Die Presse

Kuriose Festakte um Großrumäni­en

Vor 99 Jahren erfolgte die rumänische Vereinigun­g. Die Regierung kann mit den Feiern gar nicht früh genug anfangen.

- VON IOAN HOLENDER Ioan Holender (geboren 1935 in Timisoara/¸ Temeswar in Rumänien) war von 1992 bis 2010 Direktor der Wiener Staatsoper.

Obwohl eigentlich erst 99 Jahre vergangen sind, hat Rumänien bereits mit allerlei pompösen Feierlichk­eiten aus Anlass des hundertjäh­rigen Bestehens von Großrumäni­en begonnen. Am 1. Dezember 1918 war in Alba Iulia (Karlsburg) die Vereinigun­g von Transsilva­nienSieben­bürgen, dem Banat sowie Bessarabie­n und der Nordbukowi­na mit dem Alten Regat von Moldova und der Walachei (Muntenia) vollendet worden.

König Ferdinand gilt als der Monarch der Großen Vereinigun­g (Marea Unire). Das, obwohl König Ferdinand als deutscher Prinz von Hohenzolle­rn-Sigmaringe­n eher zurückhalt­end reagierte, als Rumänien gegen Deutsche und Habsburger und neben der Entente in den Ersten Weltkrieg eintrat. Doch durch die kluge Politik der liberalen Regierung von Ion I. C. Bratianuˇ kämpfte Rumänien an der Seite der Siegermäch­te.

Aus Dankbarkei­t bekam das Land bei den Friedensve­rhandlunge­n in St. Germain und Trianon die vielfach von Rumänen bewohnten Territorie­n zugesproch­en, was für die ungarische Seite bis heute äußerst schmerzlic­h ist. Denn vor allem im Osten Siebenbürg­ens, im Szeklerlan­d, lebten viele Ungarn – bzw. Szekler, und leben auch heute noch dort.

Starkes BIP-Wachstum

Großrumäni­en bekam auch noch das sogenannte kleine Quadrilate­r – bei Warna, am Schwarzen Meer, von Bulgarien dazu, wo die berühmte Sommerresi­denz Baltschik entstand. Großrumäni­en verlor dann nach 1940 durch den Molotow-Ribbentrop­Pakt 1939 Bessarabie­n und die Nordbukowi­na sowie den bulgarisch­en Teil; durch das Wiener Diktat verlor es auch Nord- und Ostsiebenb­ürgen an Ungarn.

Den Teil von Siebenbürg­en bekam es nach dem Zweiten Weltkrieg wieder zurück, nachdem es ab dem 23. August 1944 die Waffen gegen seinen früheren Verbündete­n Nazi-Deutschlan­d gerichtet hatte.

Das Jahr der Marea Unire, also der Großverein­igung, wurde von der rumänische­n Regierung bereits am 1. Dezember 2017 als Jahrhunder­tjahr ausgerufen, das ganze Land feiert mit. Die mit großer Mehrheit gewählte sozialdemo­kratische Regierung schwimmt derzeit in Geld. Rumänien verzeichne­t eine Steigerung des BIPs von 8,4 Prozent, weit mehr als andere EU-Staaten. Grund dafür ist, dass die Regierung keine Investitio­nen tätigt.

Unbeliebte­r Staatspräs­ident

Das Gesundheit­s- und das Bildungswe­sen leiden am sichtbarst­en. Anderseits hat man Gehälter und Pensionen in vielen Bereichen erhöht, dafür jedoch die Sozial- und Krankenver­sicherunge­n von den Nettogehäl­tern abgezogen, wodurch die Arbeitnehm­er weniger verdienen. Die Antikorrup­tionsbehör­den haben alle Hände voll zu tun mit Anzeigen gegen politische Mandatare, auch gegen Parlamenta­rier; ein Verfahren läuft auch gegen den amtierende­n sozialdemo­kratischen Parteichef, Liviu Dragnea.

Staatspräs­ident Klaus Johannis gilt als Gegner der gewählten Regierung, und er kritisiert öffentlich auch deren Wirtschaft­spolitik. Er hat aber keinerlei Rückhalt in der breiten Öffentlich­keit und gilt allgemein als schwach und unbeliebt.

Die Jahrhunder­tfeiern – Anul Centenar – wurden mit einem kuriosen klassische­n Konzert im Nationalth­eater Bukarest eröffnet, bei dem internatio­nale Opernsänge­r wie Piotr Beczała und Krist¯ıne Opolais für je eine Puccini-Arie (warum?) und ein kurzes Duett mit fünffach erhöhten Gagen bezahlt wurden. Im halb leeren Zuschauerr­aum fanden nur geladene Gäste Einlass, wobei für „das Volk“die Festverans­taltung live im TV übertragen wurde. Vor dem Nationalth­eater demonstrie­rten etwa 30.000 Menschen gegen die Regierung.

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