Wozu braucht Deutschland eine Regierung?
Kein Kompromiss ist besser als ein schlechter, sagen die Märkte.
D ie größte und wichtigste Volkswirtschaft der Eurozone schlittert nach dem Scheitern von Koalitionssondierungen in eine politische Krise – und die Finanzmärkte lässt das völlig kalt. Der Euro hält sich auf hohem Niveau, an den Börsen herrscht business as usual, der deutsche Aktienindex legt sogar deutlich zu.
Was ist da los? Hat die Politik den Grip auf die Wirtschaft völlig verloren? Ist es wirklich völlig egal, ob die EU-Führungsmacht Deutschland eine funktionierende Regierung hat oder nicht?
Das wohl nicht. Aber es hat sich am Wochenende gezeigt, dass die deutsche Wirtschaft derzeit wirklich erstaunlich robust ist. Und dass man in den Chefetagen von Industrie und Banken die Lage erstaunlich nüchtern beurteilt. Diese Beurteilung ergibt: Eine Koalition aus vier Parteien, die das ideologische Spektrum von weit rechts bis relativ weit links abdeckt, wäre mit zu vielen Fragezeichen behaftet. Und wenn die Wirtschaft etwas nicht schätzt, dann ist das Unsicherheit.
Wenn CSU, FDP, CDU und Grüne gemeinsame Entscheidungen über wichtige Gegenwartsfragen – von der Immigration bis zur Umwelt – treffen müssen, dann ist der allerkleinste gemeinsame Nenner programmiert. Ein fauler Kompromiss also. So kann man die wichtigste Industrienation Europas nicht führen. Und die Eurozone kann auch vieles brauchen, aber sicher keine deutsche Regierung, die sich selbst lähmt. D eutschland ist eine institutionell gefestigte Demokratie mit großer Rechtssicherheit für die dort tätigen wirtschaftlichen Akteure. Die Wirtschaft wird also in nächster Zeit weiterlaufen wie bisher. Vielleicht sogar ein bisschen besser, wenn die Gesetzes- und Regulierungsmaschine ein paar Monate Pause macht.
Natürlich braucht das Land in überschaubarer Zeit wieder eine Regierung, die sich auch um Zukunftsfragen kümmern kann, statt das Land nur interimistisch zu verwalten. Aber wenn man eine Lehre aus der kühlen bis leicht positiven Reaktion auf das Scheitern der Jamaika-Verhandlungen ziehen kann, dann die: Kein Kompromiss ist immer noch besser als ein schlechter.