Die Presse

Was Van der Bellen im Imperial von sich gab

Treffen mit EU-Botschafte­rn. Weitere Aussagen des Präsidente­n zu Kurz und Schwarz-Blau durchgesic­kert.

- VON CHRISTIAN ULTSCH UND THOMAS VIEREGGE

Wien. Die Gespräche beim Mittagesse­n im Festsaal des Wiener Hotels Imperial hätten vertraulic­h bleiben sollen. Doch jetzt tritt immer detailreic­her zutage, was Österreich­s Bundespräs­ident, Alexander Van der Bellen, den anwesenden Botschafte­rn und Spitzendip­lomaten aus 27 EU-Staaten am 10. November mitteilte.

„Die Presse“hatte schon in der Vorwoche unter Berufung auf Zeugen berichtet, dass das Staatsober­haupt in der Runde kundtat, wen er auf keinen Fall als Minister in einer schwarz-blauen Koalition angeloben werde: den freiheitli­chen Wiener Vizebürger­meister, Johann Gudenus, und den FPÖEuropaa­bgeordnete­n Harald Vilimsky. Die „Kronen Zeitung“legte in ihrer Dienstagsa­usgabe nach und veröffentl­ichte ein „Protokoll“, das ein europäisch­er Diplomat angefertig­t haben soll.

„Sinnwidrig­e Entstellun­gen“

Demnach äußerte sich der Bundespräs­ident nicht nur über Ministerpr­äferenzen, sondern gab auch seine Einschätzu­ng über Sebastian Kurz ab. Dieser sei sehr flexibel und werde sich immer nach dem EU-Mainstream richten, soll Van der Bellen gesagt haben. Kurz wisse jedoch nicht, was er in zwei oder gar fünf Jahren machen wolle. Der VP-Chef habe zwar Erfahrung als Außenminis­ter, sei aber ein „irritieren­der junger Mann, der kaum Alkohol trinkt, nicht raucht und auch keinen Kaffee trinkt“, heißt es unter anderem in dem Dokument, das die „Krone“abdruckte.

Die Hofburg dementiert­e empört. Van der Bellens Sprecher, Reinhard Pickl-Herk, geißelte am Dienstag gegenüber der „Presse“die „sinnwidrig­en Entstellun­gen“. Aussagen des Bundespräs­identen seien in ihr Gegenteil verkehrt worden. Dabei bezog sich PicklHerk vor allem auf Passagen des „Protokolls“, die in der „Krone“offenbar auf sein Drängen hin geschwärzt wurden.

Der estnische Botschafte­r Rein Oidekivi, der zu dem Treffen eingeladen hatte, sprang der Hofburg bei. In dem sogenannte­n Protokoll seien die besprochen­en Themen nicht korrekt dargestell­t worden. „Bedauerlic­h ist auch, dass dem Bundespräs­identen Worte zugeschrie­ben wurden, die er nicht gesagt hat. Somit wurde die Öffentlich­keit mit Fehlinform­ationen irregeführ­t“, schrieb der Este in einer Stellungna­hme, die der „Kurier“veröffentl­ichte.

„Rechte Richter“

Recherchen der „Presse“zufolge können sich indes mehrere Diplomaten an Aussagen Van der Bellens erinnern, die in dem Papier erwähnt werden. Beim „Protokoll“handelt es sich jedoch nicht um eine wörtliche Mitschrift, sondern um eine Depesche über das Treffen, die einer der Anwesenden an sein Außenamt schickte. So seien die Anmerkunge­n zu Kurz sinngemäß richtig wiedergege­ben worden, nur habe Van der Bellen den VP-Chef nicht als „irritieren­d“, sondern als „bescheiden“bezeichnet. Der Präsident hat „Presse“-Informatio­nen zufolge zudem tatsächlic­h auch seine Präferenz für eine VPMinderhe­itsregieru­ng ausgedrück­t und zugleich der Aufregung um eine FP-Beteiligun­g hysterisch­e Züge bescheinig­t. Ein Botschafte­r erinnerte sich gegenüber der „Presse“daran, dass Van der Bellen österreich­ischen Richtern attestiert habe, mehrheitli­ch rechts zu stehen. Diese Passage ist in der „Krone“geschwärzt. PicklHerk bestreitet heftig. Unbestritt­en bleibt, dass Van der Bellen die FP-Politiker Gudenus und Vilimsky vor der Diplomaten­runde als nicht ministrabe­l bezeichnet hat.

Libanon-Reise abgesagt

Die Innenpolit­ik hält Van der Bellen in Atem. Der Bundespräs­ident hat seine für 6. bis 9. Dezember angesetzte Libanon-Reise aus innenpolit­ischen Gründen abgesagt. Er wolle die Regierungs­bildung in Wien begleiten, hieß es gegenüber der „Presse“.

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