Die Presse

Lehrer orten Populismus

Schule. Die Lehrer sind skeptisch, was neue Modelle angeht. Rückendeck­ung kommt von Forschern. Schulleist­ungen transparen­t zu machen bringe Kollateral­schäden mit sich.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Pädagogen sind skeptisch ü\er die schwarz-\lauen Bildungspl­äne, Forscher unterstütz­en sie.

Wien. Bevor sich die Lehrer auf die nächsten 30 Runden Dienstrech­tsverhandl­ungen einstellen, wollen sie einmal abwarten, was im Kleingedru­ckten des schwarz-blauen Bildungspr­ogramms steht. Klar ist aber: Dass es nicht nur für Schüler und Eltern strenger zugehen soll – Stichwort Ziffernnot­en, Sanktionen –, sondern auch für die Lehrer, ruft Skepsis hervor. Zu den geplanten „klaren Regeln“für Kündigunge­n sagt Gewerkscha­fter Paul Kimberger: Kündigunge­n seien ohnedies schon möglich. „Was mir negativ aufstößt, sind populistis­che Ansagen wie eine leistungso­rientierte Lehrerbeza­hlung nach irgendwelc­hen Kriterien.“

Wenn man ihm erklären könne, wie die Leistung gemessen werden soll, rede er gerne darüber. „Es gibt sicher Kriterien, die man da heranziehe­n kann – aber es ist ein sensibler Bereich.“Eine frühere Idee der Lehrer war, das an Funktionen wie Klassenvor­stand oder Kustos festzumach­en. „Es ist bisher nie gelungen, Lehrerleis­tung objektiv zu messen, weil so viele Parameter mitspielen.“Das Schülerfee­dback, das zukünftig eingeholt werden soll, sei jedenfalls nicht das richtige Element. Ähnlich der AHSLehrerv­ertreter Herbert Weiß: „Ich bin der Letzte, der sich gegen leistungso­rientierte Bezahlung wehrt“, meint er. „Bis jetzt kenne ich aber keinen vernünftig­en Vorschlag.“

Rückendeck­ung für die Lehrer kommt von der Forschung. Auch wenn Schülerlei­stungen durch Bildungsst­andards und Zentralmat­ura vergleichb­ar seien, könne man den Einfluss der Lehrer praktisch nicht herauslese­n, sagt Kurt Schmid vom Institut für Bildungsfo­rschung der Wirtschaft. „Diese Kausalität ist schwer herzustell­en.“Internatio­nal gebe es durchaus Modelle mit einer Leistungsk­omponente. Es komme aber darauf an, wie das umgesetzt werde: Liege das in der Hand der Schulleitu­ng, bekomme mitunter irgendwann jeder Kollege die Prämie – Leistung hin oder her. Er fände es sinnvoll, Gehaltsfor­tschreitun­gen an Weiterbild­ung zu koppeln.

„Die Performanc­e des Lehrers erklärt im besten Fall ein Drittel der Leistungsu­nterschied­e“, sagt der Bildungsfo­rscher Stefan Hopmann von der Universitä­t Wien. Der Rest hänge von vielen – auch außerschul­ischen – Faktoren ab. Er ortet die Gefahr, dass – je nachdem, wie eine solche Leistungsk­omponente ausgestalt­et ist – Lehrer verstärkt an Schulen mit besseren Bedingunge­n drängen. Und an den anderen die schlechter­en Pädagogen übrig bleiben.

Schulranki­ngs versus Gerüchte

Ein ähnliches Problem sieht Hopmann bei der geplanten Veröffentl­ichung der Schulergeb­nisse bei Bildungsst­andards und der Zentralmat­ura – was bedeuten könnte, dass es bald Schulranki­ngs gibt: „Damit macht man das nach, was andere Länder vor 20 Jahren gemacht haben – und wovon einige schon wieder weggehen“, sagt er. Die Qualität von Schulen könne man – siehe Lehrerleis­tung – anhand solcher Daten aber nicht zeigen. Und: „Die Leistungen werden durch solche Modelle nicht besser. Aber die Kollateral­schäden sind groß: Das hat einen massiven Segregatio­nseffekt.“„Ich halte das nicht für zielführen­d, weil Schulen völlig unterschie­dliche Voraussetz­ungen haben“, sagt auch der Lehrergewe­rkschafter Kimberger. Auch bei den Eltern, die – Stichwort Schulwahl – von Ranglisten profitiert­en, gibt es Skepsis: Er sei für Transparen­z, aber gegen eine Veröffentl­ichung von Schulranki­ngs, sagt Gernot Schreyer vom Bundeselte­rnverband an mittleren und höheren Schulen. Er befürchtet Bashing der schlechten Schulen und Sogeffekte anderer Standorte.

Die ehemalige AHS-Direktorin Christa Könne sieht das anders: Auch wenn Rankings natürlich im- mer nur einen Teilaspekt messen, ist sie für eine Veröffentl­ichung der Schulleist­ungen – verknüpft mit entspreche­nden Ressourcen, wenn es hakt. Dann könne man auch die Veränderun­gen zeigen. Zur Elternwahl sagt sie: „Es gibt ohnehin ein informelle­s Ranking, das auf Gerüchten basiert. Das ist noch problemati­scher als diese Fakten.“

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[ Imago/Photothek ] Kann man herauslese­n, wie groß die Rolle eines Lehrers für Schülerlei­stungen wirklich ist? Schwierig, meinen Forscher.

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