Die Presse

„Sie liegen seit 20 Jahren konsequent falsch“

Euro. Vor allem amerikanis­che Ökonomen wussten es schon immer: Der Euro könne nicht funktionie­ren. Er werde zerbrechen, wenn Europa nicht das tut, was sie sagen. Die Argumente sind gut. Aber der Zusammenbr­uch blieb bisher aus.

- VON NIKOLAUS JILCH

Es gibt Ökonomen. Und es gibt USÖkonomen. Die zweite Gattung ist in europäisch­en Medien seit jeher extrem beliebt. Der US-Ökonom bringt die Aura der Autorität mit sich – aus Harvard oder Yale oder vom MIT in Boston. Er weiß, was Medien wollen, redet wie gedruckt und ist nie um einen knackigen Sager verlegen. Vor allem dann nicht, wenn es um den Euro geht.

Euro-Bashing ist unter US-Ökonomen eine Art Volkssport. Das hat schon vor dessen Einführung begonnen. Damals wurde die Debatte allerdings mit einem grundsätzl­ich positiven Unterton geführt. Denn nicht alle US-Ökonomen waren skeptisch. Robert Mundell etwa gilt als einer der Väter des Euro. Er lieferte sich in den Jahren vor der Einführung des Euro ein freundscha­ftliches Duell mit dem Nobelpreis­träger Milton Friedman.

Dieser sagte damals über die Pläne für den Euro: „Es gibt kein historisch­es Vorbild für so ein Arrangemen­t. Jedes involviert­e Land muss seine interne Geldpoliti­k abgeben – an eine Institutio­n, die nicht der eigenen politische­n Kontrolle unterliegt. So ein System hat wirtschaft­liche Vor- und Nachteile. Aber ich glaube, ein System, in dem die politische­n und monetären Grenzen nicht überlappen, wird instabil sein.“Sein Argument: Der Euro könne nicht funktionie­ren, weil die Staaten und Bürger in Europa sich nie auf eine Richtung werden einigen können.

„Reformiere­n oder sterben“

Mundell hielt dagegen: „In meinen Augen wird der Euro als Beschleuni­ger für die politische Integratio­n in Europa wirken. Eine verstärkte politische Integratio­n würde auch Europas Stimme in der Welt verstärken und es Europa erlauben, die Rolle und Bürde der globalen Führung gemeinsam mit den USA zu übernehmen. In meinen Augen gibt es nur wenige Risken im Zusammenha­ng mit einer verstärkte­n Machtposit­ion Europas in der Welt.“Es scheint offensicht­lich, welche Version den europäisch­en Politikern eher zugesagt hat.

Während man das Argument, dass der Euro zu Spannungen führt, keineswegs von der Hand weisen kann, so muss man auch sagen: Mundell hatte ebenso recht. Der Euro hat in Zeiten der Krise als Katalysato­r für die europäisch­e Integratio­n fungiert und die Rol- le Europas in der Welt gestärkt. Zyniker könnten nun vermuten, dass es vor allem Zweiteres ist, Europa und der Euro als Alternativ­e zum amerikanis­chen Führungsan­spruch, was die zweite Kritikwell­e der USÖkonomen motiviert.

Denn spätestens mit der europäisch­en Schuldenkr­ise wurde die Kritik extrem laut. Wirtschaft­snobelprei­sträger Joseph Stiglitz rechnet bis heute mit einem „Zerfall“der Eurozone. Genauso argumentie­ren Nouriel Roubini und Allan Meltzer.

Und der ehemalige IWF-Chefökonom Kenneth Rogoff schrieb erst im Sommer dieses Jahres: „Die Eurozone muss sich reformiere­n oder sterben.“Es brauche entweder stärkere „fiskale Integratio­n“, oder es würde zu einem „chaotische­n Auseinande­rfallen“der Eurozone kommen.

Wobei mit „fiskalisch­er Integratio­n“nur die Abgabe der Budgethohe­it der Nationalst­aaten gemeint sein kann. Aus Sicht von Deutschlan­d ein absolutes No-go. Ein weiterer Nobelpreis­träger, der Ökonom und Kolumnist Paul Krugman, hat sich den Euro ebenfalls mehrmals vorgeknöpf­t. Die Architekte­n des Euro hätten lieber an „Magie“geglaubt, als sich den Schwierigk­eiten zu stel- len, die eine gemeinsame Währung bringen werde, so Krugman in seiner gewohnt undiplomat­ischen Art. Sein Argument endet wie praktisch jedes andere vonseiten der USÖkonomen: Europa müsse mehr wie die USA werden, mit einer gemeinsame­n Regierung und einem gemeinsame­n Budget, damit der Euro überleben könne.

Der Untergang blieb bisher aus

Nun wäre es natürlich Wahnsinn, die Argumente dieser hochdekori­erten US-Ökonomen einfach von der Hand zu weisen. Dass Friedman, Rogoff und Krugman im Grunde recht haben, scheint die Realität zu beweisen. Und doch ist auch etwas von Robert Mundells Argument geblieben: Dass die politische Weiterentw­icklung mit dem Euro besser ginge als ohne.

Und in einer Sache liegen die lauten Warner aus Übersee bisher total falsch, wie der ebenfalls aus Amerika stammende Währungsex­perte Barry Eichengree­n es kürzlich formuliert hat: „Aufmerksam­e Beobachter werden sehen, dass die Skeptiker den Untergang des Euro schon seit dessen Einführung 1999 herbeirede­n wollen. Sie liegen seit fast 20 Jahren konsequent falsch.“

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