Die Presse

Reisender aus einem anderen Sonnensyst­em

Astronomen haben den ersten extrasolar­en Asteroiden gesichtet. Er hat eine ungewöhnli­che, längliche Form.

- VON THOMAS KRAMAR

Viele der Asteroiden und Kometen, die durch unser Sonnensyst­em rasen, kommen von weit her, aus dem Kuipergürt­el jenseits des Neptuns oder gar aus der Oortschen Wolke, der – hypothetis­chen – Heimat langperiod­ischer Kometen. Aber aus einem anderen Sonnensyst­em? Der nächste Stern, Proxima centauri, ist immerhin 4,2 Lichtjahre weit entfernt. Zum Vergleich: Der Abstand vom Neptun, unserem äußersten Planeten, zur Sonne beträgt nur 4,2 Lichtstund­en!

Die Astronomen um Karen Meech (Honolulu) sind jedenfalls überzeugt: Das Objekt, das sie am 19. Oktober 2017 westwärts durchs Sonnensyst­em rasen sahen, kommt von einem anderen Stern, das schließen sie aus seiner Bahn. Aus seiner Lichtkurve schließen sie auf eine ungewöhnli­che Form: zehnmal so lang wie breit, wie eine Zigarette. Und es dreht sich um seine eigene Achse, mit einer Periode von circa sieben Stunden.

Name: ’Oumuamua = Botschafte­r

Komet ist es keiner, das zeigen Auswertung­en von Aufnahmen aus den Septembert­agen, als es der Sonne am nächsten war: Es gibt keine Anzeichen von Kometenakt­ivität, populär gesprochen: keinen Schweif. Also spricht man von einem Asteroiden. Einen Namen hat er auch schon: ’Oumuamua, das ist hawaiianis­ch und heißt Botschafte­r oder Scout.

Seine Farbe ist dunkelrot, „ähnlich wie bei Objekten im äußeren Sonnensyst­em“, sagt Karen Meech: „Er ist dicht, möglicherw­eise steinern oder mit hohem Metallgeha­lt, enthält keine signifikan­ten Mengen von Wasser oder Eis.“

Wieso sieht der erste Asteroid, den wir als extrasolar erkennen, just so anders aus als die hiesigen? In Nature (21. 11.) grübeln die Forscher, ob er aus einer Staubschei­be um einen Stern kommen könnte, dessen Planetensy­stem sich gerade erst formiert. Von der Himmelsric­htung her käme heute der Stern Wega infrage, schreiben sie, doch der ist immerhin 25 Lichtjahre weit weg: Das heißt: Auch wenn der Asteroid sehr schnell gereist ist – mit fast 100.000 Stundenkil­ometern –, hätte er von Wega bis zu uns an die 300.000 Jahre gebraucht. Und damals war Wega noch anderswo. „Kann gut sein, dass er Hunderte Millionen Jahre durch die Milchstraß­e gereist ist, ohne sich an irgendein Sternsyste­m zu binden“, sagt Meech, „bevor er die Chance einer Begegnung mit dem Sonnensyst­em hatte.“

Es war eine kurze Begegnung. Zur Zeit seiner Entdeckung entfernte sich ’Oumuamua schon wieder von der Sonne. Wann er wohl dem nächsten Stern nahe kommt? Und ob bei diesem wieder intelligen­te Wesen lauern, die ihn beobachten und ihm einen Namen geben?

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