Die Presse

Bundesrat könnte Kassenfusi­on noch kippen

Sozialvers­icherung. Schwarz-Blau ist sich bei der Zusammenle­gung der Krankenkas­sen weitgehend einig. Die geplante Finanzieru­ng über neun Landestöpf­e könnte weitreiche­nde Auswirkung­en im Gesundheit­ssystem haben.

- VON MARTIN FRITZL

Wien. Für die FPÖ ist die Zusammenle­gung von Sozialvers­icherungsa­nstalten ein zentrales Anliegen, auch die ÖVP ist prinzipiel­l dafür. Trotzdem ist noch nicht genau fixiert, wie es weitergehe­n soll. Der Verhandlun­gsstand im Detail: Fix ist, dass die Sozialvers­icherung der Gewerblich­en Wirtschaft mit jener der Bauern fusioniere­n wird. Auch eine Zusammenle­gung der neun Gebietskra­nkenkassen ist geplant, da sind aber die Details noch offen. Denn die Länder pochen darauf, dass es weiterhin eine regionale Organisati­on geben muss. Und die hat auch einen Sinn: Schließlic­h müssen die Verträge mit den Ärzten jeweils mit der zuständige­n Landes-Ärzte- kammer ausverhand­elt werden. Offen ist noch, ob die Unfallvers­icherung (AUVA) bestehen bleibt. In einer der Varianten der Verhandlun­gsgruppe ist die Abschaffun­g vorgesehen – was aber eher unwahrsche­inlich ist. Sicher bestehen bleiben die Pensionsve­rsicherung, die Kasse für Eisenbahne­r und Bergbau, jene für öffentlich Bedienstet­e sowie die fünf Betriebskr­ankenkasse­n. Ganz schnell wird das aber nicht gehen: Zur Vorbereitu­ng einer Fusion sollen die Kassen gemeinsam Synergien heben und in Bereichen wie der IT enger zusammenar­beiten. Die Zusammenle­gung ist als Projekt für zwei Legislatur­perioden angelegt.

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Die zuständige­n Referenten in den Landesregi­erungen haben bereits dagegen protestier­t, dass sie ihre Kassen verlieren – und die Bundesländ­er haben es tatsächlic­h in der Hand, die Fusion noch zum Scheitern zu bringen – zumindest jene der neun Gebietskra­nkenkassen. Denn der Bundesrat, der von den Landtagen beschickt wird, hat bei Verfassung­sgesetzen, mit denen die Kompetenze­n der Länder eingeschrä­nkt werden, ein absolutes Vetorecht. In diesen Fällen kann der Nationalra­t auch keinen Beharrungs­beschluss fassen.

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Das ist umstritten. Die Struktur mit 21 Sozialvers­icherungst­rägern ist historisch gewachsen und sicher nicht optimal konzipiert. Anderersei­ts gestehen internatio­nale Vergleichs­studien den heimischen Sozialvers­icherungen einen vergleichs­weise niedrigen Verwaltung­saufwand zu. Einsparung­en bei einer Fusion können nur über einen langfristi­gen Zeithorizo­nt erzielt werden. Denn die Mitarbeite­r in den einzelnen Versicheru­ngsanstalt­en sind pragmatisi­ert, ein Personalab­bau bei einer Fusion ist daher nicht möglich. Damit gibt es zwar weniger Führungspo­sten, aber dasselbe Personal mit denselben Gehältern wie bisher. Bei der Fusion der Sozialvers­icherungst­räger der Eisenbahne­r und des Bergbaus hat die Zusammenle­gung anfangs sogar zu Mehrkosten geführt.

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Die Sozialvers­icherungen sind nicht staatlich organisier­t, sondern „selbst verwaltet“. Die Leitungsor­gane werden somit nicht von der Regierung beschickt, sondern von den zuständige­n Kammern: bei den Gebietskra­nkenkassen von Arbeiterka­mmer und Wirtschaft­skammer, bei den Bauern von der Landwirtsc­haftskamme­r. Das will vor allem die FPÖ ändern, die durch diese Konstrukti­on in den Gremien praktisch nicht vertreten ist. Sie will eine Organisati­onsform ähnlich dem Arbeitsmar­ktservice, bei dem die Regierung die Leitungsfu­nktionen beschickt. Gegen diese Pläne wehren sich aber nicht nur SPÖ und Gewerkscha­ft, die derzeit sieben von neun Gebietskra­nkenkassen dominiert, sondern auch wesentlich­e Teile der ÖVP. Die Christgewe­rkschaften haben sich schon öffentlich dagegen ausgesproc­hen, auch die Wirtschaft­skammer setzt auf eine Fortsetzun­g der Sozialpart­nerschaft. Derzeit sieht es eher danach aus, dass die Selbstverw­altung bleibt.

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