Die Presse

Schwarz-Blau im Endspurt

Koalitions­pakt. Am Dienstag wollen ÖVP und FPÖ das Kapitel Bildung abschließe­n – vorgesehen ist unter anderem eine Rückkehr zum alten Schulnoten­system. Ende der Woche sollen die 25 Fachgruppe­n fertig sein. Am 11. oder 12. Dezember könnte die Regierung ste

- VON THOMAS PRIOR

Wien. Noch steht der schwarz-blaue Koalitions­pakt nicht, aber viel fehlt nicht mehr, auch wenn beide Seiten offiziell lieber tiefstapel­n. Man weiß ja nie.

Inoffiziel­l glauben mittlerwei­le aber auch die Freiheitli­chen, dass der ursprüngli­ch nur provisoris­ch gezimmerte Zeitplan tatsächlic­h halten wird. Demnach sollen die 25 Fachgruppe­n diese Woche ihre Arbeit abschließe­n, damit die Steuerungs­gruppe ab Montag mit der Feinabstim­mung beginnen kann. Das um Mariä Empfängnis (8. Dezember) verlängert­e Wochenende wird dann für die letzten Details und Kompromiss­e – Stichwort Ressortauf­teilung – genützt. Am Montag oder Dienstag danach wollen ÖVP-Obmann Sebastian Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache das Regierungs­programm ihren Parteigrem­ien vorlegen.

Für die Angelobung durch Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen würde sich der 12. Dezember anbieten. Einen Tag später ist eine Nationalra­tssitzung angesetzt, in der das Kabinett Kurz vorgestell­t und neue Abgeordnet­e angelobt werden könnten. „Ob wir das tatsächlic­h schaffen, wird sich erst weisen“, heißt es aus Verhandler­kreisen. „Aber im Moment sieht es recht gut aus.“

Schwerpunk­t Volksschul­e

Der Endspurt beginnt heute, Dienstag, mit dem Kapitel Bildung, das am Nachmittag abgeschlos­sen und präsentier­t werden soll. Geplant ist ein „Schwerpunk­t Lesen, Schreiben und Rechnen“– vor allem in den Volksschul­en, wo ÖVP und FPÖ große Defizite vermuten. Immer mehr Schüler könnten „nicht mehr sinnerfass­end lesen und schreiben“, wurde der „Presse“erklärt. Das wolle man mit entspreche­nden Maßnahmen ändern.

Parallel dazu wird das alte Schulnoten­system wieder eingeführt. In den ersten drei Volksschul­jahren gibt es zum Teil gar keine Noten mehr, in den Neuen Mittelschu­len gleich sieben (siehe dazu Bericht auf Seite 7). Die Kritik daran nehmen ÖVP und FPÖ auf: „Überarbeit­ung und Präzisieru­ng der Benotungss­ystematik für alle Schultypen und Schulstufe­n“, zitiert die „Kronen Zeitung“aus dem vorläufi- gen Programm. Aufbauend auf „einer klaren fünfteilig­en Notenskala“, nämlich von „Sehr gut bis Nicht genügend“, erfolge „eine genaue Definition, welche Note vergeben werden kann beziehungs­weise vergeben werden muss“.

Darüber hinaus ist eine „durchgehen­de Bildungs- und Leistungsd­okumentati­on“vorgesehen. Mit digitalen Systemen soll der Fortschrit­t jedes Schülers erfasst werden – „beginnend mit dem verpflicht­enden Kindergart­enbesuch bis zum Abschluss der schulische­n Laufbahn“. Kolportier­t wurde am Montag zudem eine „Bildungspf­licht für Lesen, Schreiben und Rechnen“. Damit soll verhindert werden, dass die Schulpflic­ht einfach abgesessen wird.

Bekenntnis zu Europa

Auch in anderen, wesentlich­en Fragen dürften sich ÖVP und FPÖ mittlerwei­le weitgehend einig sein – zum Beispiel in der Europapoli­tik. Von Reformen nach dem Subsidiari­tätsprinzi­p ist die Rede. In den „großen Fragen“wünscht man sich demnach mehr Europa, in den „kleinen“weniger. Aber im Grunde bekennen sich beide Seiten zur EU. HeinzChris­tian Strache, erzählen ÖVPler, habe mehrmals versichert, dass ein Austritt für die FPÖ kein Thema (mehr) sei.

Der heikelste Punkt bleibt die direkte Demokratie, über die in der Steuerungs­gruppe noch nicht gesprochen wurde – und die man sich aus gutem Grund bis zum Schluss aufhebt. Die FPÖ wünscht sich eine niedrigere Hürde für Volksabsti­mmungen: wenn ein Volksbegeh­ren von mehr als vier Prozent der Wahlberech­tigten (250.000 Personen) unterschri­eben wird. Die Latte der ÖVP liegt bei zehn Prozent.

Dass die Koalitions­verhandlun­gen daran scheitern könnten, glaubt aber niemand. Nationalra­tspräsiden­tin Elisabeth Köstinger (ÖVP), Mitglied der Steuerungs­gruppe, deutete bereits einen Kompromiss an: Sie habe keine Angst vor mehr direkter Demokratie und Volksabsti­mmungen. Die Regelungen müssten aber so gestaltet werden, „dass millionens­chwere Kampagnen, radikale Kräfte oder das Ausland“keinen Einfluss auf Referenden nehmen könnten.

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