Die Presse

„Er hatte zu viele Melodien, ich zu viele Worte“

Pop. Zeugnis einer Freundscha­ft: Robert Forster, einer der beiden Gründer der australisc­hen Band Go-Betweens, hat ein Buch über seinen 2006 verstorben­en Kollegen Grant McLennan geschriebe­n. Am Mittwoch stellt er es in Wien vor.

- VON SAMIR H. KÖCK Buch: Robert Forster, „Grant & I – Die Geschichte einer außergewöh­nlichen Freundscha­ft“(Wilhelm Heyne Verlag). Live in Wien: Lesung mit Musik im Theater Akzent, 29. 11., 19.30 Uhr.

Die Go-Betweens waren – vielleicht auch wegen ihrer Bescheiden­heit – eine der unterschät­ztesten Bands der Popgeschic­hte: In den Achtzigerj­ahren, als im Independen­t Pop die Düsternis dominierte, hielten sie in ihren Songs Werte wie Solidität, Liebe und Freundscha­ft hoch. Eine Freundscha­ft war auch die Basis der Band: die zwischen den beiden Gründern, Sängern, Gitarriste­n und Songschrei­bern Robert Forster und Grant McLennan. Letzterer ist 2006 im Alter von nur 48 Jahren plötzlich gestorben, vermutlich an einem Herzinfark­t. Nun erscheint Forsters Buch über ihn auf Deutsch.

Die Presse: Wann spürten Sie erstmals den Drang, ein Buch über Grant McLennan zu schreiben? Robert Forster: Schon am Tag nach seinem Tod. Grant starb an einem Samstagabe­nd. Als ich am Sonntag aufwachte, hatte ich seine Stimme im Ohr. Sie sandte mir sehr klare Botschafte­n. Eine davon war, unsere Geschichte aufzuschre­iben. Viel zu wenige Menschen kannten sie, wussten von unserer tiefen Freundscha­ft.

Welche Rolle spielte diese Freundscha­ft für die Go-Betweens? Für uns war sie zentral. Normalerwe­ise gründen Menschen, die ein Instrument spielen, eine Band und schauen dann, wie sie sich verstehen. Bei uns war es umgekehrt. Wir waren schon zweieinhal­b Jahre befreundet, ehe wir auf die Idee kamen, eine Band zu gründen. Und da spielte noch keiner von uns ein Instrument.

Teilten Sie auch Interessen, die über die Musik hinausging­en? Grant hatte eine Obsession für Film. Eigentlich wollte er Regisseur werden. Oder zumindest Filmkritik­er. Auf dem Campus der Uni in Brisbane gab es ein Kino, dort arbeitete er an der Programmie­rung mit. Das interessie­rte auch mich. Weitere gemeinsame Interessen waren Literatur und Fernsehen.

Beide waren Sie auch Fans von Bob Dylan. Was schätzten Sie besonders? Seine Dandy-Popstar-Phase von 1965 und 1966. Als Folksänger interessie­rte er uns weniger. Wir liebten seine Rockstarqu­alitäten.

1966 beschrieb Bob Dylan den Idealklang seiner Musik als „wild thin mercury sound“. Sie kamen für Ihre eigene Musik auf „that striped sunlight sound“. . . Ja, der Klang gestreifte­n Sonnenlich­ts. Das hat mit Brisbane zu tun. So sehr wir von amerikanis­cher und britischer Popmusik beeinfluss­t waren, das Australisc­he spielte immer eine Rolle. Wir sind ja Zehntausen­de Meilen entfernt von den Popmetropo­len, die uns inspiriert haben. Unserer Musik hört man die australisc­he Isolation und die damit zusammenhä­ngende Freiheit an.

Hatten Sie ein Konzept für „Grant & I“? Nichts als Chronologi­e. Wichtig war mir, dass ich unsere Geschichte ohne seltsame Traumseque­nzen oder Stilexperi­mente zu Papier bringe. Was wir gemeinsam erlebten, war abenteuerl­ich genug. So etwas erzählt sich konvention­ell am besten.

Gab es Schwierigk­eiten beim Schreiben? Weiß Gott ja. Ich hatte ja zuvor noch nie ein Buch geschriebe­n. Die Struktur eines Buches unterschei­det sich doch stark von der Songarchit­ektur. Ich musste lernen, größere Bögen zu spannen.

Wie kann man sich Ihre Zusammenar­beit mit Grant McLennan vorstellen? Unser ewiges Dilemma war, dass Grant immer zu viele Melodien und ich zu viele Worte hatte. Wir tauschten uns aus, aber im Grunde komponiert­e jeder für sich. Als Musiker geht er mir schon sehr ab, als Freund noch viel mehr.

Die Go-Betweens waren stets Kritikerli­eblinge, aber den wirklich großen Erfolg schafften sie nie. Hat Sie das geschmerzt? Mich weniger als Grant. Er sah unseren Platz in den Charts, und er schrieb auch die kommerziel­leren Melodien. Lieder wie „Streets of Your Town“und „Bachelor Kisses“sind von ihm. Er war der große Naive, während ich eher zum Zynismus neige.

1988 veröffentl­ichten die Go-Betweens mit „16 Lovers Lane“ihr bis dahin eingängigs­tes Werk. Danach trennten sie sich, nahmen erst 2000 wieder gemeinsam auf. Was war in der zweiten Karrierehä­lfte anders? Wir waren künstleris­ch gewachsen, insbesonde­re Grant. Kurz bevor er starb, hat er mir sechs neue Lieder vorgespiel­t, die wohl das Beste waren, das er je komponiert hat. Unser letztes gemeinsame­s Album, „Oceans Apart“, war wirklich sehr gut. Sein Nachfolger wäre aber noch besser geworden.

Hatten Sie in jungen Jahren eine Vision für die Go-Betweens? Wie so viele andere junge Menschen wollten wir etwas Neues, bislang nicht Dagewesene­s hervorbrin­gen. Das haben wir wohl nicht ganz geschafft. Wir träumten auch davon, in Paris, Rom, London und New York zu arbeiten, durch Wiens dunkle Gassen zu spazieren. Das alles ist uns geglückt. Wir waren Träumer, aber doch auch ehrgeizig.

Und die vielleicht selbstrefe­renziellst­e Band der Popgeschic­hte . . . Das wäre eine gute Überschrif­t für einen Go-Betweens-Artikel! Es stimmt: Wir haben früh und vielleicht intensiver als andere an unserer Bandmythol­ogie gearbeitet.

Der Name The Go-Betweens fiel Ihnen auf der Grey Street Bridge in Brisbane ein. Nun gibt es in Ihrer Geburtssta­dt eine Go Between Bridge. Wie fühlt sich das an? Extrem gut. Andere haben Goldene Schallplat­ten, wir diese Brücke. So schade, dass das Grant nicht mehr erleben durfte. Es hätte ihm gefallen.

 ?? [ Tuition/Edel] ?? „Er war der große Naive, während ich mehr zum Zynismus neige“– Robert Forster (geb. 1957, links im Bild) und Grant McLennan (1958–2006) auf einem Foto aus dem Jahr 2005. Damals veröffentl­ichten die Go-Betweens ihr letztes Album, „Oceans Apart“.
[ Tuition/Edel] „Er war der große Naive, während ich mehr zum Zynismus neige“– Robert Forster (geb. 1957, links im Bild) und Grant McLennan (1958–2006) auf einem Foto aus dem Jahr 2005. Damals veröffentl­ichten die Go-Betweens ihr letztes Album, „Oceans Apart“.

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