Hasenzüchten, revolutionär
Einfallslos und korrupt? Nachrichten aus Venezuela.
Ausgerechnet US-Präsident Donald Trump hat mit seinen rüden Beschimpfungen Venezuelas die Position von Nicolas´ Maduro gerettet. Maduro, der unbeholfene Nachfolger des charismatischen Hugo Chavez, stand bereits auf wackeligen Beinen, weil neben allen wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Katastrophen ein „chavismo critico“zumindest seine Entmachtung, wenn nicht einen freiwilligen Rücktritt in die Diskussion einbrachte. Also genau das, was die bürgerliche Opposition weder mit Straßenschlachten noch mit internationalen Verurteilungen – denen sich nach langem Zögern mittels eines Aufrufs in der „New York Times“auch der Dirigentenmagier Gustavo Dudamel angeschlossen hatte – erreichen konnte. Aber die Drohung aus Washington, wenn notwendig, neben allen Sanktionen auch „eine militärische Option“einzubringen, zementierte den Sockel, auf dem Maduro steht.
Zwar überragt ihn inzwischen, formaliter, eine im Sommer eigens gewählte „Verfassungsversammlung“, deren sämtliche 545 Teilhaber, teils direkt, teils ständestaatlich gewählt, aber nur ausgesuchte Parteigenossen sind; weswegen Nicolas´ Maduro erneut seine Muskeln spielen lassen kann, erst recht seit dem 15. Oktober, weil die bürgerliche Opposition, inzwischen zusammengefasst in der „Mesa de Unidad Democratica“´ (MUD), von den 23 Gouverneuren der Provinzen nur fünf erobern konnte.
All diese Entwicklungen haben vor allem Caracas beruhigt. Nach den bösartigen Straßenschlachten im Frühjahr und Sommer dieses Jahres, bei denen neben vielen Verwundeten auch fast 120 Tote – verursacht vom Lumpenproletariat auf beiden Seiten – zu beklagen waren, herrscht momentan eine geradezu erfrischende Atempause.
„Bonapartistisches Projekt“
Im – schwer auszumachenden – „chavismo critico“sondieren Intellektuelle, Offiziere und unorthodoxe Mitglieder der chavistischen Einheitspartei PSUV (Partido Socialista Unido de Venezuela) über die Möglichkeit, die emanzipatorischen Elemente des ursprünglichen Chavismo jenseits der oligarchischen Zirkel um Präsident Maduro zu retten. Eventuell in Zusammenarbeit mit kompromissbereiten Elementen aus der MUD-Koalition (aus der jüngst eine sozialdemokratische Fraktion, früher Accion´ Democratica,´ sich zu lösen begann).
Eine wichtige Stimme aus dem „chavismo critico“ist die von Atilio Boron,´ eigentlich argentinischer Herkunft, der mit anderen den alternativen TV-Sender Telesur aufgebaut hat, über den, da international abrufbar, solche Debatten mitverfolgt werden können. Borons´ harter Satz: „In Caracas mutierte der Chavismo unter Maduro zu einem bonapartistischen Projekt mit cäsaristischer Führung, einfallslos, ineffizient, korrupt.“Das meinte unlängst auch der britische „Economist“mittels einer schmunzelnden Kolumne über den „Plan Conejo“. Im Rahmen dieses „Hasen-Projekts“begann die Regierung an arme Familien Hasenjunge zu verteilen mit der Aufforderung, diese mit Küchenabfällen aufzufetten und dann rasch Junge werfen zu lassen und somit eine nicht endende Ernährungsquelle aufzutun. Womit die Planbürokratie nicht gerechnet hatte: Alle Kinder gewannen die Junghasen sofort lieb und ließen kein Schlachten zu.
Und was tut Europa? Bisher leider nur die Mimikry der harten Position aus Washington. Der vom EU-Parlament kürzlich der bürgerlichen Opposition in Venezuela zugesprochene Sacharow-Preis für Meinungsfreiheit und Menschenrechte übersieht, dass es im „chavismo critico“durchaus Verfechter eines Ausgleichs mit Fraktionen aus der bürgerlichen Opposition – immer unter Bewahrung der Essenz des revolutionären Chavismo – gibt. Bitte Brüssel: auch mit ihnen reden!