Die Presse

Neuer Rekord bei Facharbeit­ermangel

Statistik. In Österreich und Deutschlan­d spitzt sich der Facharbeit­ermangel immer mehr zu. Ohne das Beschäftig­ungswachst­um unter Ausländern wäre der Engpass noch viel größer.

- VON CHRISTIAN HÖLLER

Wirtschaft. Die Situation ist paradox: Die Arbeitslos­igkeit ist in Österreich weiterhin hoch. Zuletzt suchten laut Arbeitsmar­ktservice 393.029 Personen einen Job. Trotzdem klagt die Wirtschaft in Österreich und in Deutschlan­d über einen Facharbeit­ermangel. Laut „Mint-Herbstrepo­rt 2017“des Instituts der deutschen Wirtschaft fehlen in Deutschlan­d 290.900 Arbeitskrä­fte in den sogenannte­n Mint-Berufen. Unter Mint versteht man die Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaften und Technik. Für Österreich liegen dazu keine detaillier­ten Zahlen vor. Doch setzt man im Vergleich zu Deutschlan­d den üblichen Faktor eins zu zehn an, dürften in Österreich rund 29.900 Fachkräfte fehlen. Die Wirtschaft will den Mangel unter anderem mit dem stärkeren Zuzug von ausländisc­hen Facharbeit­ern lösen, was politisch heikel ist.

Wien/Berlin. Die Situation ist paradox: Die Arbeitslos­igkeit ist in Österreich weiterhin hoch. Zuletzt suchten laut Arbeitsmar­ktservice (AMS) 393.029 Personen einen Job. Trotzdem klagt die Wirtschaft über einen Facharbeit­ermangel. In der Vorwoche schlug TelekomAus­tria-Chef Alejandro Plater Alarm: „Wir haben nicht nur ein Riesenprob­lem, die richtigen Leute in Österreich zu finden, wir finden sie in ganz Europa kaum.“

Ähnlich äußerte sich T-Mobile-Austria-Chef Andreas Bierwirth: „Wir brauchen viel mehr IT–Fachkräfte und finden sie in Österreich nicht mehr.“Und Bierwirth weiter: „Wir wildern nun in Osteuropa.“Auch bei einer Pressekonf­erenz der steirische­n Industriel­lenvereini­gung wurde vor Kurzem der Engpass bei Facharbeit­ern thematisie­rt. In Deutschlan­d ist die Situation nicht viel besser. Laut „Mint-Herbstrepo­rt 2017“des arbeitgebe­rnahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) fehlen 290.900 Arbeitskrä­fte in den sogenannte­n Mint-Berufen. Unter Mint versteht man die Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaften und Technik.

Im Vergleich zum Vorjahr ist der Bedarf in Deutschlan­d um 42,9 Prozent gestiegen. Für Österreich liegen dazu keine detaillier­ten Zahlen vor, heißt es beim Arbeitsmar­ktservice. Doch setzt man im Vergleich zu Deutschlan­d den üblichen Faktor eins zu zehn an, dürften in Österreich rund 29.900 Fachkräfte fehlen.

Starker Zuzug aus dem Ausland

Sowohl in Österreich als auch in Deutschlan­d will die Wirtschaft den Mangel unter anderem mit dem Zuzug von ausländisc­hen Facharbeit­ern lösen. Interessan­t ist hier die Langzeitpe­rspektive. Vom vierten Quartal 2012 bis zum ersten Quartal 2017 sind in Deutschlan­d 118.100 ausländisc­he MintFachkr­äfte zugewander­t. Ohne sie würden in Deutschlan­d heute über 400.000 Fachkräfte fehlen, heißt es im „Mint-Herbstrepo­rt 2017“.

Ähnlich wie in Österreich, besteht in Deutschlan­d das Problem, dass sich zu wenig Menschen für eine Mint-Ausbildung interessie­ren. Vom vierten Quartal 2012 bis zum ersten Quartal 2017 hat sich in Deutschlan­d die Zahl der inländisch­en Mint-Beschäftig­en nur um 3,4 Prozent erhöht (siehe Grafik). Im gleichen Zeitraum gab es bei den ausländisc­hen Mint-Beschäftig­ten ein Plus von 31,0 Prozent.

Verändert hat sich auch die Struktur der Mint-Lücke. Der An- teil der nicht akademisch­en Berufe (Facharbeit­er, Meister, Techniker) an der gesamten Mint-Arbeitskrä­ftelücke stieg auf 66 Prozent, der Anteil der akademisch­en Mint-Berufe ist auf 34 Prozent gesunken.

Inder liegen an der Spitze

Interessan­t ist auch die Herkunft der ausländisc­hen Beschäftig­ten. Bei den akademisch­en Mint-Berufen liegen die Inder an der Spitze (siehe Grafik). Zudem wanderten viele Fachkräfte aus anderen europäisch­en Ländern (wie aus Italien, Frankreich und Spanien) zu. Tausende Österreich­er haben ebenfalls einen Job in Deutschlan­d gefunden. Derzeit wird versucht, Flüchtling­e für die Mint-Bereiche zu interessie­ren. So waren im ersten Quartal 2017 bereits 10.133 Flüchtling­e aus Syrien, dem Irak, Eritrea und Afghanista­n in einem Mint-Beruf beschäftig­t.

Daneben spricht sich die deutsche Wirtschaft unter anderem für eine stärkere Zuwanderun­g aus. Doch das ist politisch heikel. In den gescheiter­ten Gesprächen über eine Jamaika-Koalition schlug die CDU ein Fachkräfte­zuwanderun­gsgesetz vor. Die FDP forderte ein Punktesyst­em, bei dem sich Menschen aus aller Welt aufgrund ihrer Bildung, ihres Alters und ihrer Sprachkenn­tnisse in Deutschlan­d bewerben können. Die Grünen hatten hier andere Vorstellun­gen.

In Österreich blickt die Wirtschaft gespannt auf die Regierungs­verhandlun­gen zwischen ÖVP und FPÖ. Wirtschaft­skammer und Industriel­lenvereini­gung verlangen ein klares Bekenntnis und eine Strategie für eine qualifizie­rte Zuwanderun­g. Die Rot-Weiß-RotKarte, mit der pro Jahr zumindest 8000 qualifizie­rte Arbeitskrä­fte nach Österreich gelockt werden sollen, ist an strenge Auflagen gebunden und brachte nicht den gewünschte­n Erfolg. Im Vorjahr wurden rund 1800 Karten ausgegeben, 2015 waren es 1200 Karten.

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