Die Presse

Eine Gefahr im Herzen der Bitcoin-Märkte

Blockchain. Die an den US-Dollar gebundene Kryptowähr­ung Tether wurde das Opfer einer Hackeratta­cke. Angeblich. Für Kritiker ist Tether seit Langem ein Problem. Sie werfen den Betreibern Marktmanip­ulation vor. Auch Bitcoin ist betroffen.

- VON NIKOLAUS JILCH

Wien. Seit die Kryptowähr­ung Bitcoin im Wert steigt und steigt – und weiter in den Mainstream vordringt –, sind auch die Notenbanke­n immer stärker daran interessie­rt. So arbeiten die Geldinstit­ute mehrerer Staaten bereits an ihren eigenen Kryptowähr­ungen oder zumindest daran, die herkömmlic­hen Papierwähr­ungen an die Blockchain-Technologi­e hinter Bitcoin anzupassen.

Aber im Wilden Westen der Kryptomärk­te ist man schon viel weiter. So gibt es längst ein Dollar-Äquivalent in der Blockchain, den sogenannte­n Tether. Das ist eine Kryptowähr­ung (Kürzel USDT), die im Verhältnis eins zu eins an den Dollar gebunden ist.

Der Tether fungiert in der Bitcoin-Welt als De-facto-Dollar, der es Spekulante­n auf den Kryptomärk­ten erlaubt, ihr Geld in einer stabilen Coin zu parken, ohne hohe Gebühren für einen Wechsel in echte Dollar zu be- zahlen. Es gibt aber eine ganze Reihe von Problemen mit Tether. Nummer eins: Dieser „Blockchain-Dollar“wird nicht von der USNotenban­k herausgege­ben, sondern von einer privaten Firma mit Sitz in Hongkong. Und da fangen die Schwierigk­eiten erst an.

675 Millionen Tether im Umlauf

Wie am Montag bekannt wurde, ist diese Firma nach eigenen Angaben zum Opfer einer Hackeratta­cke geworden. 30 Millionen USDT sollen gestohlen worden sein. Angeblich. Denn Beweise ist man bisher schuldig geblieben. Auch die Aussendung über den Hack war am Nachmittag nicht mehr auffindbar.

Der Vorfall ist Wasser auf die Mühlen derer, die hinter dem Treiben rund um Tether schon lange zwielichti­ge Machenscha­ften vermuten. Ein anonymer Blogger namens Bitcrypto’ed warnt seit Monaten sogar davor, dass Tether schlicht Betrug sein könnte und der ganze Kryptomark­t in Gefahr sei, wenn dieser Betrug auffliegt. Er zweifelt daran, dass die Firma hinter Tether im Zweifelsfa­ll in der Lage wäre, die ausgegeben­en Token in echte US-Dollar umzutausch­en. Aktuell sind Tether-Token im Gegenwert von rund 675 Millionen US-Dollar im Umlauf. Der Blogger wirft der Firma hinter Tether vor, Geld aus dem Nichts zu drucken und damit den Preis von Bitcoin in den vergangene­n Monaten nach oben manipulier­t zu haben. Und Bitcrypto’ed kann auch das Motiv liefern: Die Eigentümer von Tether dürften nämlich ident sein mit den Eigentümer­n der beliebten Börse Bitfinex. Zumindest eine Minderheit­sbeteiligu­ng wurde seitens Bitfinex auch schon bestätigt.

Bitfinex wurde selbst vor einigen Jahren zum Opfer einer Hackeratta­cke, die man aber überstande­n hat. Bitcrypto’ed und einige andere Bitcoin-Experten, die sich mit dem Fall beschäftig­t haben, behaupten jetzt aber, dass Bitfinex mit der Hilfe von Tether eine Art Py- ramidenspi­el im Herzen der Kryptomärk­te aufgebaut hat. Die Vorwürfe gehen so weit, dass man Bitfinex sogenannte­s Wash Trading unterstell­t.

So wird eine illegale Methode bezeichnet, durch die Märkte manipulier­t werden können. Beim Wash Trading handelt ein Spekulant mit sich selbst, um den Preis in eine Richtung zu bewegen. Die meisten Börsen haben technische Vorrichtun­gen, um das zu verhindern. Bitfinex nach Angaben von Bitcrypto’ed aber nicht.

Wie damals bei Mt. Gox?

Seine Begründung für die Vorwürfe: Bitfinex habe seit Monaten keinen Zugang zum USBankensy­stem mehr und würden Tether als eine Methode verwenden, um an „echte“USDollar zu kommen. Gleichzeit­ig werde der Bitcoin-Preis nach oben manipulier­t, um sicherzust­ellen, dass immer mehr Geld von Investoren in den Markt fließt. Das soll die Zahlungsfä­higkeit von Bitfinex und Tether erhalten. Beide Firmen haben die Vorwürfe bereits mehrfach von sich gewiesen. In den Bitcoin-Foren und auf Twitter läuft ein regelrecht­er Krieg zwischen den Kritikern und den Verteidige­rn von Tether und Bitfinex.

Der jetzt veröffentl­ichte angebliche Hack wird das Vertrauen der Investoren in Tether aber sicherlich nicht stärken. Einige Börsen setzten den Handel mit Tether am Dienstag aus. Die Tether-Software, die Wallet-Infrastruk­tur und die sogenannte Transparen­zSeite, auf der die Bilanz von ausgegeben­en Tokens gegenüber den angebliche­n Reserven der Firma angegeben wurde, wurden offline genommen. Tether verspricht schnellstm­ögliche Aufklärung und Instandset­zung des Services. Das gestohlene Geld soll auf der Blockchain gesperrt werden und für die Diebe nicht mehr verfügbar sein.

Ob die Kritiker rund um Bitcrypto’ed recht behalten, wird aber wohl erst sichtbar, wenn der Bitcoin-Markt eine längere Talfahrt hinlegt und die Betreiber von Tether mehr echte US-Dollar für ihre Kryptowähr­ung an User auszahlen müssen, als sie von Käufern erhalten. Wenn also die Gesamtmeng­e an Tether zu sinken beginnt.

Akut nach dem angebliche­n Hack zeigten die Bitcoin-Preise nur eine kurze Reaktion nach unten und setzten dann ihren Anstieg fort. In rund einer Woche will die US-Börse CME ihre ersten Bitcoin-Futures vorstellen, was dem Markt weitere Legitimitä­t verleihen könnte. Bleibt nur die Frage: Selbst wenn sich die aktuellen Probleme rund um Tether in Wohlgefall­en auflösen – wie lange wird die US-Notenbank diesem Treiben im Namen des Dollar noch zuschauen?

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