Eine Gefahr im Herzen der Bitcoin-Märkte
Blockchain. Die an den US-Dollar gebundene Kryptowährung Tether wurde das Opfer einer Hackerattacke. Angeblich. Für Kritiker ist Tether seit Langem ein Problem. Sie werfen den Betreibern Marktmanipulation vor. Auch Bitcoin ist betroffen.
Wien. Seit die Kryptowährung Bitcoin im Wert steigt und steigt – und weiter in den Mainstream vordringt –, sind auch die Notenbanken immer stärker daran interessiert. So arbeiten die Geldinstitute mehrerer Staaten bereits an ihren eigenen Kryptowährungen oder zumindest daran, die herkömmlichen Papierwährungen an die Blockchain-Technologie hinter Bitcoin anzupassen.
Aber im Wilden Westen der Kryptomärkte ist man schon viel weiter. So gibt es längst ein Dollar-Äquivalent in der Blockchain, den sogenannten Tether. Das ist eine Kryptowährung (Kürzel USDT), die im Verhältnis eins zu eins an den Dollar gebunden ist.
Der Tether fungiert in der Bitcoin-Welt als De-facto-Dollar, der es Spekulanten auf den Kryptomärkten erlaubt, ihr Geld in einer stabilen Coin zu parken, ohne hohe Gebühren für einen Wechsel in echte Dollar zu be- zahlen. Es gibt aber eine ganze Reihe von Problemen mit Tether. Nummer eins: Dieser „Blockchain-Dollar“wird nicht von der USNotenbank herausgegeben, sondern von einer privaten Firma mit Sitz in Hongkong. Und da fangen die Schwierigkeiten erst an.
675 Millionen Tether im Umlauf
Wie am Montag bekannt wurde, ist diese Firma nach eigenen Angaben zum Opfer einer Hackerattacke geworden. 30 Millionen USDT sollen gestohlen worden sein. Angeblich. Denn Beweise ist man bisher schuldig geblieben. Auch die Aussendung über den Hack war am Nachmittag nicht mehr auffindbar.
Der Vorfall ist Wasser auf die Mühlen derer, die hinter dem Treiben rund um Tether schon lange zwielichtige Machenschaften vermuten. Ein anonymer Blogger namens Bitcrypto’ed warnt seit Monaten sogar davor, dass Tether schlicht Betrug sein könnte und der ganze Kryptomarkt in Gefahr sei, wenn dieser Betrug auffliegt. Er zweifelt daran, dass die Firma hinter Tether im Zweifelsfall in der Lage wäre, die ausgegebenen Token in echte US-Dollar umzutauschen. Aktuell sind Tether-Token im Gegenwert von rund 675 Millionen US-Dollar im Umlauf. Der Blogger wirft der Firma hinter Tether vor, Geld aus dem Nichts zu drucken und damit den Preis von Bitcoin in den vergangenen Monaten nach oben manipuliert zu haben. Und Bitcrypto’ed kann auch das Motiv liefern: Die Eigentümer von Tether dürften nämlich ident sein mit den Eigentümern der beliebten Börse Bitfinex. Zumindest eine Minderheitsbeteiligung wurde seitens Bitfinex auch schon bestätigt.
Bitfinex wurde selbst vor einigen Jahren zum Opfer einer Hackerattacke, die man aber überstanden hat. Bitcrypto’ed und einige andere Bitcoin-Experten, die sich mit dem Fall beschäftigt haben, behaupten jetzt aber, dass Bitfinex mit der Hilfe von Tether eine Art Py- ramidenspiel im Herzen der Kryptomärkte aufgebaut hat. Die Vorwürfe gehen so weit, dass man Bitfinex sogenanntes Wash Trading unterstellt.
So wird eine illegale Methode bezeichnet, durch die Märkte manipuliert werden können. Beim Wash Trading handelt ein Spekulant mit sich selbst, um den Preis in eine Richtung zu bewegen. Die meisten Börsen haben technische Vorrichtungen, um das zu verhindern. Bitfinex nach Angaben von Bitcrypto’ed aber nicht.
Wie damals bei Mt. Gox?
Seine Begründung für die Vorwürfe: Bitfinex habe seit Monaten keinen Zugang zum USBankensystem mehr und würden Tether als eine Methode verwenden, um an „echte“USDollar zu kommen. Gleichzeitig werde der Bitcoin-Preis nach oben manipuliert, um sicherzustellen, dass immer mehr Geld von Investoren in den Markt fließt. Das soll die Zahlungsfähigkeit von Bitfinex und Tether erhalten. Beide Firmen haben die Vorwürfe bereits mehrfach von sich gewiesen. In den Bitcoin-Foren und auf Twitter läuft ein regelrechter Krieg zwischen den Kritikern und den Verteidigern von Tether und Bitfinex.
Der jetzt veröffentlichte angebliche Hack wird das Vertrauen der Investoren in Tether aber sicherlich nicht stärken. Einige Börsen setzten den Handel mit Tether am Dienstag aus. Die Tether-Software, die Wallet-Infrastruktur und die sogenannte TransparenzSeite, auf der die Bilanz von ausgegebenen Tokens gegenüber den angeblichen Reserven der Firma angegeben wurde, wurden offline genommen. Tether verspricht schnellstmögliche Aufklärung und Instandsetzung des Services. Das gestohlene Geld soll auf der Blockchain gesperrt werden und für die Diebe nicht mehr verfügbar sein.
Ob die Kritiker rund um Bitcrypto’ed recht behalten, wird aber wohl erst sichtbar, wenn der Bitcoin-Markt eine längere Talfahrt hinlegt und die Betreiber von Tether mehr echte US-Dollar für ihre Kryptowährung an User auszahlen müssen, als sie von Käufern erhalten. Wenn also die Gesamtmenge an Tether zu sinken beginnt.
Akut nach dem angeblichen Hack zeigten die Bitcoin-Preise nur eine kurze Reaktion nach unten und setzten dann ihren Anstieg fort. In rund einer Woche will die US-Börse CME ihre ersten Bitcoin-Futures vorstellen, was dem Markt weitere Legitimität verleihen könnte. Bleibt nur die Frage: Selbst wenn sich die aktuellen Probleme rund um Tether in Wohlgefallen auflösen – wie lange wird die US-Notenbank diesem Treiben im Namen des Dollar noch zuschauen?