„Er hatte zu viele Melodien, ich zu viele Worte“
Pop. Zeugnis einer Freundschaft: Robert Forster, einer der beiden Gründer der australischen Band Go-Betweens, hat ein Buch über seinen 2006 verstorbenen Kollegen Grant McLennan geschrieben. Am Mittwoch stellt er es in Wien vor.
Die Go-Betweens waren – vielleicht auch wegen ihrer Bescheidenheit – eine der unterschätztesten Bands der Popgeschichte: In den Achtzigerjahren, als im Independent Pop die Düsternis dominierte, hielten sie in ihren Songs Werte wie Solidität, Liebe und Freundschaft hoch. Eine Freundschaft war auch die Basis der Band: die zwischen den beiden Gründern, Sängern, Gitarristen und Songschreibern Robert Forster und Grant McLennan. Letzterer ist 2006 im Alter von nur 48 Jahren plötzlich gestorben, vermutlich an einem Herzinfarkt. Nun erscheint Forsters Buch über ihn auf Deutsch.
Die Presse: Wann spürten Sie erstmals den Drang, ein Buch über Grant McLennan zu schreiben? Robert Forster: Schon am Tag nach seinem Tod. Grant starb an einem Samstagabend. Als ich am Sonntag aufwachte, hatte ich seine Stimme im Ohr. Sie sandte mir sehr klare Botschaften. Eine davon war, unsere Geschichte aufzuschreiben. Viel zu wenige Menschen kannten sie, wussten von unserer tiefen Freundschaft.
Welche Rolle spielte diese Freundschaft für die Go-Betweens? Für uns war sie zentral. Normalerweise gründen Menschen, die ein Instrument spielen, eine Band und schauen dann, wie sie sich verstehen. Bei uns war es umgekehrt. Wir waren schon zweieinhalb Jahre befreundet, ehe wir auf die Idee kamen, eine Band zu gründen. Und da spielte noch keiner von uns ein Instrument.
Teilten Sie auch Interessen, die über die Musik hinausgingen? Grant hatte eine Obsession für Film. Eigentlich wollte er Regisseur werden. Oder zumindest Filmkritiker. Auf dem Campus der Uni in Brisbane gab es ein Kino, dort arbeitete er an der Programmierung mit. Das interessierte auch mich. Weitere gemeinsame Interessen waren Literatur und Fernsehen.
Beide waren Sie auch Fans von Bob Dylan. Was schätzten Sie besonders? Seine Dandy-Popstar-Phase von 1965 und 1966. Als Folksänger interessierte er uns weniger. Wir liebten seine Rockstarqualitäten.
1966 beschrieb Bob Dylan den Idealklang seiner Musik als „wild thin mercury sound“. Sie kamen für Ihre eigene Musik auf „that striped sunlight sound“. . . Ja, der Klang gestreiften Sonnenlichts. Das hat mit Brisbane zu tun. So sehr wir von amerikanischer und britischer Popmusik beeinflusst waren, das Australische spielte immer eine Rolle. Wir sind ja Zehntausende Meilen entfernt von den Popmetropolen, die uns inspiriert haben. Unserer Musik hört man die australische Isolation und die damit zusammenhängende Freiheit an.
Hatten Sie ein Konzept für „Grant & I“? Nichts als Chronologie. Wichtig war mir, dass ich unsere Geschichte ohne seltsame Traumsequenzen oder Stilexperimente zu Papier bringe. Was wir gemeinsam erlebten, war abenteuerlich genug. So etwas erzählt sich konventionell am besten.
Gab es Schwierigkeiten beim Schreiben? Weiß Gott ja. Ich hatte ja zuvor noch nie ein Buch geschrieben. Die Struktur eines Buches unterscheidet sich doch stark von der Songarchitektur. Ich musste lernen, größere Bögen zu spannen.
Wie kann man sich Ihre Zusammenarbeit mit Grant McLennan vorstellen? Unser ewiges Dilemma war, dass Grant immer zu viele Melodien und ich zu viele Worte hatte. Wir tauschten uns aus, aber im Grunde komponierte jeder für sich. Als Musiker geht er mir schon sehr ab, als Freund noch viel mehr.
Die Go-Betweens waren stets Kritikerlieblinge, aber den wirklich großen Erfolg schafften sie nie. Hat Sie das geschmerzt? Mich weniger als Grant. Er sah unseren Platz in den Charts, und er schrieb auch die kommerzielleren Melodien. Lieder wie „Streets of Your Town“und „Bachelor Kisses“sind von ihm. Er war der große Naive, während ich eher zum Zynismus neige.
1988 veröffentlichten die Go-Betweens mit „16 Lovers Lane“ihr bis dahin eingängigstes Werk. Danach trennten sie sich, nahmen erst 2000 wieder gemeinsam auf. Was war in der zweiten Karrierehälfte anders? Wir waren künstlerisch gewachsen, insbesondere Grant. Kurz bevor er starb, hat er mir sechs neue Lieder vorgespielt, die wohl das Beste waren, das er je komponiert hat. Unser letztes gemeinsames Album, „Oceans Apart“, war wirklich sehr gut. Sein Nachfolger wäre aber noch besser geworden.
Hatten Sie in jungen Jahren eine Vision für die Go-Betweens? Wie so viele andere junge Menschen wollten wir etwas Neues, bislang nicht Dagewesenes hervorbringen. Das haben wir wohl nicht ganz geschafft. Wir träumten auch davon, in Paris, Rom, London und New York zu arbeiten, durch Wiens dunkle Gassen zu spazieren. Das alles ist uns geglückt. Wir waren Träumer, aber doch auch ehrgeizig.
Und die vielleicht selbstreferenziellste Band der Popgeschichte . . . Das wäre eine gute Überschrift für einen Go-Betweens-Artikel! Es stimmt: Wir haben früh und vielleicht intensiver als andere an unserer Bandmythologie gearbeitet.
Der Name The Go-Betweens fiel Ihnen auf der Grey Street Bridge in Brisbane ein. Nun gibt es in Ihrer Geburtsstadt eine Go Between Bridge. Wie fühlt sich das an? Extrem gut. Andere haben Goldene Schallplatten, wir diese Brücke. So schade, dass das Grant nicht mehr erleben durfte. Es hätte ihm gefallen.