Die Presse

Deutschlan­d stellt sich hinter Glyphosat

Umweltpoli­tik. Mit knapper Mehrheit stimmten die Regierunge­n für eine weitere fünfjährig­e Zulassung des umstritten­en Unkrautver­nichters.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Brüssel. Das europäisch­e Ringen um die Zulassung des weltweit populärste­n, wegen seiner Auswirkung­en auf die Gesundheit von Mensch, Pflanze und Tier aber umstritten­en Unkrautver­nichtungsm­ittels Glyphosat hat am Montagnach­mittag gegen 15.45 Uhr in einem Brüsseler Konferenzs­aal sein vorläufige­s Ende gefunden. Die Vertreter von 18 Mitgliedst­aaten stimmten dafür, das vom Chemiekonz­ern Monsanto hergestell­te Herbizid für fünf weitere Jahre zu genehmigen. Bei zwei vorherigen Abstimmung­en der zuständige­n Fachgremie­n der Regierunge­n hatte sich keine qualifizie­rte Mehrheit für oder gegen die Betriebszu­lassung ergeben.

Österreich in der Minderheit

Die Mehrheit für Glyphosat war äußerst knapp. Sie entsprach 65,71 Prozent der Bevölkerun­g der Union. 65 Prozent waren gemäß den Abstimmung­sregeln erforderli­ch, die zudem als zweite Bedingung vorsahen, dass zumindest 16 Mitgliedst­aaten zustimmten. Gegenüber dem vorherigen, ergebnislo­sen Votum gab Deutschlan­d den Ausschlag. Hatte es sich damals noch enthalten, stimmte es dieses Mal zu und sicherte die Mehrheit für Glyphosat.

Österreich stimmte mit Frankreich, Belgien, Luxemburg, Grie- chenland, Kroatien, Italien, Zypern und Malta gegen die Verlängeru­ng der Zulassung, Portugal enthielt sich.

Ungemach in Berlin

Diese Brüsseler Entscheidu­ng grätscht in die Berliner Koalitions­verhandlun­gen zwischen CDU/ CSU und SPD. Denn Deutschlan­ds Haltungswe­nde war im engsten Sinn eine des Landwirtsc­haftsminis­teriums unter dem amtsführen­den CSU-Minister Christian Schmidt. Die ebenfalls nur bis zur Bildung der neuen Regierung amtierende Umweltmini­sterin von der SPD, Barbara Hendricks, protestier­te unmittelba­r nach der Abstimmung in einer Aussendung: „Jeder, der an Vertrauens­bildung zwischen Gesprächsp­artnern interessie­rt ist, kann sich so nicht verhalten“, erklärte Hendricks in einer Mitteilung. Höchst verärgert reagierten auch die deutschen Grünen, die noch bis vor wenigen Tagen auf die Beteiligun­g an einer Jamaika-Koalition mit den beiden Christpart­eien sowie der FDP gehofft hatten. „Das Umschwenke­n von einer Enthaltung in dieser Frage zur Zustimmung liefert uns einen Vorgeschma­ck auf die künftigen Machtverhä­ltnisse in Berlin. Das Verhalten von Bundesland­wirtschaft­sminister Christian Schmidt (CSU) ist instinktlo­s und skandalös“, lautete es in einer Aussendung des agrarpolit­ischen Sprechers im Europaparl­ament, Martin Häusling.

Starker Bürgerwide­rstand

Das Europaparl­ament hätte eine Kompromiss­lösung angeboten, auf welche die Regierungs­politiker nicht eingegange­n seien, bedauerte Karin Kadenbach (SPÖ), die im Agraraussc­huss sitzt: „Wir haben uns im EU-Parlament einigen können, dass ab 15. Dezember 2022 das Pestizid europaweit verboten werden soll. Immerhin haben wir mit unserer Beharrlich­keit durchgeset­zt, dass die EU-Kommission statt zehn Jahren eine Zulassung von fünf Jahren vorschlägt.“

Die Kommission hat die Entscheidu­ng nun umzusetzen und Glyphosat zu genehmigen. Doch der Kampf um das möglicherw­eise krebserreg­ende, nachweisli­ch die Artenvielf­alt verringern­de Herbizid ist nicht zu Ende. Eine Europäisch­e Bürgerinit­iative, die das Verbot fordert, hat mehr als eine Million Stimmen erhalten und muss von der Kommission in naher Zukunft behandelt werden.

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[ Reuters ] Agrochemis­che Produkte wie Glyphosat ermögliche­n ertragreic­he, aber ökologisch problemati­sche Monokultur­en.

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