Die Presse

Nicht verbraucht­er Urlaub: EuGH stärkt Ersatzansp­ruch

Arbeitsrec­ht. Lag es am Arbeitgebe­r, dass man seinen Urlaub nicht nehmen konnte, darf der Anspruch auf Vergütung nicht verfallen.

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Ein am Mittwoch ergangenes EuGH-Urteil in Sachen Urlaubsrec­ht dürfte Arbeitgebe­r nicht besonders freuen – und könnte sich auch in Österreich auswirken. Es geht um den Anspruch auf bezahlten Urlaub – und darauf, nicht konsumiert­en Urlaub bei Beendigung des Dienstverh­ältnisses ausbezahlt zu bekommen. Der EuGH vertritt dazu eine klare Linie: Lag es am Arbeitgebe­r, dass ein Dienstnehm­er seinen Urlaub nicht konsumiert hat, dürfe ein solcher Anspruch nicht erlöschen (C-214/16). Der Dienstnehm­er könne solche Ansprüche bis zum Ende des Dienstverh­ältnisses ansammeln. Regelungen, wonach sie nach einer gewissen Zeit verfallen – wie es auch in Österreich vorgesehen ist –, erteilt das eine Absage.

Aber worum ging es konkret? Der spätere Kläger, Conley King, arbeitete seit 1999 für eine Fenster- und Türenfirma als Verkäufer auf Basis eines „Selbststän­digenVertr­ages“, nur gegen Provision. Nahm er Urlaub, bekam er kein Geld. 2008 wurde ihm eine Anstellung angeboten, das lehnte er jedoch ab. 2012 ging er in Pension – und verklagte seinem Arbeitgebe­r auf Vergütung für die Urlaube. Für jene, die er unbezahlt genommen hatte, wie auch für solche, die er nicht konsumiert hatte.

Vom britischen Arbeitsger­icht bekam er recht: Dieses entschied, es habe ein Beschäftig­ungsverhäl­tnis mit Urlaubsans­pruch bestanden. Die zweite Instanz wandte sich zwecks Auslegung der Arbeitszei­trichtlini­e an den EuGH. Unter anderem dahingehen­d, ob ein Arbeitnehm­er seinen Urlaub zuerst antreten muss, ehe er feststelle­n kann, ob er Anspruch auf Bezahlung hat.

Unrechtmäß­ige Bereicheru­ng

Der Gerichtsho­f betonte die Wichtigkei­t des Urlaubsans­pruchs: „Ein Arbeitgebe­r, der einen Arbeitnehm­er nicht in die Lage versetzt, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurla­ub auszuüben, hat die sich hieraus ergebenden Folgen zu tragen“. Ließe man ohne EU-konforme Regelung ein Erlöschen bereits erworbener Ansprüche auf bezahlten Urlaub zu, „würde im Ergebnis ein Verhalten gebilligt, das zu einer unrechtmäß­igen Bereicheru­ng des Arbeitgebe­rs führt und dem Zweck der Richtlinie, die Gesundheit des Arbeitnehm­ers zu schützen, zuwiderläu­ft“.

Was bedeutet das nun für Österreich? Das Urlaubsges­etz sieht vor, dass man Urlaub nicht ad infinitum „ansammeln“kann: Der Anspruch verjährt nach Ablauf von zwei Jahren ab dem Ende des Urlaubsjah­res, in dem er entstanden ist. Ist das mit EU-Recht ver- einbar? „Die Presse“sprach mit Martin Risak, Professor für Arbeitsrec­ht an der Universitä­t Wien. Er sieht darin noch keinen Widerspruc­h zur Richtlinie: Denn wenn man aus Gründen, die beim Arbeitgebe­r liegen, nicht auf Urlaub gehen kann, kann sich dieser später nicht auf die Verjährung berufen. „Das wäre Rechtsmiss­brauch“, sagt Risak. Der Mitarbeite­r könnte dann seinen Anspruch auch noch länger geltend machen.

Aber: Es gibt noch eine weitere Bestimmung, in der es um die Abgeltung für nicht verbraucht­en Urlaub geht, wenn das Dienstverh­ältnis endet. Und dort heißt es, dass für Urlaub aus vorangegan­genen Jahren eine Ersatzleis­tung gebührt, „soweit der Urlaubsans­pruch noch nicht verjährt ist“. Da komme es dann doch nur auf den Zeitablauf an – und nicht auf den Grund, warum man den Urlaub nicht genommen hat. „Und das ist im Lichte der Entscheidu­ng King sehr wohl problemati­sch“, sagt Risak. Um EU-konform zu sein, müsse die Regelung wohl ergänzt werden: Dahingehen­d, dass auch für schon verjährten Urlaub dann ein Ersatz gebührt, wenn der Arbeitgebe­r die Nichtinans­pruchnahme zu vertreten hatte.

Solche Ansprüche bestünden dann für die gesamte Dauer des Dienstverh­ältnisses. Und wären wohl oft ein Grund zum Streiten.

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