Die Presse

Hier ist die Frau der Macho

Neu im Kino. Nina Proll hat mit ihren Aussagen zur Debatte um sexuelle Belästigun­g polarisier­t. Ihr Drehbuchde­büt „Anna Fucking Molnar“, das am Freitag anläuft, ist unverblümt – und bewusst – sexistisch. Das macht die platte Klamotte nicht besser.

- VON KATRIN NUSSMAYR

Nina Proll gestaltet mit „Anna Fucking Molnar“ihr Drehbuchde­büt unverblümt und bewusst sexistisch. Dem Film hilft es nicht.

Die Leute wollen was zum Anschauen – und zwischendu­rch ein paar Quasteln“, sagt der Trash-TV-Regisseur. Sie möge sich bei der Theater-Premiere doch bitte auf der Bühne ausziehen, sagt der Theaterdir­ektor zum Star des Hauses: „Das zeigt die Verletzlic­hkeit deiner Figur.“Und selbst der Brandschut­zbeauftrag­te des Theaters pariert selbstgefä­llige Bemerkunge­n mit Aussprüche­n der niederen Sorte: „Mit Körbchengr­öße A würde ich den Mund nicht so voll nehmen.“

Wenn man so will, könnte man dem Film „Anna Fucking Molnar“einige Beispiele für den strukturel­len Sexismus und Chauvinism­us in der Unterhaltu­ngsbranche entnehmen. Für die Art, wie dort – und das ist nicht erst seit dem Fall Harvey Weinstein und den darauf folgenden Enthüllung­en bekannt – Frauen oft auf ihren Körper reduziert und ihre Leistungen nicht gleichwert­ig jenen der Männer anerkannt werden. Nur: Wie soll ein Film den Sexismus im Showbusine­ss anklagen, wenn seine Protagonis­tin selbst sexistisch ist? Wenn sie die Sitten im Job als gegeben hinnimmt und auf den Körbchengr­ößen-Sager mit verletztem Stolz entgegnet: „Ich trage B!“

Derb, zynisch, sexuell fordernd

Aber um Protest geht es dem Film ja gar nicht. „Anna Fucking Molnar“ist das Drehbuchde­büt von Nina Proll, die sich auch die Titelrolle auf den Leib geschriebe­n hat. In der aktuellen Debatte um sexuelle Belästigun­g hat Proll mit einem Facebook-Posting polarisier­t, in dem sie den Hashtag „|metoo“und Schauspiel­kolleginne­n, die über Belästigun­gen klagten, scharf kritisiert­e: Sexuelle Annäherung­sversuche finde sie „grundsätzl­ich erfreulich“, Beschwerde­n über Avancen mächtigere­r Männer würden die Gewalt verharmlos­en, die anderen Frauen angetan würde. „Wie weit ich gehe, um Karriere zu machen, bleibt jeder Frau selbst überlassen“, schrieb Proll. Was sie, wie sie später in etlichen Interviews und Sendungen erklärte, als Appell für mehr Selbstbest­immtheit verfasst hat, löste in den (sozialen) Medien eine hitzige Debatte – und eine Welle von Unmut – aus: Kritiker warfen ihr Unsolidari­tät und Täter-Opfer-Umkehr vor, sie sabotiere den Kampf der Feministin­nen und schädige jene Frauen, die sich nicht selbst gegen Belästigun­g wehren können.

Der Film zur Debatte ist „Anna Fucking Molnar“(an dem Proll schon seit einigen Jahren arbeitete) nicht – aber er illustrier­t die Konsequenz, mit der Proll die Opferrolle und das Klagen über unfaire Verhältnis­se ablehnt. Und nicht nur in der Sexismus-Kontrovers­e Argumente vertritt, die gemeinhin Männern zugeschrie­ben werden, sondern auch in ihrer Rolle Attribute annimmt, die im Genre der romantisch­en Komödie meist für Männer vorgesehen waren: Die Schauspiel­diva Anna Molnar ist derb, zynisch, sexuell fordernd und bindungssc­heu. Nach einer verpatzten Premiere zieht sie – vom Partner (Prolls Ehemann Gregor Bloeb)´ betrogen und verlassen, mit Burn-Out und einem Schuldenbe­rg – wieder bei Papa (Uwe Och- senknecht als selbstdiag­nostiziert sexsüchtig­er Bonze) ein und sucht Trost beim von einem Sorgerecht­sstreit geplagten Feuerwehrm­ann Christian (Murathan Muslu). In diesem sieht sie aber hauptsächl­ich ein Mittel zur Erfüllung sexueller Wünsche – und nimmt ihm die stressbedi­ngte Impotenz ziemlich übel. Schön, dass hier eine selbstbest­immte Frauenfigu­r mit Ecken und Kanten porträtier­t wird – aber muss sie denn ein weiblicher Macho sein, um emanzipier­t zu wirken? Kann feministis­cher Fortschrit­t nicht auf gegenseiti­gem Respekt beruhen?

Auch Männer sind nur Objekte

Dem sogenannte­n „Male Gaze“, also dem typisch maskulin-sexualisie­rten Blick auf den weiblichen Körper, wie er in Filmen oft präsentier­t wird, setzt der Film, den Sabine Der- flinger („Vorstadtwe­iber“) inszeniert hat, einen „Female Gaze“entgegen, der genauso plump und objektifiz­ierend ist – und in einer Parade strippende­r Feuerwehrk­alender-Pinup-Boys im dampfenden Nachtklub gipfelt. Inmitten solcher Klischees und der vielen platten Dialoge erfreuen immerhin einige Darsteller: Robert Palfrader blödelt sich in gewohnter Manier mit Stehsätzen durch seine Psychiater­rolle, Markus Schleinzer gibt ganz amüsant einen schmierige­n, über-artikulier­enden Fernseh-Regisseur. Erfreulich hebt sich vom vorhersehb­aren Plot eine Traumseque­nz ab, in der Anna, durch einen Pool tauchend, die Männer in ihrem Leben wie schlafende Prinzen wachküsst und mit ihnen ein liebliches Wasserball­ett vollführt: Denn klar, eigentlich will auch diese Frau nur geliebt werden – Machogehab­e hin oder her.

 ??  ??
 ?? [ Gavriel/Kolm ] ?? Die Titelfigur Anna Molnar, eine abgestürzt­e Schauspiel­diva, erlaubt sich, was meist nur Männer tun. Emanzipati­on geht auch anders.
[ Gavriel/Kolm ] Die Titelfigur Anna Molnar, eine abgestürzt­e Schauspiel­diva, erlaubt sich, was meist nur Männer tun. Emanzipati­on geht auch anders.

Newspapers in German

Newspapers from Austria