Im putzigen, alten Haus des Titanen
Zur neuesten BeethovenGedenkstätte in Wien: Keine Ausstellungs- oder Musikkritik, nur eine Gedankenansammlung.
In Wien gibt es – ob der Fülle seiner Historie und der Masse an tatsächlichen Genies – mehr Musikergedenkstätten also sonst wo. Das ist für die Stadt ehrend und eine ziemliche Mühe zugleich, denn so etwas gehört eben irgendwie erhalten, gar gepflegt. Seit Jahrzehnten tut man sich schwer damit, immer wieder gab es Neuanläufe. Das ehedem Historische Museum der Stadt war gefordert. Allein der kulturpolitische Nachdruck, also Geld und Stadtrat-Interessen, fehlten.
Ein frisches Wagnis wurde soeben abgeschlossen. Ludwig van Beethoven ist der Begünstigte. Das Haus in der Probusgasse (also zwischen Kreisky und Heurigen) hat man mit universitären Hilfen neu gestaltet.
Ja, im Grunde ein wunderschönes altes Haus mit kleinen Stiegen und winzigen Räumen, putzig oft. Der Meister wohnte hier nach 1800, also quasi auf Urlaub auf dem Land. Er komponierte fleißig bis in die „Eroica“hinein und verfasste währenddessen zudem sein „Heiligenstädter Testament“, also jene legendär gewordene, ziemlich brutal-sentimentale Anklage an das Schicksal, das ihn als eher galoppierende Ertaubung quälte: Er, Beethoven, der doch gerade (und auch in eigener korrekter Einschätzung) so ziemlich alles in der Musik neu formulierte.
Ein richtiges Museum
Aber! Jetzt gibt es für Beethoven an den Grinzinger Hängen keine Gedenkstätte mehr, sondern sogar ein richtiges Museum! Die Sache ist einerseits ausgesprochen hübsch geworden. Die vielen Zimmerchen sind knallvoll mit einer bunten, oft nicht ganz einsichtigen Mischung aus Erinnerungssachen, Noten, Wundermaschinen, Filmausschnitten und Querverbindungen – einladend, oft lieb zur Haptik offeriert, mit vielen Informationen.
Dazwischen ziehen Musikfetzen herum. Es geht mit Bildchen um ein Wien vor mehr als 200 Jahren und um die Beethoven-Rezeptionen heute. Wissen- schaftlich ist man oft großzügig, bei den vorgeführten Musiksachen herrscht die Freiheit des Ausstellungsmachens für größere Publikumskreise. Fein.
Und dann? Man ist in einem wunderbaren, teuren (Chapeau, freigiebige Stadt) und doch recht speziellen Disneyland, aber dieses immerhin am Originalschauplatz, gewesen. Ging zwischen Dokumenten mit dem Film-Beethoven Ewald Balser gehüllt in strenge Klänge spazieren.
Aufschrei gegen das Ertauben
Man hat auch viel herumspielen dürfen, hat auch (Achtung, modernes Design) Pläne auf Mineralwasserflaschen und Hühnereier als Beethoven-Nahrung sowie zentral in den Räumen auch postmodernen Gschnas und scheußliche Wandbilder gesehen. Pardon, aber zwischen alten Drucken und Beethoven-Handschriften spielen sich kleine Prater-Panoptiken der härteren Sorte ab.
Allein – abermals keine böse Kritik. Wir lernten das spätestens durch Monsterausstellungen so zwischen 1970 und 2010. Musik lässt sich im überquellenden Medienzeitalter nicht mehr als didaktische oder auch nur Kunstgenüsse erzeugende Ausstellung linear bebildern. Man lässt vielmehr den armen Ludwig van bloß ein wenig aufleben. Auch fein. Divertissement ist alles und eigentlich eh schon viel.
Ein Schmerz: Im kleinen Garten hinter dem Haus hat man eine riesige Hörschnecke aus viel Holz gebaut, man kann sich hineinkuscheln und wird vom Septett des Meisters – das Opus hat mit dem Ort nichts zu tun, das macht aber nichts – berieselt. Der kindische und postmodernlässige Monsterohrenteil steht dort, wo Beethoven seinen Aufschrei gegen das Ertauben geschrieben hat.