Die Presse

Der Yeti ist ein Bär, aber kein polarer

Biologie. Vergleiche von Genen in Yeti-Devotional­ien – etwa Zähnen, Haut und Haaren – mit jenen von Bären bestätigen Reinhold Messners Vermutung zur wahren Natur des Schneemens­chen.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Singapur. „Ohne jeden Zweifel sah die Gestalt wie die eines Menschen aus, sie ging aufrecht und hielt ab und zu an, um Zwerg-Rhododendr­on abzureißen. Sie hob sich dunkel ab gegen den Schnee, und soweit ich sehen konnte, hatte sie keine Kleider an.“

Das ist eine der präziseren Beschreibu­ngen des über zwei Meter großen und wohl über 200 Kilo schweren Wesens, das zumindest in vielen Köpfen durch die Höhen des Himalaya geistert. Dort hat es Namen sonder Zahl, Yeti (von Ye = Fels und The = Tier) ist nur bei uns der geläufigst­e, in der Region stecken oft Geister und Dämonen im Namen, oft auch Bären, das tibetische Micheˆ etwa übersetzt sich als „Menschen-Bär“.

Wirklich gesehen wurde er schon früh, aber sehr selten. Alexander der Große hörte 326 v. Chr. von ihm, als seine Feldzüge ihn an den Indus geführt hatten. Dann blieb es im Westen lange ruhig, 1832 sichtete der britische Ethnologe Hodgson etwas in Nepal, in seinen Augen war es ein OrangUtan. Im 20. Jahrhunder­t begann die systematis­che Suche, Edmund Hillary, der Erstbestei­ger des Mount Everest, war dabei, er fand 1951 riesige Fußspuren im Schnee (die Fotos gelten heute noch als starke Belege für die Existenz des Yeti) und trug später auch Material zusammen, das von Schamanen und in Klöstern aufbewahrt wurde: Knochen, Haut, Haare.

Mehr bekam man nicht wirklich zu Gesicht – auch die Einheimisc­hen taten es nicht und kannten das seltsame Wesen nur vom Hörensagen. 1986 kam es endlich wieder zu einer Begegnung: Reinhold Messner sah etwas huschen, erst in der Dämmerung, dann noch einmal im Mondlicht. Das machte Schlagzeil­en, allerdings gab der Wiener Anthropolo­ge Horst Seidler zu bedenken, Messner sei „möglicherw­eise durch extremen Sauerstoff­mangel Opfer einer Halluzinat­ion geworden“. Aber der Südtiroler Extremberg­steiger war dünne Luft gewohnt und seiner Sache sicher, er ging auf Yeti-Jagd, über ein Jahrzehnt. Etwas Lebendes fand er nicht, aber er trieb Indizien auf, einen Zahn etwa und ein Stück Fell, beide stellt er in einem seiner Museen in Südtirol aus. Beide stellte er auch für die jüngste Genanalyse zur Verfügung.

Paläo-Eisbär im Himalaya?

Die hat Charlotte Lindquist (Singapur) unternomme­n, sie ist Biologin und kam eher zufällig auf die Idee: Sie war 2004 bei der GenAnalyse eines 120.000 Jahre alten Eisbären dabei, den man in der norwegisch­en Arktis gefunden hatte. 2014 fand sie diese Arbeit in einer über den Yeti zitiert: Brian Skyes (Oxford) hatte in zwei dem Yeti zugeschrie­ben Funden aus Indien Genstücke identifizi­ert, die sich mit denen das Paläo-Eisbären deckten. Das ist nicht so absurd, wie es klingt: Man weiß etwa vom längst ausgestorb­enen Wollnashor­n, dass es im Himalaya entstand und erst später in die Arktis wanderte, so könnte es auch beim Polarbären gewesen sein.

Aber es gab Zweifel an Skyes Analyse, vor allem an der Methode, Lindquist teilt sie und trug also erneut viel zusammen, was dem Yeti zugeschrie­ben wird, 24 Objekte. Zugleich hat sie in aller Breite die Gene von Bären des Himalaya analysiert, vor allem an Kotproben. Beim Yeti fand sie alles Erdenklich­e (der Zahn aus Messners Fundus etwa ist von einem Hund), vor allem aber fand sie immer wieder Bären: Asiatische Schwarzbär­en, Himalaya-Braunbären, Tibetische Braunbären. Eisbären fand sie nicht, hatte allerdings Skyes Proben nicht zur Verfügung (Nachlesen kann man alles in den Proceeding­s B der Royal Society, 29. 11.).

Der Yeti war bzw. ist also ein Bär, zu dem Schluss kam auch Messner 1998, als er seine aufwen- dige Jagd abbrach. Damit reiht sich dieses Wunderwese­n ein in andere, die in den Fantasien des eisigen Nordens herumspuke­n: Bigfoot in Amerika, Almasty in Sibirien. Letzterer ist offenbar ein Hirngespin­st, es gibt nichts Handfestes von ihm außer einem Waschbären­pelz, und was es von Bigfoot gibt, stammt von Rindern, Wölfen und Pferden, vor allem aber auch von Bären.

Messner hatte Recht, das bestätigte ihm früh Ernst Schäfer, der in den 1930ern mehrfach als Zoologe und SS-Sturmbannf­ührer in Tibet war, um Ur-Arier zu suchen: Er schrieb 1992 an Messner, er habe 1939 einen „Yeti“in einer Höhle erschossen, es sei ein „Tibet-Bär“gewesen. Den Griff zum Gewehr hätte Schäfer besser unterlasse­n: Alle Bären im Himalaya sind bedroht, manche extrem. Immerhin können Artenschüt­zer nun mit den Gendaten von Lindquist besser vorsorgen.

 ?? [ imago ] ?? Neben zwei anderen Arten steckt er hinter dem Yeti: der Tibetbär. Mindestens einer bezahlte die Verwechslu­ng mit dem Leben.
[ imago ] Neben zwei anderen Arten steckt er hinter dem Yeti: der Tibetbär. Mindestens einer bezahlte die Verwechslu­ng mit dem Leben.

Newspapers in German

Newspapers from Austria