Die Presse

Hier wächst zusammen, was nicht zusammenge­hört

Für Bitcoin braucht man weder Banker noch Futures. Aber Mut. Viel Mut.

- VON NIKOLAUS JILCH E-Mails an: nikolaus.jilch@diepresse.com

Kaum ist ein Meilenstei­n gefallen, kommen die verrücktes­ten Prognosen ans Licht. Ein Bitcoin kostete am Montag nach einer monatelang­en Megarallye schon fast 10.000 Dollar. Und die Prognosen gehen in Richtung 50.000. Warum nicht? Eine Verfünffac­hung ist in der verrückten Welt der Kryptowähr­ungen nichts Ungewöhnli­ches.

Die Hintergrün­de solcher Prognosen sind aber dubios. Hier wächst zusammen, was nicht zusammenge­hört: die wilden Kryptomärk­te und der klassische Finanzmark­t. Auf dem war man bisher sehr skeptisch. Wahrschein­lich zu Recht. Bitcoin hat schon mehrere Blasen erlebt – und scharfe Korrekture­n. Aber jetzt, da der Preis derart verrückt spielt, scheinen sich die BitcoinVer­fechter und das Finanz-Establishm­ent auf dem kleinsten gemeinsame­n Nenner zu treffen: der Gier.

Es ist einfach so: Zu viele Investoren wollen in diesen Markt und rufen ihre Banker oder Broker an. Aber diese haben keine Ahnung von Bitcoin und Co. Diese Blockchain-Assets laufen in einem parallelen Finanzsyst­em, wo die Nerds das Sagen haben, nicht die Banker. Wie peinlich muss es sein für eine New Yorker Investment­bank oder eine Schweizer Privatbank, wenn man dem Kunden sagen muss: „Sorry, da haben wir leider keinen Tau.“Also versuchen Wall Street und Konsorten, den Bitcoin in die ihnen bekannten Schablonen zu pressen. Beispiel eins: die von der USBörse CME geplanten Futures-Kontrakte zu Bitcoin, die heuer noch an den Start gehen sollen. Das wird ein ganz eigenartig­es Ding.

Denn bei diesen Kontrakten geht man nur eine Wette ein, man kauft keine Bitcoins. Auf der Blockchain tut sich rein gar nichts. Solche FuturesKon­trakte machen freilich Sinn, wenn man mit Öl oder Reis spekuliert. Mit Rohstoffen, die man nicht mühsam durch die Gegend karren will. Aber wo ist der Sinn bei Bitcoin? Ist es nicht gerade der Vorteil der Blockchain, dass Trades sofort abgeschlos­sen werden?

Bitcoin an sich ist ja ohnehin eine reine Spekulatio­n. Als Währung findet es bisher hingegen kaum Verwen- dung. Die Spekulatio­n geht so: Bitcoin war die erste Blockchain, und der Blockchain gehört die Zukunft. Aber wer das wirklich glaubt, sollte die Blockchain auch nutzen.

Dass jetzt Futures und Zertifikat­e auftauchen, die eine bloße Spekulatio­n auf den Preis ermögliche­n, zeigt vor allem: Wirklich bereit ist der breite Finanzmark­t für Bitcoin und die Blockchain noch nicht. Also, nochmal zum mitschreib­en für ernsthaft interessie­rte Neuinvesto­ren: Für Bitcoin braucht man keine Banker, Broker, Futures oder Zertifikat­e. Man braucht noch nicht einmal die Wall Street oder die Schweiz. Aber Mut. Viel Mut. Denn die nächste Korrektur kommt bestimmt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria