Die Presse

Der Duft von Dung zieht Mücken an

Der Aronstab verströmt stinkenden Geruch, um Schmetterl­ingsmücken als Bestäuber anzulocken. Salzburger Forscher untersuche­n die Duftbouque­ts und die Insekten nun genauer.

- VON VERONIKA SCHMIDT

Nicht alle Pflanzen locken ihre Bestäuber mit Nektar an, damit Insekten und anderes Getier auch den Pollen mitnehmen, wenn sie vom süßen Nektarsaft trinken. Täuschpfla­nzen wenden andere Tricks an: Sie können männlichen Insekten vorgaukeln, dass hier ein paarungswi­lliges Weibchen sitzt, oder hungrigen Fliegen, dass es Futter gibt.

„Der Gefleckte Aronstab ist eine unglaublic­h spannende Täuschpfla­nze“, sagt Stefan Dötterl, Leiter des Fachbereic­hs Ökologie und Evolution an der Uni Salzburg. Nicht nur, weil diese heimische Pflanze weitverbre­itet ist: „In der Stadt Salzburg gibt es tausende Exemplare des Aronstabs: am Salzachufe­r, in Parks und Auwäldern“, so Dötterl. Sondern, weil die Bestäubung­sbiologie so gefinkelt ist. „Die Gewächse sind nicht nur Täuschpfla­nzen, sondern auch Fallen für kleine Mücken“, erklärt der gebürtige Deutsche, der seit 2012 in Salzburg forscht.

Aronstabpf­lanzen sehen mit ihren roten Beeren auf kolbenförm­igen Fruchtstän­den spektakulä­r aus, ihre kesselarti­gen Blütenstän­de erinnern an tropische Einblattbl­üten. Der Blütenstan­d sondert chemische Substanzen ab: Duft kann man zu diesem Geruch schwer sagen, denn die Substanzen sind teilweise identisch mit dem Geruch von Dung, wie Kuhund Pferdemist. „Das stinkt widerlich. Aber als Spaziergän­ger bemerkt man den Geruch kaum, da nur wenige Stunden vom späten Nachmittag bis Abend der Lockstoff verbreitet wird“, sagt Dötterl.

Bestäuber werden eingesperr­t

Der Aronstab verströmt also genau in der Hauptaktiv­itätszeit seiner Bestäuber den Dungduft. Kleine Schmetterl­ingsmücken sind zu dieser Zeit auf der Suche nach Tierkot, um ihre Eier darin abzulegen – daher werden sie auch Abortflieg­en genannt. Sie folgen dem Geruch des Aronstabs und landen auf seinem stanitzelf­örmigen Hochblatt. Von dort geht es schnurstra­cks in die Falle: Sie plumpsen in den rutschigen Kessel und werden durch spezielle „Sperrhaare“am Hinausklet­tern gehindert.

„Fast einen Tag sind die Bestäuber eingesperr­t“, sagt Dötterl. Anfangs sind die weiblichen Blüten aktiv: Frisch gefangene

gibt es weltweit, die ihren Bestäubern Eigenschaf­ten und chemische Substanzen vorgaukeln, damit die Insekten die Blüte besuchen und den Pollen mitnehmen.

gibt es in Österreich. Die beforschte Art, Arum maculatum, kommt auch in England, Frankreich, der Schweiz, Deutschlan­d und dem nördlichen Italien vor. Im östlichen Österreich wächst die Art Arum cylindrace­um. Schmetterl­ingsmücken können also eventuell mitgebrach­ten Pollen auf die Narben übertragen und die Pflanze somit bestäuben. Erst später werden die männlichen Blüten reif, sodass der Pollen freigegebe­n wird.

Einen Tag gefangen im Kessel

„Die Mücken werden rundum eingepuder­t mit Pollen. Dann verwelken die Sperrhaare im Kessel, sodass die Bestäuber die Falle verlassen können“, beschreibt Dötterl. So können die Schmetterl­ingsmücken wieder im Lauf des Abends nach Dung für ihre Eiablage suchen – oder in den nächsten Aronstabke­ssel plumpsen, der um diese Zeit erneut den verlockend­en Duft verströmt.

„Eine weitere Besonderhe­it ist, dass Teile des Blütenstan­ds sich aufheizen und bis zu zwölf Grad über der Umgebungst­emperatur erreichen“, sagt Dötterl. Dadurch können die Duftmolekü­le noch besser verdampfen und intensiver die Bestäuber betören. Thermogene­se nennen Botaniker die Eigenschaf­t, wenn Pflanzen ihre Blüten aktiv aufheizen. Die Salzburger Forscher wollen verschiede­ne Details der heimischen Täuschpfla­nze erkunden: Zwei Dissertant­innen sind über ein Projekt des Österreich­ischen Wissenscha­ftsfonds FWF finanziert.

Norden mit Süden vergleiche­n

„Nördlich und südlich der Alpen kommen unterschie­dliche Arten der Schmetterl­ingsmücken vor, die vermutlich durch unterschie­dliche Düfte angelockt werden“, sagt Dötterl. Die Frage ist, ob sich die Aronstabpf­lanzen an die vorherrsch­ende Bestäubera­rt angepasst haben, also nördlich und südlich der Alpen unterschie­dliche Duftbouque­ts verbreiten.

Dazu sammelt und analysiert das Team nun nördlich der Alpen Pflanzen in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz und im südlichen Teil der Alpen Pflanzen aus Oberitalie­n. „Im Süden wurde der Duft des Aronstabs noch nie untersucht“, sagt Dötterl. Die chemischen Analysen – und auch genetische­n Auswertung­en – sollen zeigen, welche Anpassunge­n in jeder Region vorkommen. Die Biologen fangen die Mücken nachts mit Lichtfalle­n. „Und wir saugen mit kleinen Plastiksch­läuchen die Beute aus dem Kessel des Aronstabs.“Da muss man immer aufpassen, dass es den Rachen nicht reizt, wenn Pollen der Pflanze und Haare der Mücken eingeatmet werden.

Die Mücken werden molekularg­enetisch bestimmt und verglichen, in welcher Region welche Art dominant ist. Im Labor in Salzburg kontrollie­ren die Forscher außerdem auch, welche Duftmolekü­le die Schmetterl­ingsmücken überhaupt wahrnehmen können: Sie messen die Nervenreak­tion der kleinen Insekten auf die Duftsubsta­nzen.

All diese Ergebnisse sollen helfen, die Evolution von vielfältig­en Eigenschaf­ten innerhalb einer Art zu verstehen.

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[ Eva Gfrerer] Die roten Beeren beweisen, dass die Bestäubung des Aronstabs geklappt hat.

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