Erbstreit um Franz West beendet
Kunst. In letzter Instanz entscheidet das Oberlandesgericht für die Herausgabe des künstlerischen Nachlasses von Franz West an die Kinder. Der Privatstiftung droht Insolvenz.
Im Sommer 2012 starb einer der international einflussreichsten österreichischen Gegenwartskünstler, auf dem Kunstmarkt kann man sagen, der erfolgreichste, Franz West, im Wiener AKH an den Folgen einer Hepatitis-Erkrankung. Was darauf folgte, war eine von außen gesehen seinem Leben und seinem Werk unwürdige, aber dem von ihm gepflegten Chaos angemessene Abfolge von Rechtsstreiten und persönlichen Dramen, die Wests gesamtes Umfeld, privat wie beruflich, durchzog. Gestern, Mittwoch, wurde, wie „Die Presse“erfuhr, zumindest der Rechtsstreit, der sich zwischen den beiden minderjährigen Kindern Wests und der am Sterbebett von einigen Vertrauten Wests gegründeten Privatstiftung entspann, letztinstanzlich entschieden.
Demnach bestätigte das Oberlandesgericht Wien ein Urteil vom Juni dieses Jahres, das den Kindern, nicht der Privatstiftung, die rund 700 Kunstwerke aus der Verlassenschaft zuspricht, so der Anwalt der Hinterbliebenen, Christoph Kerres. Am Ende stolperte die einst im Umfeld des internationalen Galerie-Giganten Gagosian und des Wiener Anwalts und Auktionshausbesitzers Ernst Ploil (Im Kinsky) gegründete Stiftung über einen formalen Fehler, der laut Kerres nur auf den „Husch-Pfusch“am Krankenbett hinweise: Der handschriftlich mit einem Satz auf der Gründungsurkunde vermerkte Widmungsakt, mit dem West all seine Werke der Stiftung übertrug, so Kerres, wurde „einseitig, nicht zweiseitig“errichtet. Das heißt: Die Stiftung hätte die Annahme bestätigen müssen, was sie nicht tat. Das Gericht befand das als nicht rechtmäßig. So gehen jetzt die gesamten Werke an die Kinder, die sonst ihren Pflichtteil hätten einklagen können.
Wie viele der angeblich einen Wert von 80 Mio. Euro umfassenden Arbeiten die Stiftung in den vergangenen fünf Jahren verkauft hat, wie viel sie mit der Werknutzung verdient hat, sei bisher nicht bekannt, so Kerres. Das werde aber im Zuge der Herausgabe bekannt zu geben sein. Ein Sprecher der Stiftung sprach zur „Presse“von „nur einigen wenigen verkauften Werken“, rund 1300 würden noch im Depot lagern. Der Stiftung selbst drohe durch die Entscheidung jetzt „sogar die Insolvenz“, erklärte auch Stiftungsvorstand und Anwalt Stephan Frotz. Man gab sich überhaupt enttäuscht: „Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass auch für das Oberlandesgericht Wien die formale Sicht bei der Widmung durch Franz West und deren Annahme durch die früheren Stiftungsvorstände mehr wiegt als der evidente und gerichtlich festgestellte Willen von Franz West.“
Welche Person, welche Interessen stecken hinter diesem Streit? Die wesentliche Betreiberin der Anfechtung der Werk-Übertragung an die Stiftung war die Witwe Wests, Tamuna Sirbiladze, die ebenfalls Künstlerin war und mit West zwei Kinder aufzog. In mehreren vorangegangenen Testamenten hatte West die beiden als Erben eingesetzt. Wie jeden Künstler beschäftigte ihn die Zukunft seines Werks, immer wieder, berichtete der Anwalt und Kunstsammler Ploil, hatte er mit ihm auch über eine mögliche Stiftung geredet, die er in den letzten Minuten, bevor West in die Intensivstation kam, noch zum Abschluss brachte. Im Hintergrund der Leiter der New Yorker Filiale von Wests Galerie Gagosian, Ealen Wingate, der heute einziges Beiratsmitglied der Stiftung ist.
Ist der Nachlass gesichert?
Was allerdings gewechselt hat, ist der Vorstand der Stiftung: Im Juni 2016 wurde dieser, in dem sich neben Ploil ein Restaurator und die ehemalige engste Mitarbeiterin Wests, Ines Turian, befanden, wegen Unregelmäßigkeiten vom Oberlandesgericht Wien abberufen. (Heute besteht der Vorstand aus Wests Neffen Roland Grassberger, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Othmar Eberhart und Anwalt Stephan Frotz; Turian leitet die Gesellschaft der Stiftung zur Werknutzung.)
Tamuna Sirbiladze hat das Ende des Streits nicht mehr erlebt, sie starb im Frühjahr 2016. Ihre Kinder wurden von ihrem Lebensgefährten der letzten Jahre, dem aus wohlhabenden Verhältnissen stammenden Dichter Benedikt Ledebur, adoptiert. Auch Ledebur kommt aus dem engeren Kreis Wests. Bis die Kinder volljährig sind, stehen Entscheidungen rund um die Werke, so Kerres, unter Aufsicht der Pflegschaftsbehörde. Welche Konstruktionen, welche Kooperationen die Kinder zur langfristigen Sicherung von Wests Nachlass eingehen möchten, könnte sich also erst in Jahren entscheiden.