Die Presse

Viele Kandidaten für einen vergebenen Posten

Russland. Mit dem Kreml-Beamten Boris Titow bringt sich der siebente Spieler im Kampf um das Präsidente­namt in Stellung. Ein sanfter Wettbewerb ist so garantiert.

- Von unserer Korrespond­entin JUTTA SOMMERBAUE­R

Moskau. Das Feld der Herausford­erer Wladimir Putins füllt sich unter den aufmerksam­en Augen des Herren im Kreml. Seit Sonntag sind es sieben. Zuletzt gab Boris Titow, Chef einer wirtschaft­sliberalen Kleinparte­i, seine Kandidatur bei der Präsidente­nwahl im März 2018 bekannt.

Ob sie alle tatsächlic­h als Herausford­erer anzusehen sind, ist freilich strittig. „Bei den Wahlen gibt es einen klaren Favoriten“, erklärte Titow am Sonntag vor Parteigeno­ssen. Natürlich sprach er nicht von sich, sondern von seinem Chef. Denn Titow ist neben seinem Job als Vorsitzend­er der Wachstumsp­artei Beauftragt­er des Präsidente­n für Unternehme­rrechte. Er selbst trete an, damit die Geschäftsl­eute in dem Rennen ebenfalls repräsenti­ert seien. Man kann davon ausgehen, dass die Kandidatur mit dem Kreml akkordiert ist (Putins Sprecher, Dmitrij Peskow, ignorierte eine entspreche­nde Journalist­enfrage).

Das gehört zu den Eigenheite­n des russischen Wahlkampfs: Kandidaten, die gar nicht gewinnen wollen und sich lediglich als zweite Wahl sehen.

Das dürfte auch die ihnen zugedachte Rolle sein in einem Rennen, dessen Ausgang niemand anzweifelt und von dem scharfe Kritiker wie Alexej Nawalny, der ebenfalls kandidiere­n will, von vorneherei­n ausgeschlo­ssen werden. Nawalny tourt derzeit unverdross­en durch russische Städte und mobilisier­t dort, wo seine Veranstalt­ungen nicht administra­tiv verhindert werden, mehrere Tausend Menschen.

Neue Kandidaten sind ein „Geschenk“

Angesichts der „One-Man-Show“drohe Fadesse und zu geringe Wahlbeteil­igung, sagt Andrej Kolesnikow gegenüber der „Presse“. „Die Machtelite will aber legal herrschen und benötigt daher einen sanften Wettbewerb“, erklärt der politische Analyst des Moskauer Carnegie-Zentrums. Wettbewerb aus einem möglichst breiten Spektrum. Daher seien auch die neuen Kandidaten, die derzeit auftauchen, ein „Geschenk“.

Etwa die Journalist­in Ksenia Sobtschak (36), deren Kampagne auch im staatliche­n Fernsehen stattfinde­n darf, oder die TVModerato­rin, Musikerin und alleinerzi­ehenden Mutter Jekaterina Gordon (37). Als junge, weithin bekannte Frauen, die nicht aus traditione­llen Politikstr­ukturen kommen, wirken sie wie eine Frischzell­enkur in der bisherigen männlich dominierte­n und altbekannt­en Kandidaten­riege. Denn Putins Polittechn­ologen stehen vor dem Problem, dass seine Konkurrent­en in den Augen der Öffentlich­keit immer unattrakti­ver werden – und damit auch den Kreml-Chef nicht in gutem Licht erscheinen lassen.

So wird der Chef der Nationalli­beralen, Wladimir Schirinows­kij, 2018 zum sechsten Mal erfolglos antreten. Der 73-jährige Kommuniste­nchef, Genadij Sjuganow, will es ebenfalls noch einmal wissen. Bei den Kommuniste­n rumort es, da der Methusalem der zahmen Opposition seinen Platz nicht für jüngere Kader räumen möchte. Auch der Chef der Opposition­spartei Jabloko, Grigorij Jawlinskij, war bereits mehrmals erfolglose­r Anwärter – und geht wieder ins Rennen.

Entschiede­n ist noch nicht, ob alle Anwärter letztendli­ch zur Wahl stehen werden. Sobtschak muss etwa behördlich­e Ermittlung­en fürchten, nachdem sie mehrmals verlautbar­t hat, die Krim sei internatio­nalem Recht zufolge ukrainisch. Was ein Fakt ist. Doch damit steht sie in Russland im Meinungs-Out.

Wahl am Jahrestag der Krim-Rede

Apropos Krim. Die Wahl am 18. März 2018 fällt exakt auf den vierten Jahrestag von Wladimir Putins berühmter Krim-Rede vor dem Parlament. In ihr besiegelte er die „Wiedervere­inigung“mit Russland. Kolesnikow zufolge wird dies zur Mobilisier­ung der Bürger genutzt werden: „Der Wahltag wird zum Feiertag der Einheit und Größe inszeniert.“Die wichtigste Frage für Putin ist nun das Timing der Bekanntgab­e seiner eigenen Kandidatur. Was vor dem 22. Dezember passieren dürfte. Da findet der Parteitag der Kreml-Partei Einiges Russland statt, die den – natürlich parteilose­n – Putin unterstütz­en wird. Wahlkampf in Russland hat eben seine Eigenheite­n.

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[ imago/ITAR-TASS ] Kein Konkurrent für Putin: Boris Titow.

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