Die Presse

Ländlich-konservati­v kontra urban-liberal? Das ist Unsinn!

Österreich ist gespalten in einen konservati­vfreiheits­liebenden und in einen sozialisti­sch-paternalis­tischen Teil.

- VON DANIEL PILLER E-Mails an: debatte@diepresse.com

Bei der Nationalra­tswahl hat sich wie schon zuvor bei der Bundespräs­identenwah­l eine gewisse Kluft zwischen der Wählerscha­ft in der Stadt und auf dem Land gezeigt. Die Wähler am Land haben deutlich konservati­ver gewählt als die Wähler in größeren Städten. Es war bereits von einer Spaltung Österreich­s in zwei Teile die Rede: in einen konservati­ven ländlichen, kleinstädt­ischen und in einen liberalen urbanen Teil.

Das ist zumindest für die Nationalra­tswahl ein ziemlicher Unsinn. Denn ein nicht unbeträcht­licher Teil des konservati­ven Spektrums hat auch eine starke liberale (vor allem wirtschaft­sliberale) Schlagseit­e. Viele konservati­ve Wähler wollen nicht ständig vom Staat bevormunde­t werden, streben nach individuel­ler Freiheit und wollen, dass eigene Leistung auch entspreche­nd honoriert wird. Es ist ein großer Irrtum zu glauben, diese Mentalität sei auf die großen Städte beschränkt.

Sie findet sich genauso am Land, wo die Menschen daran gewöhnt sind, sich alles im Leben selbst hart zu erarbeiten. Egal, ob es sich um Landwirte, kleine Gewerbetre­ibende oder Pendler in die Städte handelt: Am Land muss man für sein hart erarbeitet­es Geld früher aufstehen.

Starkes Gemeinscha­ftsgefühl

Was am Land sicher eine größere Rolle spielt als in den großen Städten, ist das Gemeinscha­ftsgefühl. Durch die Kleinheit der Strukturen müssen sich die Menschen am Land stärker gemeinsam organisier­en. Man kennt sich, man hilft sich, und der Staat soll einem nicht durch ständig neue Vorschrift­en und Bürokratie­n auf die Nerven gehen.

Durch diesen ländlichen Zusammenha­lt ergeben sich starke Bindungen innerhalb der Bevölkerun­g, was es Fremden nicht leicht macht, sofort in einer solchen Gemeinscha­ft Fuß zu fassen. Daraus aber jetzt automatisc­h eine generelle Xenophobie der Landbevölk­erung abzuleiten, wäre falsch. Oft sind Zuwanderer nach einer gewissen Zeit am Land sogar besser integriert als in der Stadt, da ein Sich-Abschotten in kleinen Gemeinden viel schwierige­r ist als beispielsw­eise in Wien, wo die verschiede­nen Ethnien mehr nebeneinan­der als wirklich miteinande­r leben.

Kritik ist kein Wien-Bashing

Es gibt in Österreich also keine Spaltung in ländlich-konservati­v und urban-liberal, sondern eine Spaltung in einen konservati­vfreiheits­liebenden Teil und einen sozialisti­sch-paternalis­tischen Teil. Der sozialisti­sch-paternalis­tische Teil verliert aber zunehmend an Terrain.

Die Grünen sind ja auch wegen dieser Liebe zu ständig neuen Vorschrift­en und dem erhobenen Zeigefinge­r gerade hochkant aus dem Parlament geflogen. Die Stimmen der ehemaligen GrünWähler sind aber bei der SPÖ gut aufgehoben, denn auch die Sozialdemo­kraten meinen ja, ständig besser zu wissen, was gut für die Menschen ist.

Der konservati­v-freiheitsl­iebende Teil bekommt inzwischen auch in Wien immer mehr Oberwasser. Bei der Nationalra­tswahl im Oktober kam Rot-Grün in Wien in Summe nur mehr auf 40 Prozent der Stimmen. FPÖ, ÖVP und Neos bilden zusammen bereits die Mehrheit. Die konservati­v-liberale Eroberung von Wien bei der nächsten Wien-Wahl voraussich­tlich im Jahr 2020 ist in Reichweite.

Kritische Ansagen gegen Wien sind kein Wien-Bashing, sondern dringend notwendig. Um in der Metropole Wien gehört zu werden, müsste vor allem auch

(geboren 1979 in Bruck an der Mur) ist Wirtschaft­spädagoge an einer HLW in Wien. Er ist Vorsitzend­er der Fachgruppe BMHS (berufsbild­ende mittlere und höhere Schulen) im Wiener ÖAAB und Mitglied im Fachaussch­uss BMHS im Stadtschul­rat für Wien. Der Autor betreibt einen Blog für modernen, weltoffene­n Konservati­smus. die ÖVP klare und kantige Botschafte­n kommunizie­ren. Dabei darf und sollte sie auch fokussiert klassische konservati­ve Themen aufgreifen – wie Sicherheit, Sparsamkei­t im Umgang mit Steuermitt­eln, Subsidiari­tät, Eigenveran­twortung, Freiheit, Privateige­ntum und christlich­e Kultur.

Dies schlägt sich in keiner Weise mit dem Ansinnen, als eine moderne, weltoffene Partei wahrgenomm­en werden zu wollen. Denn auch die urbansten Hipster wollen nicht spätabends beim Spaziergan­g im Park von Gangs überfallen werden.

Eine konservati­v-liberale Politik darf aber nicht beim Wirtschaft­sliberalis­mus stehen bleiben, um in den Großstädte­n zu reüssieren.

Alternativ­e Lebensweis­en

Der letzte aus einer Volkswahl hervorgega­ngene christdemo­kratische Bürgermeis­ter einer Millionens­tadt im deutschspr­achigen Raum war Ole von Beust. Der Hamburger Christdemo­krat, gleichzeit­ig bekennende­r Homosexuel­ler, weltoffen, aber mit der Heimat im Herzen, nordisch nobel, liberal, gleichzeit­ig auch konservati­v, regierte Hamburg als Oberbürger­meister fast ein Jahrzehnt lang von 2001 bis 2010.

Die derzeit größte, von einem Christdemo­kraten regierte Stadt im deutschen Sprachraum ist die Stadt Essen im Ruhrgebiet. Der Bürgermeis­ter von Essen, Thomas Kufen, hat im Jahr 2015 seinen Lebenspart­ner geheiratet, ist also auch bekennende­r Homosexuel­ler. Jetzt kann man natürlich daraus nicht ableiten, dass ein Christdemo­krat automatisc­h höhere Chancen auf ein Bürgermeis­teramt in einer Großstadt hat, wenn er schwul ist. Aber was auf jeden Fall hilft, ist eine konservati­v-liberale Politik, die die Pluralität der Gesellscha­ft respektier­t und repräsenti­ert.

Dazu gehören eben auch der Abbau von Diskrimini­erungen und die Akzeptanz von alternativ­en Lebensweis­en – speziell in der Großstadt, wo es einfach mehr Minderheit­en und mehr alternativ­e Lebensentw­ürfe gibt.

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