Die Presse

Gangs von Kopenhagen

Dänemark. Verfeindet­e Banden liefern sich im Szeneviert­el Nørrebro Schießerei­en – und töten Unbeteilig­te.

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Kopenhagen. Bunte Häuser, eine lebendige Cafeszene,´ Treffpunkt für Hipster und die Stadt der coolen Fahrräder: So kennt man Kopenhagen. Regelmäßig wird die dänische Hauptstadt zu den besten und lebenswert­esten Metropolen der Welt gewählt.

So gar nicht ins Bild passen Entwicklun­gen, die sich vor allem im hippen Viertel Nørrebro abspielen: Seit Sommer tragen verfeindet­e Banden ihre Konflikte auf offener Straße aus. Es wird sogar scharf geschossen. Immer wieder werden Unbeteilig­te schwer verletzt. Zuletzt starben in weniger als zwei Wochen drei Menschen.

Nørrebro gilt als Viertel der Kreativen. Hier ziehen Szenecafes´ mit Öko-Kaffee und multikultu­relle Geschäfte junge Intellektu­elle an. Trotz Gentrifizi­erung ist der einstige Arbeiterst­adtteil immer noch rau und sehr durchmisch­t. Es gibt Vollkorn-Döner, islamische Schlachter, Spezialges­chäfte für Kopftücher. Hier streiten laut Polizei die Mitglieder der Gang „Loyal to familia“mit den „Brothas“aus NordwestKo­penhagen, nur wenige hundert Meter weiter. Es gehe um Drogen, persönlich­e Feindschaf­ten und Ei- fersucht, sagen die Ermittler. Die Brothas wehren sich nach Expertenme­inung zusammen mit Unterstütz­ern dagegen, dass Loyal to familia in der Kopenhagen­er Unterwelt zu stark geworden ist.

Anders als oft in den USA sei das keine Auseinande­rsetzung verschiede­ner ethnischer Clans, so die Kenner. Dänische Banden seien sehr durchmisch­t. Die Familien vieler ihrer Mitglieder leben seit Generation­en in Dänemark und seien integriert. Zusammenge­schweißt würden die Gangs durch ihre gemeinsame Jugend im gleichen Grätzel.

Polizei ist machtlos

Die Polizei setzt nun auf erhöhte Präsenz: Verstärkt kreisen Hubschraub­er über das Viertel. Außerdem wurden sogenannte Visitation­szonen eingericht­et, in denen die Polizei ohne Grund Passanten und Autos kontrollie­ren darf. Allerdings mit wenig Effekt. Zuletzt hat die Regierung vorgeschla­gen, Bandenmitg­liedern die Sozialhilf­e zu streichen. Anrainer, die kaum fassen können, was sich derzeit abspielt, ziehen als Protest mit Fackeln durch die Straßen. (ag)

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