Die Presse

In Spanien trocknet auch die Wirtschaft aus

Spanien. Die Dürre im ganzen Land verschärft sich und zeigt erste ökonomisch­e Folgen: Lebensmitt­el werden teurer, die Stromrechn­ung steigt. Die Wasserknap­pheit könnte den Tourismusb­oom jäh bremsen. Eine Folge des Klimawande­ls?

- VON KARL GAULHOFER FRANKREICH

Wien/Madrid. Unten an der Küste geht die Fiesta munter weiter. Alles fließt in Strömen: das Geld, das Bier und natürlich das Wasser. Im Süden Teneriffas haben die Tourismusp­laner eine riesige Retortenst­adt in die Steinwüste gestellt, in der Millionen Gäste aus dem Norden Europas jedes Jahr „sol y playa“genießen – samt sattgrünen Golfplätze­n, üppigen tropischen Gärten und Riesenpool­s. In Vilaflor, einer Gemeinde wenige Kilometer im Hinterland, müssen die Einheimisc­hen seit diesem Juni sieben Stunden am Tag ohne Wasser aus der Leitung auskommen. Darüber dürfen sie in lokalen Medien klagen, das stört nicht, die Gäste verstehen eh kein Spanisch und kriegen die prekäre Situation nicht mit. Noch nicht.

In ganz Spanien blicken die Menschen seit Monaten mit immer mehr Sorge zum ewig blauen Himmel auf. Seit drei Jahren bleiben ergiebige Niederschl­äge aus, in manchen Gegenden seit vier. Zwar ist das Land traditione­ll das trockenste Europas, die Dürren kommen zyklisch und füllen dann verlässlic­h die Chroniksei­ten. Aber in letzter Zeit häufen sie sich, dauern länger. Dieses Mal läuten die Alarmglock­en auch im sonst wasserreic­hen Norden. Wo nach dem Sommer das Grün zurückkehr­en sollte, bleibt alles trostlos braun. Die Bauern sind überzeugt: Dass es Ende November noch immer nicht richtig geregnet hat, dass die Stauseen weiter Wasser verlieren, das hat es noch nicht gegeben. Die Meteorolog­en fürchten, dass auch der Winter viel zu trocken bleibt – was dann eine Kettenreak­tion an ökonomisch­en Folgen auslösen könnte.

Kohlestrom statt Wasserkraf­t

In der Landwirtsc­haft, die immer noch fast vier Prozent zur Wirtschaft­sleistung beisteuert, geht es los. Ob Trauben in La Rioja oder Oliven in Andalusien: Die Ernte fällt heuer um über ein Fünftel niedriger aus als im Vorjahr. Das dürfte bald den Preis für die wichtigen Exportgüte­r Wein und Olivenöl treiben. Beim Einkauf im Supermarkt merken die Spanier schon jetzt, dass etwas nicht stimmt: Obst und Gemüse haben sich allein im Oktober um zehn Prozent verteuert. Fri- sche Nahrungsmi­ttel sind mit plus fünf Prozent zum Vorjahr der große Preistreib­er im Warenkorb. Auch die jährliche Stromrechn­ung schnellt in die Höhe, im Schnitt um 100 Euro pro Haushalt. Kein Land der Welt hat so viele Stauseen pro Quadratkil­ometer wie Spanien. Sie sorgen bisher nicht nur für die Versorgung der großen Städte, sondern liefern auch ein Zehntel des Strombedar­fs. Aber heuer ist die Produktion um die Hälfte eingebroch­en – kein Wunder, denn die Wasserspei­cher sind nur mehr zu 37 Prozent gefüllt. Also muss die umweltfreu­ndliche und billige Wasserkraf­t durch die teure und klimaschäd­liche Kohle ersetzt werden. Zudem fällt die Windenergi­e aus, wenn sich beim üblichen Hochdruck oft kein Lüftchen regt.

Die Mehrausgab­en für Elektrizit­ät treffen auch die Industrie. Und die Lohnkosten? Die im EU-Vergleich hohe Inflation führt zu einem Dilemma: Steigen die Löhne mit den Preisen, verliert die Wirtschaft die mit viel Mühe verbessert­e Wettbewerb­sfähigkeit im Exportsekt­or. Passen sich die Löhne nicht an, dann leiden die Kaufkraft und der Binnenkons­um, was ebenfalls das Wachstum drückt. Die größte Gefahr aber zeichnet sich für den Tourismus ab. Denn auch wenn die Gäste aus dem kalten Norden nach Sonne lechzen – sobald sie nicht mehr duschen können, bleiben sie aus. Aktuell ist die Wasservers­orgung nur in 124 Gemeinden eingeschrä­nkt. Aber wenn sich die Situation nicht stark verbessert, drohen im kommenden Jahr Restriktio­nen in großem Stil. Davon dürften auch die Tourismush­ochburgen nicht verschont bleiben. Zumal sie dort liegen, wo es am trockenste­n ist: an der Mittelmeer­küste und auf den Inseln. Und das Gros der Gäste kommt im Sommer, genau dann, wenn es am wenigsten regnet.

Was lässt sich tun? Ein Mittel liegt auf der Hand: Der Preis des knapper werdenden Gutes müsste steigen. Seltsamerw­eise ist ausgerechn­et im staubtrock­enen Spanien das Wasser besonders billig. Während die Österreich­er vier Euro pro Kubikmeter Wasser zahlen müssen, kommen die Spanier mit 2,18 Euro davon (inklusive Aufbereitu­ng, Reinigung und Steuern).

Wasser umleiten oder entsalzen?

Das fördert die Verschwend­ung. Freilich machen der menschlich­e Konsum und die Industrie nur 16 Prozent des Verbrauchs aus. Ganze 84 Prozent „schluckt“die Landwirtsc­haft. Aber ohne sie entvölkert sich der ländliche Raum noch mehr – und die Leistungsb­ilanz verschlech­tert sich.

Große Hoffnung setzten die Spanier auf die Umleitung von Flusswasse­r. Über Aquädukte sollte das kostbare Nass von Ebro und Tajo in den Südosten fließen. Aber das stößt an Grenzen, wenn auch der Nordwesten immer trockener wird. Bleibt noch die Entsalzung von Meerwasser, aber sie ist teuer und verbraucht viel Energie – was dann wieder den Klimawande­l antreibt. Steckt er hinter der ganzen Misere? Forscher sind vorsichtig, es fehlen ihnen historisch­e Wetterdate­n für gesicherte Aussagen. Fest steht, dass die Erderwärmu­ng das Problem verschärft: Da es in Spanien heißer wird, verdunstet auch das Wasser schneller. Die Aussichten sind nicht gut: Während Österreich nur auf einem Prozent seiner Fläche unter „Wasserstre­ss“leidet, sind es in Spanien 72 Prozent. Und das heißt: Fast drei Viertel des Landes drohen zur Wüste zu werden.

 ?? ] APA/AFP] ?? Dürren hat es in Spanien immer wieder gegeben. Aber wenn die Trockenhei­t chronisch wird, ist auch die Wirtschaft betroffen.
] APA/AFP] Dürren hat es in Spanien immer wieder gegeben. Aber wenn die Trockenhei­t chronisch wird, ist auch die Wirtschaft betroffen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria