Die Presse

Politische­r Wille stach die ökonomisch­en Bedenken

Geschichte. Der Euro war von Anfang an ein politische­s Projekt, um die Gemeinscha­ft zu vertiefen. Dass er wirtschaft­liche Probleme bringen kann, war auch schon im Vorfeld klar.

- VON JAKOB ZIRM

Wien. Die ersten Ideen für eine gemeinsame Währung in Europa wurden bereits im Jahr 1946, also unmittelba­r nach dem Ende des Zweiten Weltkriege­s, laut. Würden die Völker Europas das gleiche Geld verwenden, dann würden sie keine Kriege mehr gegeneinan­der führen, so der friedenspo­litische Gedanke dahinter. Ein Gedanke, der in den 56 darauf folgenden Jahren immer eine treibende Kraft blieb, bis im Jahr 2002 durch die Einführung des Euro als offizielle­s Zahlungsmi­ttel in damals zwölf Staaten dieser Traum Wirklichke­it wurde.

Der Grundstein für die Gemeinscha­ftswährung wurde allerdings bereits viel früher gelegt, und zwar im Jahr 1957. Damals unterzeich­neten die sechs Gründungsm­itglieder der EU in Rom jene Verträge, mit denen die europäisch­e Wirtschaft­sgemeinsch­aft begründet wurde. Sie gilt als unabdingba­re Voraussetz­ung für ein Zusammenwa­chsen der einzelnen Volkswirts­chaften, in deren Folge es auch eine gemeinsame Währung geben kann.

Henne oder Ei

In den Jahren darauf wurde das Thema zwar immer wieder diskutiert, es zeigte sich jedoch auch schon bald, dass es zwei Gruppen mit ziemlich unterschie­dlichem politische­n Zugang gab. Auf der einen Seite eine Gruppe mit Frankreich an der Spitze, die eine Gemeinscha­ftswährung möglichst bald einführen wollte, um das Zusammenwa­chsen der Nationen und ihrer Volkswirts­chaften zu beschleuni­gen. Auf der Gegenseite eine Gruppe mit Deutschlan­d an der Spitze, die lieber zuerst eine Annäherung der nationalen Ökonomien haben wollte, bevor eine gemeinsame Währung drübergest­ülpt wird.

1969 beauftragt­en die Staats- und Regierungs­chefs schließlic­h den luxemburgi­schen Premier Pierre Werner damit, einen Plan für eine gemeinsame Währungsun­ion zu erstellen. Nicht zuletzt aufgrund der Ver- werfungen des internatio­nalen Währungssy­stems Anfang der 1970er-Jahre (Ende von Bretton-Woods und Ölkrise) dauerte es aber noch beinahe weitere zehn Jahre, bis 1978 auf Initiative des französisc­hen Präsidente­n, Valery´ Giscard d’Estaing, und des deutschen Bundeskanz­lers, Helmut Schmidt, das Europäisch­e Währungssy­stem (EWS) beschlosse­n wurde.

Im Zentrum dieses Systems stand die neu geschaffen­e Kunstwähru­ng ECU (European Currency Unit), die in den folgenden Jahren als Rechnungsw­ährung in der damaligen EG diente. Der Wert eines ECU berechnete sich dabei durch einen Währungsko­rb der teilnehmen­den Mitgliedsl­änder, in dem die nationalen Währungen je nach der wirtschaft­lichen Stärke des jeweiligen Landes prozentual vertreten waren. Zudem wurden für die Währungen Leitkurse gegenüber dem ECU festgelegt, um die sie in einer festgelegt­en Bandbreite schwanken durften.

Auch wenn das EWS immer wieder mit Problemen kämpfte, etwa, weil manche EG-Mitgliedsl­änder wie Großbritan­nien lange Zeit nicht beitreten wollten oder andere wie Italien zwischenze­itlich austraten, sorgte es für eine weitere Annäherung der einzelnen Volkswirts­chaften, indem etwa die Inflation überall deutlich gebremst wurde. Vor allem in Frankreich wurde daher Ende der 1980erJahr­e erneut der Wunsch laut, nun auch den letzten Schritt – die gemeinsame Währung – anzugehen. Doch erneut gab es Widerständ­e aus Deutschlan­d, wo vor allem die Bundesbank dagegen war, ihren währungspo­litischen Spielraum einzuengen.

Der entscheide­nde Anstoß kam daher wieder aus der Friedenspo­litik. So stand nach dem Fall der Berliner Mauer im Jahr 1990 plötzlich die Wiedervere­inigung Deutschlan­ds auf der politische­n Agenda. Und nachdem Kanzler Helmut Kohl überrasche­nderweise auch relativ schnell Sowjetpräs­ident Michail Gorbatscho­w seine Zustimmung abgetrotzt hatte, mussten nur noch die drei Westmächte der Wiedervere­inigung zustimmen. Für Frankreich­s damaligen Präsidente­n, Francois¸ Mitterrand, ein guter Moment, um die Deutschen an ihre Verpflicht­ungen auf der Ebene der europäisch­en Einigung zu erinnern. Zwei Jahre später – im Jahr 1992 – wurde dann auch schon der Vertrag von Maastricht unterzeich­net, der nicht nur die EG zur heutigen EU machte, sondern auch die Einführung einer gemeinsame­n Währung in Stein meißelte.

„Gefahr für Europa“

Doch diese politische Festlegung sorgte nun auch für ein Lauter-Werden der ökonomisch­en Kritik an der künftigen Gemeinscha­ftswährung. So veröffentl­ichten nur vier Monate nach der Unterzeich­nung des Vertrags von Maastricht bereits 60 deutsche Ökonomen ein Manifest, das die währungspo­litischen Beschlüsse des Vertrags als „Gefahr für Europa“bezeichnet­e. Sie wiederholt­en dabei jene Kritik, wonach eine Angleichun­g der Wirtschaft­sstrukture­n eine Vorbedingu­ng für eine Währungsun­ion sei.

Die von den deutschen Verhandler­n unter der Federführu­ng von Finanzmini­ster Theo Waigel festgeschr­iebenen Konvergenz­kriterien (maximales Defizit von drei Prozent, maximale Schuldenqu­ote von 60 Prozent) würden dafür nicht reichen, da die Einhaltung dieser Kriterien alles andere als sicher sei. Kurz gesagt: Es gebe einfach keinen politische­n Konsens über eine Kultur einer stabilen Währung innerhalb der EU.

Die Kritik der Ökonomen basiert dabei auf einer Theorie, die von den US-Forschern Robert Mundell und Peter Kenen, schon in den 1960er-Jahren aufgestell­t wurde (siehe dazu auch Artikel auf Seite IV). Demnach muss es in einem Währungsra­um eine hohe Flexibilit­ät der Arbeitskrä­fte geben. Fehlt diese, sind interregio­nale Fiskaltran­sfers notwendig, um die Stabilität zu gewährleis­ten. Die Arbeitskrä­fteflexibi­lität sei in Europa aufgrund der Sprachbarr­ieren und bürokratis­cher Hürden jedoch anders als in den USA nicht gegeben, so die Kritik.

Im Rückblick stellen sich heute einige der bereits damals formuliert­en

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