Neuer Rekord bei Facharbeitermangel
Statistik. In Österreich und Deutschland spitzt sich der Facharbeitermangel immer mehr zu. Ohne das Beschäftigungswachstum unter Ausländern wäre der Engpass noch viel größer.
Wirtschaft. Die Situation ist paradox: Die Arbeitslosigkeit ist in Österreich weiterhin hoch. Zuletzt suchten laut Arbeitsmarktservice 393.029 Personen einen Job. Trotzdem klagt die Wirtschaft in Österreich und in Deutschland über einen Facharbeitermangel. Laut „Mint-Herbstreport 2017“des Instituts der deutschen Wirtschaft fehlen in Deutschland 290.900 Arbeitskräfte in den sogenannten Mint-Berufen. Unter Mint versteht man die Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Für Österreich liegen dazu keine detaillierten Zahlen vor. Doch setzt man im Vergleich zu Deutschland den üblichen Faktor eins zu zehn an, dürften in Österreich rund 29.900 Fachkräfte fehlen. Die Wirtschaft will den Mangel unter anderem mit dem stärkeren Zuzug von ausländischen Facharbeitern lösen, was politisch heikel ist.
Wien/Berlin. Die Situation ist paradox: Die Arbeitslosigkeit ist in Österreich weiterhin hoch. Zuletzt suchten laut Arbeitsmarktservice (AMS) 393.029 Personen einen Job. Trotzdem klagt die Wirtschaft über einen Facharbeitermangel. In der Vorwoche schlug TelekomAustria-Chef Alejandro Plater Alarm: „Wir haben nicht nur ein Riesenproblem, die richtigen Leute in Österreich zu finden, wir finden sie in ganz Europa kaum.“
Ähnlich äußerte sich T-Mobile-Austria-Chef Andreas Bierwirth: „Wir brauchen viel mehr IT–Fachkräfte und finden sie in Österreich nicht mehr.“Und Bierwirth weiter: „Wir wildern nun in Osteuropa.“Auch bei einer Pressekonferenz der steirischen Industriellenvereinigung wurde vor Kurzem der Engpass bei Facharbeitern thematisiert. In Deutschland ist die Situation nicht viel besser. Laut „Mint-Herbstreport 2017“des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) fehlen 290.900 Arbeitskräfte in den sogenannten Mint-Berufen. Unter Mint versteht man die Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.
Im Vergleich zum Vorjahr ist der Bedarf in Deutschland um 42,9 Prozent gestiegen. Für Österreich liegen dazu keine detaillierten Zahlen vor, heißt es beim Arbeitsmarktservice. Doch setzt man im Vergleich zu Deutschland den üblichen Faktor eins zu zehn an, dürften in Österreich rund 29.900 Fachkräfte fehlen.
Starker Zuzug aus dem Ausland
Sowohl in Österreich als auch in Deutschland will die Wirtschaft den Mangel unter anderem mit dem Zuzug von ausländischen Facharbeitern lösen. Interessant ist hier die Langzeitperspektive. Vom vierten Quartal 2012 bis zum ersten Quartal 2017 sind in Deutschland 118.100 ausländische MintFachkräfte zugewandert. Ohne sie würden in Deutschland heute über 400.000 Fachkräfte fehlen, heißt es im „Mint-Herbstreport 2017“.
Ähnlich wie in Österreich, besteht in Deutschland das Problem, dass sich zu wenig Menschen für eine Mint-Ausbildung interessieren. Vom vierten Quartal 2012 bis zum ersten Quartal 2017 hat sich in Deutschland die Zahl der inländischen Mint-Beschäftigen nur um 3,4 Prozent erhöht (siehe Grafik). Im gleichen Zeitraum gab es bei den ausländischen Mint-Beschäftigten ein Plus von 31,0 Prozent.
Verändert hat sich auch die Struktur der Mint-Lücke. Der An- teil der nicht akademischen Berufe (Facharbeiter, Meister, Techniker) an der gesamten Mint-Arbeitskräftelücke stieg auf 66 Prozent, der Anteil der akademischen Mint-Berufe ist auf 34 Prozent gesunken.
Inder liegen an der Spitze
Interessant ist auch die Herkunft der ausländischen Beschäftigten. Bei den akademischen Mint-Berufen liegen die Inder an der Spitze (siehe Grafik). Zudem wanderten viele Fachkräfte aus anderen europäischen Ländern (wie aus Italien, Frankreich und Spanien) zu. Tausende Österreicher haben ebenfalls einen Job in Deutschland gefunden. Derzeit wird versucht, Flüchtlinge für die Mint-Bereiche zu interessieren. So waren im ersten Quartal 2017 bereits 10.133 Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak, Eritrea und Afghanistan in einem Mint-Beruf beschäftigt.
Daneben spricht sich die deutsche Wirtschaft unter anderem für eine stärkere Zuwanderung aus. Doch das ist politisch heikel. In den gescheiterten Gesprächen über eine Jamaika-Koalition schlug die CDU ein Fachkräftezuwanderungsgesetz vor. Die FDP forderte ein Punktesystem, bei dem sich Menschen aus aller Welt aufgrund ihrer Bildung, ihres Alters und ihrer Sprachkenntnisse in Deutschland bewerben können. Die Grünen hatten hier andere Vorstellungen.
In Österreich blickt die Wirtschaft gespannt auf die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ. Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung verlangen ein klares Bekenntnis und eine Strategie für eine qualifizierte Zuwanderung. Die Rot-Weiß-RotKarte, mit der pro Jahr zumindest 8000 qualifizierte Arbeitskräfte nach Österreich gelockt werden sollen, ist an strenge Auflagen gebunden und brachte nicht den gewünschten Erfolg. Im Vorjahr wurden rund 1800 Karten ausgegeben, 2015 waren es 1200 Karten.