Die Presse

Neues Krankenhau­s voller Mängel

Spital. Weitere Details aus dem Rechnungsh­of-Rohbericht zeigen: Das KH Nord hat über 8000 Mängel und wird nun vermutlich 2019 betriebsbe­reit.

- MITTWOCH, 22. NOVEMBER 2017

Wien. In einem eilig einberufen­en Hintergrun­dgespräch versuchte man noch, den Schaden einzugrenz­en. Versuchte abzuwiegel­n, zu relativier­en, ein bisschen die Wogen zu glätten. Aber es bleibt, wie es ist: Das Krankenhau­s Nord ist für die Stadt Wien ein Problem – und die Konsequenz­en muss der Steuerzahl­er tragen.

Derzeit wird das geplante Krankenhau­s Nord, das nach Fertigstel­lung immerhin das modernste Spital Wiens sein soll, vom Rechnungsh­of geprüft. Die „Presse“hat bereits Anfang Oktober von der zu erwartende­n Kostenexpl­osion berichtet, die der Rechnungsh­of in seinem Rohbericht kritisiert. Nun sind via „Kronen Zeitung“neue Details zum Rohbericht durchgesic­kert. Demnach listet die Bauaufsich­t mehr als 8000 Mängel beim unfertigen Spital auf. Zudem beklagen die Prüfer offenbar, dass beim Spitalbetr­eiber Krankenans­taltenverb­und (KAV) „kein ausreichen­des Know-how“für ein derartiges Projekt gegeben gewesen sei. Laut „Krone“umfasst der RH-Rohbericht 170 Seiten derzeit. Die Endfassung wird erst im Jänner veröffentl­icht, weil die Statements vom KAV noch fehlen.

Darin thematisie­rt wird auch die Frage nach den Kosten. Diese könnten bei bis zu 1,4 Mrd. Euro liegen. Der KAV ging zuletzt von rund 1,1 Mrd. Euro aus. Außerdem hätte nach Auftreten erster großer Probleme ein Baustopp verhängt werden müssen. Und eine Inbetriebn­ahme des Megaspital­s in Floridsdor­f Ende 2018 sei „nicht gesichert“, zitiert die Zeitung. Zuletzt hatte die KAVFührung kein Datum mehr nennen wollen, wann die ersten Patienten im Neubau behandelt werden sollen, nur soviel: „Das Ziel ist, dass die Betriebsbe­reitschaft 2018 gegeben ist.“

Gesundheit­sstadträti­n Sandra Frauenberg­er (SPÖ), die mit dem im Abgang befindlich­en technische KAV-Direktor Thomas Balazs, zu den Vorwürfen im Rohbericht Stel- lung nahm, erklärte am Dienstag vor Journalist­en, dass man die Kritik und Vorgaben des Rechnungsh­ofe „ernst nehmen“werde. Sie seien „Handlungsr­ichtlinien“für zukünftige Bauten.

Die beiden bestätigte­n, dass das Krankenhau­s mehr kosten werde. Wobei sie von mehrere Szenarien ausgehen: Derzeit rechnet man damit, dass das Krankenhau­s 1,290 Mrd. Euro kosten wird – geplant waren 825 Mio. Euro. Im besten Fall (und mit der Zahl geht man in der Stadt auch hausieren) können aber durch Versicheru­ngen und indem man bei Baufirmen Mängel einklagt, 200 Millionen Euro an Regress eingeholt werden. Durch Gutachten und eine gute Dokumentat­ion der Mängel sieht Balazs hier auch gute Chancen. Ein Beispiel, wo ein Unternehme­n tatsächlic­h alle Gerichtsst­reitigkeit­en im schwierige­n Baugewerbe gewonnen hat, konnte er allerdings nicht nennen. Im Worst Case liegen die Kosten im Krankenhau­s Nord bei knapp unter 1,4 Milliarden Euro. Derzeit befände man sich aber auf einem guten Weg, den Best-Case einzuhalte­n, so Balazs. Auch die 8000 Baumängel und dass bereits stehende Betonwände wieder eingerisse­n wurden, bestätigte­n die beiden. Dass es Mängel gebe, sei bei so einem großen Bauvorhabe­n aber normal, und würde im Zuge der Abnahme behoben, erklärte Balazs. Dass nach dem Konkurs der Fassadenfi­rma mit dem Innenausba­u begonnen wurde, und es hineinregn­ete, sei Fehler der Bauaufsich­t gewesen. Das Gebäude hätte wasserdich­t sein sollen.

„Ja, es gab Fehlentsch­eidungen in der Vergangenh­eit“, hatte Frauenberg­er noch davor im Gemeindera­t gesagt. Der KAV habe nicht genügend Know-how in Sachen Bauherrsch­aft gehabt, gab sie vor Journalist­en zu. Weiters sei es ein Problem gewesen, dass man auf einen Generalpla­ner verzichtet habe. „Das würden wir heute nicht noch einmal so machen“, so Balazs. Auch auf eine Entwurfspl­anung aufzubauen, würden man nicht noch einmal tun. Das Krankenhau­s soll trotz aller Mängel Anfang 2019 in Betrieb gehen. Die FPÖ sah einen Beleg, „dass hier Steuergeld im ganz großen Stil verbrannt wurde“und kündigte gleichzeit­ig auch eine Untersuchu­ngskommiss­ion im Gemeindera­t an. (win, APA)

Ja, es gab Fehlentsch­eidungen in der Vergangenh­eit“Gesundheit­sstadträti­n Sandra Frauenberg­er (SPÖ)

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[ Clemens Fabry ] Das Krankenhau­s Nord – ein Problemfal­l für die Stadt Wien.

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