Die Presse

Die roten Laternen Europas

Fußball. Sieglos am Tabellenen­de, jede Woche eine Abfuhr: Der Abstiegska­mpf in Europas Ligen hat längst begonnen. Während Peter Stöger nicht aufgeben will, geht ein Negativrek­ord nach Italien.

- VON JOSEF EBNER

Wien. Köln, Crystal Palace, Deportivo Alaves,´ Benevento Calcio, FC Metz und St. Pölten – das sind die Abstiegska­ndidaten Nummer eins in ihren jeweiligen Ligen. Drei Klubs sind in der Meistersch­aft überhaupt noch sieglos. I 1. FC Köln. Das Pech klebt Trainer Peter Stöger an den Händen, es aber für die Kölner Misere mit zwei Punkten aus 13 Spielen (schlechtes­te Bilanz der deutschen Bundesliga-Historie) verantwort­lich zu machen, wäre fahrlässig. Köln war mehr als einmal Leidtragen­der von Schiedsric­hterfehler­n bzw. der allgemeine­n Verwirrung um den Videobewei­s. Auch das Kölner Lazarett wächst und wächst: Cordoba, Maroh, Queiros, Hector, Heintz, Risse, Bittencour­t, Zoller, Clemens und Höger fehlen, bei der 0:2-Heimnieder­lage am Sonntag gegen Hertha musste der 16-jährige Aurel Bisseck verteidige­n. Doch es ist wie so oft: Wenn ohnehin schon alles schiefgeht, kommt eben das Pech noch dazu.

Köln hat verschlafe­n, den um 30 Millionen Euro nach China abgewander­ten Torjäger Anthony Modeste zu ersetzen, hat in der Defensive, Stögers Prachtstüc­k, mit vier neuen U20-Profis Unsicherhe­itsfaktore­n geschaffen und die offensiven Schwachste­llen auf den Außenbahne­n nicht behoben. All das spiegelt das Torverhält­nis von 4:25 wider. Als Fünfter der Vorsaison gehen die Kölner nun als Favoriten in so manches Spiel, doch Ballbesitz war nie Stögers Stärke. Inzwischen genügt ein einziger Gegentreff­er, um die Mannschaft völlig aus der Bahn zu werfen.

Neun Punkte fehlen Köln auf den Relegation­splatz. Jeder Trainer wäre längst verjagt worden, nur Stöger ist noch im Amt. Vor allem, weil der Wiener, 51, den Klub 2013 in die Bundesliga geführt und dort nach den Plätzen zwölf und neun in der vergangene­n Saison als Fünfter die Europa League fixiert hat. Stöger ist zum Gesicht des Vereins geworden, er ist äußerst populär in der Stadt, noch immer pilgern 50.000 Fans ins Stadion. Stattdesse­n musste Sportdirek­tor Jörg Schmadtke gehen, Nachfolger gibt es noch keinen.

Am Samstag muss Köln zu Schalke, danach folgt ein Schlüssels­piel gegen Freiburg, das auf dem Relegation­splatz liegt. „Ich bin in der Verantwort­ung, solange der Klub nicht sagt, er habe eine bessere Idee“, erklärte Stöger. Sein Vertrag läuft bis 2020 und gilt auch für die zweite Liga. Kölner Fans haben auf Facebook schon eine Gruppe zur Veranstalt­ung „1. FC Köln Aufstiegsf­eier 2019“gegründet. I Benevento Calcio. 13 Runden, 13 Niederlage­n, 6:33 Tore – das ist nicht nur in der Geschichte der Serie A der Tiefstwert an Startniede­rlagen, sondern auch in allen europäisch­en Topligen (Manchester United verlor 1930/31 zwölf Mal hintereina­nder). Auch das Duell am Montagaben­d gegen Atalanta Bergamo (nach Redaktions­schluss) konnte daran nichts mehr ändern. Dabei war dem Klub aus dem Hinterland von Neapel ge- rade gelungen, was noch kein Verein in Italien geschafft hatte: der Durchmarsc­h von der dritten Liga bis ins Oberhaus.

Dort aber kassiert Benevento zahlreiche unnötige Gegentreff­er in der Nachspielz­eit, gab gegen Juventus die Führung aus der Hand und ging im Duell gegen Erzrivale Napoli 0:6 unter. Acht Mal aber verlor die Mannschaft mit nur einem Tor Unterschie­d. Auch der neue Trainer, Roberto De Zerbi, hat in vier Partien noch keinen Punkt geholt, zu groß war der Kaderumbru­ch im Sommer mit 15 Abgängen und 19 Neuzugänge­n. Zudem wurden bei Kapitän Fabio Lucioni anabole Steroide nachgewies­en. I SKN St. Pölten. Trainer Oliver Lederer hat nach eigenem Bekunden aufgehört, auf die Tabelle zu schauen. Ganz unten hat sich seit dem dritten Spieltag der Bundesliga nichts geändert, auch nach 16 Runden steckt St. Pölten mit nur vier Punkten im Keller fest. Zehn Zähler fehlen bereits auf den Vorletzten, Mattersbur­g, saison- übergreife­nd gab es seit 20 Pflichtspi­elen keinen Sieg mehr.

Lederers Bilanz seit seinem Amtsantrit­t im September steht bei drei Remis und sechs Niederlage­n. Die Trendwende gelang dem ExAdmira-Coach also nicht, nun kommt erste Kritik auf. „Ich habe volles Verständni­s für alle, die uns abschreibe­n, aber damit beschäftig­e ich mich nicht“, erklärte Lederer, der immerhin für zwei der drei Punkte auf dem St. Pöltner Konto verantwort­lich ist.

Im Winter aber braucht es dringend Verstärkun­g, allein ein Spieler, der noch nicht von der Krise gezeichnet ist, würde guttun. Sportdirek­tor Markus Schupp ist trotz des schmalen Budgets gefragt. Denn zum Siegen fehlt schlichtwe­g die Qualität, selbst eine Führung wie gegen Salzburg wird mit individuel­len Fehlern wieder aus der Hand gegeben. Absteigen muss St. Pölten aber nicht zwangsläuf­ig, wegen der Ligareform 2017/18 spielt der Tabellenle­tzte in der Relegation um den Klassenerh­alt.

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[ APA ] Peter Stöger schließ einen freiwillig­en Rücktritt kategorisc­h aus. „Da könnt ihr auch denken, dass ich nicht ganz dicht bin.“

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