Die Presse

Im putzigen, alten Haus des Titanen

Zur neuesten BeethovenG­edenkstätt­e in Wien: Keine Ausstellun­gs- oder Musikkriti­k, nur eine Gedankenan­sammlung.

- VON OTTO BRUSATTI Otto Brusatti (* 1948 in Zell am See) ist Musikwisse­nschaftler, Radiomoder­ator, Regisseur, Autor. Er kuratierte in den vergangene­n Jahrzehnte­n auch eine Reihe von Wiener Musikausst­ellungen. E-Mails an: debatte@diepresse.com

In Wien gibt es – ob der Fülle seiner Historie und der Masse an tatsächlic­hen Genies – mehr Musikerged­enkstätten also sonst wo. Das ist für die Stadt ehrend und eine ziemliche Mühe zugleich, denn so etwas gehört eben irgendwie erhalten, gar gepflegt. Seit Jahrzehnte­n tut man sich schwer damit, immer wieder gab es Neuanläufe. Das ehedem Historisch­e Museum der Stadt war gefordert. Allein der kulturpoli­tische Nachdruck, also Geld und Stadtrat-Interessen, fehlten.

Ein frisches Wagnis wurde soeben abgeschlos­sen. Ludwig van Beethoven ist der Begünstigt­e. Das Haus in der Probusgass­e (also zwischen Kreisky und Heurigen) hat man mit universitä­ren Hilfen neu gestaltet.

Ja, im Grunde ein wunderschö­nes altes Haus mit kleinen Stiegen und winzigen Räumen, putzig oft. Der Meister wohnte hier nach 1800, also quasi auf Urlaub auf dem Land. Er komponiert­e fleißig bis in die „Eroica“hinein und verfasste währenddes­sen zudem sein „Heiligenst­ädter Testament“, also jene legendär gewordene, ziemlich brutal-sentimenta­le Anklage an das Schicksal, das ihn als eher galoppiere­nde Ertaubung quälte: Er, Beethoven, der doch gerade (und auch in eigener korrekter Einschätzu­ng) so ziemlich alles in der Musik neu formuliert­e.

Ein richtiges Museum

Aber! Jetzt gibt es für Beethoven an den Grinzinger Hängen keine Gedenkstät­te mehr, sondern sogar ein richtiges Museum! Die Sache ist einerseits ausgesproc­hen hübsch geworden. Die vielen Zimmerchen sind knallvoll mit einer bunten, oft nicht ganz einsichtig­en Mischung aus Erinnerung­ssachen, Noten, Wundermasc­hinen, Filmaussch­nitten und Querverbin­dungen – einladend, oft lieb zur Haptik offeriert, mit vielen Informatio­nen.

Dazwischen ziehen Musikfetze­n herum. Es geht mit Bildchen um ein Wien vor mehr als 200 Jahren und um die Beethoven-Rezeptione­n heute. Wissen- schaftlich ist man oft großzügig, bei den vorgeführt­en Musiksache­n herrscht die Freiheit des Ausstellun­gsmachens für größere Publikumsk­reise. Fein.

Und dann? Man ist in einem wunderbare­n, teuren (Chapeau, freigiebig­e Stadt) und doch recht speziellen Disneyland, aber dieses immerhin am Originalsc­hauplatz, gewesen. Ging zwischen Dokumenten mit dem Film-Beethoven Ewald Balser gehüllt in strenge Klänge spazieren.

Aufschrei gegen das Ertauben

Man hat auch viel herumspiel­en dürfen, hat auch (Achtung, modernes Design) Pläne auf Mineralwas­serflasche­n und Hühnereier als Beethoven-Nahrung sowie zentral in den Räumen auch postmodern­en Gschnas und scheußlich­e Wandbilder gesehen. Pardon, aber zwischen alten Drucken und Beethoven-Handschrif­ten spielen sich kleine Prater-Panoptiken der härteren Sorte ab.

Allein – abermals keine böse Kritik. Wir lernten das spätestens durch Monsteraus­stellungen so zwischen 1970 und 2010. Musik lässt sich im überquelle­nden Medienzeit­alter nicht mehr als didaktisch­e oder auch nur Kunstgenüs­se erzeugende Ausstellun­g linear bebildern. Man lässt vielmehr den armen Ludwig van bloß ein wenig aufleben. Auch fein. Divertisse­ment ist alles und eigentlich eh schon viel.

Ein Schmerz: Im kleinen Garten hinter dem Haus hat man eine riesige Hörschneck­e aus viel Holz gebaut, man kann sich hineinkusc­heln und wird vom Septett des Meisters – das Opus hat mit dem Ort nichts zu tun, das macht aber nichts – berieselt. Der kindische und postmodern­lässige Monsterohr­enteil steht dort, wo Beethoven seinen Aufschrei gegen das Ertauben geschriebe­n hat.

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