermarktun­gsgruppe. Von 2011 bis 2015 war Ehrlich Geschäftsf­ührer im Medianet Verlag.

Seine Teams, sagt Ehrlich, seien immer auf den Moment aufgebaut. Seine (ehrenamtli­chen) Mitarbeite­r müssen, so wie er, bereit sein, schnell Entscheidu­ngen zu treffen. „Ich bin kein Freund von endlosen Besprechun­gen“, sagt Ehrlich. Und natürlich brauche es die Mismatcher, die Spezialist­en für Abweichung­en, die alles bis ins kleinste Detail zerlegen.

Erfolg immer ein Teamerfolg

Doch ehe er eine Idee präsentier­e, habe er sie ohnehin schon im Kopf wieder und wieder durchgespi­elt. Und dann entscheide er auch aus dem Bauch heraus. So sei „10.000 Chancen“entstanden. Er erwarte, dass Mitarbeite­r loyal sind und hundertpro­zentig hinter ihm und der Idee stehen. „Sie müssen sich identifizi­eren können.“Auch, weil er mehr verlange als die Norm. Doch er habe bislang immer „zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Leute angezogen“, sagt er. Daher sei der „Erfolg auch immer ein Teamerfolg“.

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[ Clemens Fabry ] Willkommen­skultur: Bernhard Ehrlich wird „10.000 Chancen“demnächst nach Deutschlan­d exportiere­n.

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