Für Chopin noch nicht reif genug?
Daniil Trifonov eröffnete seine Konzerthaus-Personale mit einem eigenwilligen Soloabend.
Schnelllebig ist das Musikgeschäft heute: Kaum hat ein Musiker einen der großen Wettbewerbe gewonnen, wird er zum Shootingstar stilisiert, von einem zum anderen Engagement weitergereicht. Zeit, sich Neues zu erarbeiten, sich zu entwickeln, bleibt oft wenig.
Wie wird sich Daniil Trifonov, der unbestritten begabteste Pianist seiner Generation, diesen Herausforderungen stellen? Allein im Wiener Konzerthaus ist er diese Saison fünf Mal zu Gast. Begonnen hat seine Personale mit einem Soloabend unter dem Titel „Hommage a` Chopin“, die aber von Chopin nur die Klaviersonate in b-Moll enthalten hat. Sonst gab es Federico Mompous impressionistisch angehauchte Variationenreihe über Chopins A-Dur-Prelude,´ die als Chopin-Porträt gedachte Nummer 12 aus Schumanns Carnaval, eine von Chopin inspirierte Studie von Edvard Grieg, ein Nocturne von Samuel Barber, die von Chopins Mazurkas angeregte Nummer 15 aus Tschaikowskys Opus 72 und Rachmaninows Chopin-Variationen Opus 22.
Gerade hier konnte Trifonov seine eindrucksvolle Pianistik zeigen: seine differenzierte Anschlagskultur, sein Gefühl für Temporückungen und -relationen, sein Bewusstsein für Form. Schließlich verbirgt sich hinter diesem – sich zuweilen ausführlich gebärdenden – Variationenwerk die Idee einer dreisätzigen Sonate. Das muss man nicht nur verstehen, sondern auch darstellen können.
Hatte sich Trifonov zu einer „Hommage a` Chopin“entschieden und nicht zu einem echten Chopin-Soloabend, weil er sich für einen solchen noch nicht reif fühlte? Diesen Eindruck erweckte die Darstellung der b-Moll-Sonate, wegen ihres dritten Satzes „Trauermarsch-Sonate“genannt. Alfred Cortot hörte darin „das stilisierte Echo aller menschlichen Schmerzen“. Bei Trifonov zog er sich zäh dahin, blass und schwerfällig. Schon der erste Satz klang mehr hektisch als von pulsierendem Drängen erfüllt. Aber auch die geheimnisvolle Aura des Scherzos, erst recht die Leuchtkraft des liedhaften Trios vermisste man, so nuanciert so manches Detail erstand. Und das sonst so spukhaft dahineilende Finale? Es wirkte diesmal bloß wie eine, wenn auch brillant bewältigte Etüde.