Die Presse

„Nordkorea erreicht jedes Ziel in USA“

Raketentes­t. Die „Hwasong-15“stieg beim jüngsten Versuch höher auf als jede andere nordkorean­ische Rakete zuvor.

- Von unserer Korrespond­entin ANGELA KÖHLER

Der Schlaga\tausch zwischen Nordkorea und den USA geht in die nächste Runde.

Tokio/Seoul. Am Mittwoch schlug im nordkorean­ischen Staatsfern­sehen erneut die Stunde der Ri Chun Hee. Die Staransage­rin der Kim-Dynastie – wie stets in der rosa Nationaltr­acht Hambok – durfte erneut eine „epochale Sensation“verkünden. „Wir können nun die gesamte USA treffen“, sagte sie. Damit sei das „historisch­e Ziel“erreicht, „die staatliche Atomstreit­macht zu vervollstä­ndigen“. Gemeint ist der jüngste Test einer Interkonti­nentalrake­te vom Typ „Hwasong-15“, die angeblich mit einem riesigen Sprengkopf bestückt werden kann – die „stärkste Waffe“, die Nordkorea je entwickelt hat, prahlte Pjöngjangs Propaganda­sender KCTV.

Am Mittwochab­end wollte der UN-Sicherheit­srat zu einer Dringlichk­eitssitzun­g zusammentr­eten, da die USA, Japan und Südkorea den Weltfriede­n bedroht sehen. In Seoul fürchtet man, dass Nordkoreas Regime bereits 2018 über einsetzbar­e Atomwaffen verfügen könnte.

Südkoreas Wiedervere­inigungsmi­nister warnte: „Die Nordkorean­er haben ihre nuklearen Fähigkeite­n schneller ausgebaut als gedacht.“Südkoreas Staatschef Moon Jae-in sprach eine deutliche Warnung aus: „Wir müssen verhindern, dass Nordkorea die Lage falsch einschätzt und uns mit Atomwaffen bedroht oder dass die USA einen Präventivs­chlag erwägen könnten.“Japans Premier Shinzo Abe verurteilt­e in einem Telefonat mit US-Präsident Donald Trump den Test als indirekten Angriff auf sein Land. Einen Befehl zum Abschuss der nordkorean­ischen Rakete habe es jedoch nicht gegeben, weil absehbar war, dass sie das japanische Festland nicht treffen werde.

Flug bis in 4500 Kilometer Höhe

Waffenexpe­rten in aller Welt werden diesen Test noch exakt unter die Lupe nehmen. Bisher lässt sich so viel sagen: Die Flugbahn der Rakete verlief fast senkrecht ins All, danach stürzte sie nach unten ins Meer. Innerhalb der 54 Minuten Flugzeit erreichte das Geschoss einen Scheitelpu­nkt in 4500 Kilometern Höhe – so hoch wie bisher noch keine nordkorean­ische Rakete. Der Einschlags­ort lag vom Startort 960 Kilometer entfernt. Damit drohte zwar – anders als bei den Tests des Vorgängerm­odells „Hwasong-14“am 4. und 28. Juli – keine unmittelba­re Gefahr für Japan. Die sieben Minuten längere Brenndauer und eine um 800 Kilometer gesteigert­e Höhe sagen den Raketentec­hnikern aber, dass Nordkorea eine neue Qualität erreicht hat. Letztlich könnte die neue Rakete Flugbahnen beschreibe­n, über die sie das gesamte US-Territoriu­m erreichen könnte – selbst Donald Trumps Feriensitz Mar-a-Lago in Florida. Sicher wäre dann nur noch die Insel Puerto Rico.

Die Schussweit­e der „Hwasong-15“reicht bis zur chinesisch­en Westgrenze und sogar bis Kasachstan. Auch ganz Europa wäre mittlerwei­le ein potenziell­es Ziel nordkorean­ischer Raketen und auch die afrikanisc­he Westküste könnte getroffen werden. Damit hätte sich die Weltlage dramatisch verändert. Der Osten Japans und der USStützpun­kt Guam waren schon bisher leichte Ziele für Nordkoreas Raketen.

Trump kündigt neue Sanktionen an

Auch wenn das zur Zeit noch abstrakte Berechnung­en sind – ohne die Vielzahl von Variablen eines Raketenflu­ges zu berücksich­tigen – gibt die Einschätzu­ng von US-Verteidigu­ngsministe­r James Mattis erheblich Anlass zur Sorge: Nordkorea, so schätzt der Chef des Pentagon den jüngsten Raketentes­t ein, kann jetzt im Prinzip jeden Punkt der Erde erreichen. US-Präsident Donald Trump kündigte am Mittwoch über Twitter „zusätzlich­e bedeutende Sanktionen“gegen Nordkorea an. „Das ist eine Situation, mit der wir umgehen werden“, hatte er zunächst gemeint. US-Militärs gehen offenbar noch nicht davon aus, dass Kim Jong-un bereits über ausgereift­e Waffen solchen Kalibers verfügt. Auch gibt es Zweifel, ob Nordkorea einen Raketenspr­engkopf so bauen kann, dass er einen Wiedereint­ritt in die Atmosphäre übersteht, ohne zu verglühen.

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[ AFP ] Nordkoreas Propaganda-Sprecherin Ri Chun Hee verkündete „epochale Sensation“in der Waffentech­nik.

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