SOS für Hunderte Wildbienen
Für die Bestäubung der Kulturpflanzen und das Gleichgewicht in der Natur sind sie besonders wichtig: die „wilden Bienen“. Die fortschreitende Verbauung und Pestizide in der Landwirtschaft dezimieren bereits ihre Artenvielfalt.
Baumärkte und Gartencenter als Anbieter von Hotels für Wildbienen. Seit einigen Jahren werden diese Behausungen in unterschiedlichen Ausführungen und Größen angeboten, einmal aus reinem Holz mit kleinen kreisrunden Öffnungen, dann aus hohlen Ästchen, auch in einer Mischform. „Von einem Hotel kann man nicht sprechen“, sagt dazu der Landschaftsökologe und Bienenforscher Heinz Wiesbauer. Denn die Wildbienen nutzen diese Behausungen nicht für das eigene Wohnbedürfnis, sondern als Nistplatz für ihre Brutzellen.
Für Wiesbauer ist der Großteil der angebotenen Wildbienenhotels alles andere als funktional. Erstens würden zwei Drittel der Wildbienen im Boden einen Nistplatz aufsuchen, nur ein Viertel in Hohlräumen, die mit Wildbienenhotels nachgestellt werden. Einige Bienenarten bevorzugen für die Eiablage Totholz, geknickte Pflanzenstängel oder leere Schneckengehäuse. Zweitens sind die in den Baumärkten angebotenen Mate- rialien allzu oft für Wildbienen ungeeignet. Eines ist aber unbestritten: Die Zahl der Wildbienen geht in Österreich und weltweit alarmierend zurück. Nisthilfen sind da an und für sich eine gute Sache.
696 Arten in Österreich
Wiesbauer ist mit seiner Fotokamera in jeder freien Minute in den unterschiedlichen Naturlandschaften unterwegs, und das seit vielen Jahren. Allein donauabwärts von Wien, in der Lobau, konnte er mehr als 200 verschiedene Wildbienenarten sichten. Österreich ist mit 696 festgestellten Arten (die größten Vertreter sind die Hummeln) dank des Zusammentreffens von westeuropäischem und alpinem sowie kontinentalem Klima Spitzenreiter in Mitteleuropa. Allerdings ist der Landschaftsökologe sicher, dass von dieser bei verschiedenen Bestandsaufnahmen festgestellten Zahl etliche Arten, vielleicht sogar bis zu 150, heute in Österreich nicht mehr vorhanden sind.
Vor Kurzem ist das umfangreiche Buch „Wilde Bienen“von Heinz Wiesbauer erschienen (siehe Info-Kasten). Die Kennzeichen der Bienen sind vier Flügel, ein Stachel und die Sammeltätigkeit von Nektar und Pollen für die Nestverpflegung. Honig produziert nur die Honigbiene, die auch als einzige Bienenart mit einer verminderten Volksstärke die Wintermonate überlebt. 90 Prozent der Wildbienen leben solitär, einige bilden im Sommer kleinere Völker wie die Hummel oder Gemeinschaften von mehreren Weibchen. Den Winter überlebt meist eine weibliche Larve oder Puppe, die im zeitigen Frühjahr die Nachkommenschaft aufbaut. Heinz Wiesbauer dokumentiert in seinem Buch „Wilde Bienen“auf 376 Seiten die Vielfalt der Wildbienen, ihre Biologie und Lebensräume sowie ihre Gefährdung. Er stellt 360 Arten in Kurzporträts vor, zudem hat er selbst 1190 (!) erstklassige Farbfotos beigesteuert (Verlag Ulmer, 29,90 Euro).
Wildbienen sind für die Bestäubung der Kulturpflanzen neben den Honigbienen enorm wichtig. „Sie sind die effizienteren Bestäuber“, sagt Wiesbauer, „weil sie – anders als die Honigbienen – bei einem Blütenbesuch gleichzeitig Nektar und Pollen aufnehmen und damit intensiveren Kontakt mit der Blüte haben.“Zudem fliegen sie schon bei niedrigeren Temperaturen, die Hummel bereits bei drei bis vier Grad Celsius, die Honigbiene erst ab zehn bis zwölf Grad.
Wildbienen können im Gegensatz zur Honigbiene nicht nachgezüchtet werden. „Das Verschwinden einer Art ist fast immer irreversibel“, sagt Heinz Wiesbauer. Als Ursache für den dramatischen Rückgang ist dies in erster Linie der Chemieeinsatz in der Landwirtschaft und das auch in Kleingärten verwendete Unkrautvernichtungsmittel Roundup. Dann wird der Verlust an Lebensräumen genannt. Zur fortschreitenden Umwandlung von Grünland in Bauland (Haus- und Fabriksbau, neue Straßen) kommen die Beseitigung von Feldrainen und Wegbö- schungen und die Asphaltierung von Güterwegen hinzu. Gerade die beiden letztgenannten Punkte werden von den meisten Wildbienenarten als Nistplätze bevorzugt.
Rote Listen fehlen
Der Artenrückgang innerhalb einer Region wird normalerweise in bestimmten Roten Listen dokumentiert. In Österreich gibt es eine derartige, auch die Wildbienen umfassende, Liste nur in Kärnten – Naturschutz ist in Österreich Landessache, für das gesamte Bundesgebiet ist keine derartige Dokumentation vorhanden. Wiesbauer: „Um einen Überblick über den Zustand und die Entwicklung der Wildbienen in Österreich zu erhalten, wären die Ausarbeitung einer Roten Liste und ein Monitoring gefährdeter Arten längst überfällige Schritte.“Österreich müsste hier dem Beispiel anderer europäischer Staaten folgen.
Auf eine Feststellung legt der Landschaftsökologe noch Wert: Ähnlich wie die Wildbienen sind auch Schmetterlinge durch die fortschreitende Vernichtung ihres Lebensraumes bedroht.