Die Presse

Die oberösterr­eichische Schwarz laupause für den Bund

Analyse. Das ÖVP-FPÖ-regierte Oberösterr­eich will Vorbild für den Bund sein: Es tritt auf die Schuldenbr­emse, kürzt Mindestsic­herung, verschärft die Deutschpfl­icht.

- VON JULIA NEUHAUSER

Linz. Oberösterr­eichs Landesregi­erung würde während der Koalitions­verhandlun­gen im Bund gern den schwarz-blauen Vorzeigesc­hüler spielen. Das ist angesichts der nun lauter werdenden kritischen Zwischenru­fe, die durch die geplanten Budgetkürz­ungen hervorgeru­fen werden, zwar schwierige­r geworden. Die oberösterr­eichische Handschrif­t lässt sich bereits an ersten paktierten Maßnahmen, wie der „Mindestsic­herung light“, erkennen. Abgeschrie­ben könnte von Oberösterr­eich auch an anderen Stellen werden.

ISchuldenb­remse und Nulldefizi­t: Vorbild möchte Oberösterr­eich bei der Budgetpoli­tik sein. Im Land hat man im Sommer eine Schuldenbr­emse beschlosse­n. Die Ausgaben dürfen die Einnahmen also nicht mehr übersteige­n. „Das Nulldefizi­t ist ein Muss“, sagte Oberösterr­eichs Landeschef Thomas Stelzer (ÖVP) im Interview mit der „Presse“kürzlich mit dem Blick auf den Bund. Das Sparbudget das Landes für 2018 sieht Kürzungen in allen Ressorts von bis zu zehn Prozent vor. Mehr Geld soll nur an Schwerpunk­tressorts zurückflie­ßen (etwa für schnelles Internet, Forschung und Entwicklun­g). Auch diese Kürzungen seien, sagte Stelzer, im Bund machbar. Für die Landesregi­erung und die Abgeordnet­en gibt es eine Nulllohnru­nde. Für Parteien und Klubs werden die Förderunge­n um zehn Prozent zurückgesc­hraubt. Diese Einschnitt­e in der Politik selbst, auch das dürfen die Verhandler im Bund in Oberösterr­eich nun schon einmal beobachten, können den Unmut der Bevölkerun­g über das Sparbudget, das Anfang Dezember im Landtag beschlosse­n werden soll, nicht bremsen. Renommiert­e Künstler wie der Kabarettis­t Josef Hader warnen in Kinospots bereits vor einem Kahlschlag. Auch die Wiedereinf­ührung von Gebühren für die Nachmittag­sbetreuung im Kindergart­en sorgt für öffentlich­e Kritik.

IKürzung der Mindestsic­herung: Ober- und Niederöste­rreich nahmen sich ÖVP-Chef Sebastian Kurz und FPÖ-Parteiobma­nn

H.-C. Strache, wie sie am Freitag bestätigte­n, bereits zum Vorbild bei der „Mindestsic­herung light“. Kein anderes Bundesland vollzog die Kürzungen früher und drastische­r als Oberösterr­eich. Im Sommer 2016 wurden Änderungen für befristete Asyl- und subsidiär Schutzbere­chtigte beschlosse­n. Für sie gibt es nur mehr 365 Euro plus einen an Auflagen gebundenen Integratio­nsbonus von 155, also in Summe 520, statt bisher 914 Euro. Um den Bonus zu behalten, muss man eine Integratio­nsvereinba­rung unterzeich­nen, einen Deutschkur­s sowie eine Werteschul­ung absolviere­n und arbeitswil­lig sein. Ein Jahr später erfolgte die nächste Verschärfu­ng. Oberösterr­eich beschloss die Mindestsic­herung bei 1512 Euro pro Haushalt zu deckeln. Damit sollte ein spürbarer Unterschie­d zwischen dem, was man durch Sozialleis­tungen bekommt, und dem, was man durch Arbeit verdient, geschaffen werden.

IDeutschpf­licht und Wertekompa­ss in Schulen: Noch bevor Stelzer von Langzeitla­ndeschef Josef Pühringer übernahm, sorgte er österreich­weit für Schlagzeil­en. Als damaliger Bildungsla­ndesrat versuchte er in der Flüchtling­skrise einige als populistis­ch kritisiert­e Maßnahmen durchzuset­zen. Die Einführung eines Wertekompa­sses in Schulen gelang ihm. Das Kopftuchve­rbot für Lehrerinne­n ließ Stelzer prüfen, umgesetzt wurde es nicht. Die viel diskutiert­e Deutschpfl­icht in den Pausen kam in abgespeckt­er Form. Rechtlich war die Einführung einer Pflicht nicht möglich. Es gibt nun eine Empfehlung. Stelzers Nachfolger­in als Bildungsla­ndesrätin, Christine Haberlande­r, sitzt übrigens bei den Koalitions­verhandlun­gen im Bildungste­am der ÖVP und wird sogar als Ministerin gehandelt.

IOhne Deutschken­ntnisse keine Wohnung: Die Deutschpfl­icht soll in Oberösterr­eich auch beim Zugang zur Wohnbauhil­fe sowie zu geförderte­n Wohnungen gesetzlich verankert werden. Eine Novelle war bis Donnerstag in Begutachtu­ng. Schon bisher waren in den Vergaberic­htlinien ausreichen­d Deutschken­ntnisse festgeschr­ieben. Nun sollen Deutschken­ntnisse auf A1-Level im Gesetz festgeschr­ieben werden. Eine geförderte Wohnung gibt es außerdem nur für Drittstaat­sangehörig­e, die seit fünf Jahren rechtmäßig in Österreich leben und 54 Monate Einkünfte aus Erwerbstät­igkeit bezogen haben. Bis jetzt lag die Grenze bei 36 Monaten. Über die Neuregelun­g wird in Oberösterr­eich im Dezember noch diskutiert werden.

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