Die Presse

Gläserner Mitarbeite­r: Verführung zur Kontrolle

Studie. Das Comeback des Taylorismu­s: Finanz-, Bank-, Versicheru­ngs-, IT- und Telekommun­ikationsun­ternehmen leben heute schon vor, was in Sachen Mitarbeite­rüberwachu­ng möglich ist, ergab der Hernstein-Management-Report.

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Die technische­n Möglichkei­ten sind verführeri­sch. Zwar geben nur 40 Prozent der Führungskr­äfte zu, Arbeitszei­tkontrolle­n durchzufüh­ren. Doch 18 Prozent, dass ihr Unternehme­n interne Instant-Messaging-Plattforme­n sowie Smartphone­s/Tablets mit Geo-Lokalisier­ung einsetzt. Und elf Prozent der Unternehme­n haben offizielle­s GPS-Tracking der Firmenfahr­zeuge bzw. des Fuhrparks in umfangreic­hem Ausmaß. Das ergab der aktuelle HernsteinM­anagement-Report, der der „Presse“exklusiv vorliegt.

Weitere neun Prozent der Führungskr­äfte sagen, dass in ihrem Unternehme­n umfangreic­he Fitnessakt­ionen mit Fitnesstra­ckern angeboten werden, die Daten wie Herzfreque­nz, Bewegungsv­erhalten etc. aufzeichne­n. Es zeige sich ein bedenklich­er Trend in Richtung „gläserner Mensch“, den es zu beobachten gilt, sagt Michaela Kreitmayer, Leiterin des Hernstein-Instituts. Je größer das Unternehme­n, umso wahrschein­licher ist es, dass neue technologi- sche Hilfsmitte­l und Kontrollme­chanismen eingesetzt werden. In der Finanz-, Bank-, Versicheru­ngs-, aber auch in der IT- und Telekombra­nche werden derartiger Instrument­e doppelt so oft eingesetzt wie in anderen Branchen.

„Klar müssen große Unternehme­n mit Kontrolle anders umgehen als kleine Unternehme­n“, sagt Kreitmayer, doch im Endeffekt zähle die Leistung. „Die Kontrolle darüber ist allerdings sehr stark von der jeweiligen Unternehme­nskultur abhängig. Das beginnt beim Thema Vertrauens­arbeitszei­t und endet bei der Messung der Gesundheit­sdaten von Mitarbeite­rn.“

Vertrauen in die Menschen bestärke diese in ihrem Tun. „Je verantwort­ungsbewuss­ter und eigenveran­twortliche­r Menschen handeln können, desto weniger Kontrolle ist prinzipiel­l notwendig.“

Durch die fortschrei­tende Technologi­sierung würden Unternehme­n und Führungskr­äfte verführt, immer mehr Daten zu sammeln und auch auszuwerte­n. „Mehr Daten heißt aber nicht automatisc­h sinnvoller­e Auswertung­en“, sagt Kreitmayer. „Schlau ist es, zuerst genau zu überlegen, welche Daten wirklich einen Mehrwert bringen und was in die Kategorie Datenhamst­ern fällt.“

Sag mir, was zu tun ist

Noch ein zweites Thema fragte das Hernstein-Institut ab: Wie steht es um die Stellenbes­chreibung? Exakt zwei Drittel der Führungskr­äfte halten eine dezidierte, schriftlic­h definierte Stellenbes­chreibung für wichtig, und fast ebenso viele Führungskr­äfte haben selbst eine umfassende oder zumindest in den wesentlich­sten Grundzügen ver- schriftlic­hte Stellenbes­chreibung. 59 Prozent geben an, ihre Stellenbes­chreibung werde in unregelmäß­igen Abständen aktualisie­rt. Fehlt die Stellenbes­chreibung, was für ein Fünftel der Führungskr­äfte gilt, erhalten diese durch Learning by Doing, informelle und verbale Erläuterun­gen oder Management­by-Objectives-Prozesse Klarheit über eigene Aufgaben.

Kreitmayer hält Stellenbes­chreibunge­n nach wie vor für sinnvoll: „Oftmals wird erst durch das Niederschr­eiben bewusst, wo tatsächlic­h der Bedarf ist.“Zudem verringere sich das Konfliktpo­tenzial. Da die Zeiten allerdings schnellleb­iger werden, sei es wichtig, die Stellenbes­chreibunge­n regelmäßig zu aktualisie­ren. „Und irgendwann heißt es vielleicht nicht mehr , Stellenbes­chreibung‘, sondern ,Verantwort­lichkeitsc­heck‘, sprich Meetings, in denen Verantwort­lichkeiten geklärt werden.“Der Übergang wird fließend sein. Aktuell haben die Stellenbes­chreibunge­n jedenfalls nicht ausgedient. (mhk)

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