Die Presse

Bar¸cas neues Erfolgsrez­ept

Champions League. Eigentlich müsste beim FC Barcelona die Krise herrschen. Tut sie aber nicht, das System von Neo-Coach Ernesto Valverde (nicht brillieren, hoch gewinnen) sichert Sieg um Sieg.

- VON JOSEF EBNER

Barcelona/Wien. Der Tiefpunkt des großen FC Barcelona schien mit der Präsentati­on eines gewissen Paulinho erreicht. Der weithin unbekannte brasiliani­sche Mittelfeld­mann, 29, wurde gerade für 40 Millionen Euro vom chinesisch­en Klub GZ Evergrande verpflicht­et, dort war er nach zwei enttäusche­nden Jahren bei Tottenham gelandet. Traditione­ll sollte er bei seiner Vorstellun­g im Camp Nou gaberln, doch nach zwei Berührunge­n sprang ihm der Ball schon wieder vom Fuß. Eine unfaire Momentaufn­ahme, aber ein Sinnbild für Barcas¸ Misere zu Saisonbegi­nn.

Der Klub hatte sich 2017 mit dem Cupsieg trösten müssen, war im Supercup Real Madrid unterlegen und musste Superstar Neymar trotz der absurd hohen Ablöseford­erung von 222 Millionen Euro nach Paris ziehen lassen. Schnellstm­öglich wollte die Vereinsfüh­rung adäquaten Ersatz präsentier­en, bei Wunschspie­ler Coutinho und dessen Arbeitgebe­r Liverpool biss man sich aber die Zähne aus, auch die Transfers von Marco Verratti, Hector´ Beller´ın, A´ngel Di Mar´ıa, In˜igo Mart´ınez und Jean Seri platzten. Bei der Präsentati­on des teuersten Spielers der Klubgeschi­chte, Ousmane Dembel´e,´ geholt für 145 Millionen Euro nach nur einer ansprechen­den Saison in Dortmund, musste sich Präsident Josep Maria Bartomeu von den wartenden Fans Rücktritts­aufforderu­ngen anhören. Und weil sich Dembel´e´ nach drei Partien verletzte und 2017 wohl nicht mehr spielen wird, blieb der nur noch der einst nach China ausgemuste­rte Paulinho übrig.

In der Katalonien-Krise geriet der Verein, seit jeher katalanisc­hes Nationalhe­iligtum, erneut in die Schlagzeil­en. Abwehrchef Gerard Pique,´ ein glühender Separatist, wurde zu Spaniens Feindbild, die Mannschaft spielte vor leeren Rängen und drei Führungskr­äfte, darunter Vizepräsid­ent Carles Vilarrub´ı, traten empört von der Klubpoliti­k kurzerhand zurück.

All dieser Umstände zum Trotz aber gewinnt Barcelona ein Spiel nach dem anderen. Zwölf Runden sind in der Liga absolviert, die Bilanz von Messi und Co.: Elf Siege, 33:4 Tore. Einzig Atletico´ Madrid konnte den Katalanen ein Remis abtrotzen, Erzrivale Real Madrid liegt bereits zehn Punkte zurück, die Meistersch­aft scheint schon jetzt entschiede­n zu sein. In der Champions League ist Barcelona ebenso souveräner Tabellenfü­hrer, ein Remis heute bei Juventus Turin (20.45 Uhr, live ORF eins) würde schon das Achtelfina­le bedeuten, das Hinspiel wurde 3:0 gewonnen.

Es war Ernesto Valverde, der die Krise in Barcelona vergessen gemacht hat. Der neue Coach, er kam von Athletic Bilbao und hatte die Basken vier Mal in Folge in den Europacup geführt (aktuell sind sie nur Tabellen-15.), hat inzwischen einen besseren Start hingelegt als Pep Guardiola und Luis Enrique. Zumindest, was die Resultate betrifft. Denn Barcas¸ Spiel ist weit entfernt von der Brillanz unter seinen Vorgängern. So manchen Sieg verdankt Valverde einzig den Paraden von Marc-Andre´ ter Stegen.

Guardiolas Wunschkand­idat

Nicht brillieren, aber hoch gewinnen – das System Valverde funktionie­rt jedenfalls. „Wir entschuldi­gen uns nicht für Siege“, sagt der 53-Jährige, ein leidenscha­ftlicher Fotograf, der bereits 2012 von Guardiola bei dessen Abschied als Nachfolger ins Spiel gebracht wurde (neben dem mittlerwei­le verstorben­en Tito Vilanova). Ehema- lige Schützling­e sehen seine Stärken in seiner Empathie, im Dialog und im direkten Feedback. „Er ist ein Trainer, in den wir uns alle verliebt haben“, meint Vereinsprä­sident Bartomeu überschwän­glich.

Auf dem Spielfeld aber ist Messi mehr denn je das Epizentrum. An seiner Seite wird im Angriff jedoch rotiert, Tore von Denis Sua-´ rez, Paco Alcacer´ und Gerard Deulofeu haben dem Team bereits wichtige Sieg beschert. Am Wochenende hat auch Luis Suarez´ seine Torflaute nach 479 Minuten mit einem Doppelpack bei Leganes wieder beendet (3:0). Und der vermeintli­che Panikkauf Paulinho absolviert­e dort seinen 15. Saisoneins­atz, steuerte einen Treffer bei und ist nun der drittbeste Torschütze des FC Barcelona.

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[ APA ] Neymar mag fehlen, Messi und Suarez aber bleiben das Herz der Barcelona-Offensive.

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