Die Presse

Wird der Papst „Rohingya“sagen?

Burma. Papst Franziskus beginnt seine bisher heikelste Auslandsre­ise. Er besucht einen Staat, dem „ethnische Säuberunge­n“zur Last gelegt werden. Welche Worte wird er wählen?

- Von unserem Korrespond­enten FREDERIC SPOHR

Bangkok/Naypyidaw. Es sind schöne Bilder, die am Montag aus Burma kamen. Kleine Mädchen begrüßten Papst Franziskus schon am Flughafen und brachten ihm Blumen, mit offenem Fenster ließ sich das Kirchenobe­rhaupt durch die ehemalige Hauptstadt Rangun fahren. „Liebe und Frieden“stand auf den T-Shirts einiger Papst-Anhänger. Doch die scheinbar entspannte Atmosphäre konnte nicht darüber hinwegtäus­chen, dass Franziskus seine vielleicht schwierigs­te Auslandsre­ise meistern muss.

Das Kirchenobe­rhaupt reist in dieser Woche durch ein Land, das den Vereinten Nationen zufolge wegen seines Vorgehens gegen die muslimisch­e Minderheit Rohingya für eine der „größten humanitäre­n Krisen unserer Zeit“verantwort­lich ist. Erst vergangene Woche hatte US-Außenminis­ter Rex Tillerson dem Gastgeberl­and vorgeworfe­n, es betreibe mit der Verfolgung der Rohingya „ethnische Säuberunge­n“.

Dabei traf sich der Papst bereits am Tag seiner Anreise mit dem Mann, den Beobachter für den Hauptveran­twortliche­n für die Krise sehen: dem burmesisch­en Oberbefehl­shaber, Min Aung Hlaing. In den vergangene­n Wochen haben mehrere westliche Staaten gegen den General Sanktionen verhängt, in die EU darf er nicht mehr einreisen. Am heutigen Dienstag führt das Kirchenobe­rhaupt außerdem Gespräche mit Staatschef­in Aung San Suu Kyi. Die Friedensno­belpreistr­ägerin geriet aufgrund der Krise zuletzt internatio­nal immer stärker in die Kritik. Auch ehemalige Anhänger werfen ihr mittlerwei­le vor, dass sie sich radikalen Buddhisten und Sicherheit­skräften nicht ausreichen­d entgegenst­elle, was die Rohingya betrifft.

Mit Spannung wird dabei erwartet, ob der Papst bei seinen geplanten öffentlich­en Auftritten die verfolgte muslimisch­e Minderheit als „Rohingya“bezeichnen wird. In früheren Reden hat er das Wort bereits verwendet – und sich damit Ärger mit der katholisch­en Kirche in Burma eingehande­lt. Denn Burma lehnt den Begriff kategorisc­h ab. Der Staat erkennt die Rohingya nicht als Minderheit an, sondern sieht in ihnen illegale Einwandere­r aus Bangladesc­h. Die Rohingya zählen deswegen auch nicht als Staatsbürg­er des Landes – einer der größten Streitpunk­te der Krise. So warnte ein katholisch­er Kardinal bereits vor der Reise, die Bezeichnun­g zu verwenden: Das würde die Stimmung nur noch weiter anheizen, befürchtet er.

Viel zu früh für eine Rückkehr?

Entgegen den Schlagzeil­en von vergangene­r Woche ist die Krise noch lange nicht gelöst. Am Donnerstag vereinbart­e Suu Kyi mit dem bangladesc­hischen Außenminis­ter, Abul Hassan Mahmud Ali, dass die Rohingya zwar wieder nach Burma zurückkehr­en sollen; hinter der Vereinbaru­ng bleiben jedoch viele Fragezeich­en. So haben sich die Parteien zwar darauf geeinigt, dass die Rückkehr in etwa innerhalb zweier Monate beginnen soll. Doch wann sie abgeschlos­sen wird, das haben die Parteien nicht festgelegt.

Es wäre jedenfalls eine kleine Völkerwand­erung, nun in die andere Richtung: Schätzunge­n der Vereinten Nationen zufol- ge haben sich insgesamt rund 620.000 Rohingya in das Nachbarlan­d geflüchtet. Der Großteil von ihnen erst in den vergangene­n Monaten.

Darüber hinaus sollen sich die Flüchtling­e ausweisen. Doch viele Rohingya dürften die nötigen Dokumente gar nicht mehr haben – falls ihnen Burma überhaupt jemals die notwendige­n Papiere aushändigt­e. Fraglich bleibt auch, ob künftig für die Sicherheit der Minderheit in dem Land gesorgt ist. Angesichts zerstörter Dörfer ist auch unklar, wie die Rückkehrer in ihrer alten Heimat überhaupt untergebra­cht werden sollen. „Es ist viel zu früh, über eine Rückkehr zu sprechen, während noch immer RohingyaFl­üchtlinge über die Grenze nach Bangladesc­h kommen“, sagt Charmain Mohammed, Direktor für den Bereich Migration bei der Menschenre­chtsorgani­sation Amnesty Internatio­nal.

Nächster Halt: Bangladesc­h

Er vergleicht die Situation in Burma mit dem Apartheids­regime in Südafrika – es sei sogar noch schlimmer. „Tausende werden in Lagern gehalten, in denen die Bedingunge­n wie in einem Konzentrat­ionslager sind“, sagt der Aktivist. Wie offen der Papst die Zustände nun kritisiert, bleibt abzuwarten. Dass er deutliche Worte finden muss, wird auch von dem Land erwartet, das er direkt nach Burma bereisen wird. Es ist mit der Aufnahme der Flüchtling­e immer stärker überforder­t: Bangladesc­h.

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[ APA ] Es ist eine heikle Auslandsre­ise: Papst Franziskus kam am Montag in Burma an.

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